Politik

Die Junge Union bleibt brav Angepasste kämpfen um Mißfelders Erbe

Benedict Pöttering (l.) und Paul Ziemiak (r.) hätten gern ein Stück vom Kuchen

Benedict Pöttering (l.) und Paul Ziemiak (r.) hätten gern ein Stück vom Kuchen

(Foto: dpa)

Der JU-Vorsitzende Mißfelder tritt nach einer Rekordamtszeit ab. Jetzt wollen ihn Benedict Pöttering und Paul Ziemiak beerben. Die JU wird dabei aber weder viel jünger, noch wilder. Stattdessen scheinen sie eher von den Alten in ihrer Partei abzugucken.

Zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren steht die Junge Union vor einer Kampfabstimmung um den Vorsitz. Dabei stimmen die beiden Kandidaten, die zur Wahl stehen, in ihren Themen erstaunlich überein. Verschieden sind sie nur als politische Charaktere. Klar ist aber, dass mit der Wahl eines neuen Bundesvorsitzenden für die Jugendorganisation der CDU/CSU eine neue Ära beginnt. Nach zwölf Jahren tritt der bisherige Vorsitzende Philipp Mißfelder ab.

Merkel und Mißfelder (Mitte) beim Einmarsch in die Veranstaltungshalle in Inzell

Merkel und Mißfelder (Mitte) beim Einmarsch in die Veranstaltungshalle in Inzell

(Foto: dpa)

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel dankte Mißfelder für dessen Rekordamtszeit nicht ohne Seitenhieb. Der heute 35-Jährige hatte einst infrage gestellt, ob 85-Jährige noch auf Kosten der Solidargemeinschaft künstliche Hüftgelenke bekommen sollten. "Du hast nach anfänglichem unglücklichen Start verstanden, dass die Generationen zusammenhalten müssen", sagte Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union im bayerischen Inzell. Sie lobte aber, dass die JU heute gut mit der Senioren Union zusammenarbeite.

Benedict Pöttering und Paul Ziemiak wollen beide Mißfelder beerben. Im Laufe des Wahlkampfes haben sich zwei Lager um diese beiden grundverschiedenen Typen gebildet. Pöttering wird beschrieben als Haudegen, als laut und angriffslustig. Ziemiak ist leiser und betont gerne, wie wichtig für ihn Konsens sei. Mit der Mutterpartei zum Beispiel. Pöttering dagegen wurde vielen zu einem Begriff, nachdem er die Merkel-CDU auf einem Parteitag kritisiert hatte. In der braven Jugendorganisation, die so viele junge Leute als Karrieresprungbrett in der Union nutzen wollen, ist das schon etwas Bemerkenswertes.

Mißfelders merkwürdiger Weg

Philipp Mißfelder war 2002 mit 23 Jahren der jüngste Bundesvorsitzende in der Geschichte der JU geworden. An sich schließt die Altersgrenze von 35 Jahren in einer solchen Organisation Langzeitvorsitze praktisch aus. Mißfelders Bilanz ist für viele Mitglieder von zwiespältigen Gefühlen begleitet. Das Image des Recklinghauseners ist momentan stark beschädigt. Er ist bestens vernetzt, doch seine Kontakte nach Russland und in zentralasiatische Staaten, seine Freundschaft mit Rüstungslobbyisten, Gerhard Schröder und Helmut Kohl sind nicht gerade das, was in der Merkel-CDU die Karriere befördert. Als zumindest nicht geschickt gilt sein dubioser Nebenverdienst beim Kalenderverlag Te Neues, wo er mehr als 100.000 Euro pro Jahr für eine "Beratertätigkeit" verdienen soll.

Mißfelder hat auf der anderen Seite verhindert, dass die JU in Zeiten der Politikverdrossenheit allzu viele Mitglieder verlor. Aktuell machen rund 117.000 junge Konservative bei der JU mit, ungefähr 13.000 weniger als zu Beginn der Mißfelder-Ära. Verglichen mit der Zeit, als die heutigen Kandidaten noch nicht einmal geboren waren, Anfang der 1980er Jahre, ist das jedoch lächerlich: Damals hatte die JU phasenweise mehr als 260.000 Mitglieder. Dieser Trend zieht sich jedoch durch alle politischen Lager. Damit bleibt die JU nach eigener Darstellung die größte politische Jugendorganisation in Deutschland und sogar in Europa.

Pöttering: Vier Jahre bis 35

Benedict Pöttering ist Jahrgang 1983. Bevor er die Altersgrenze erreicht, würden ihm knapp vier Jahre als Vorsitzender bleiben. Der Niedersachse stammt aus einem echten CDU-Haushalt. Vater Hans-Gert Pöttering war Präsident des EU-Parlaments und leitet jetzt die Konrad-Adenauer-Stiftung. Pöttering Junior ist also von kleinauf vertraut mit der CDU und wie sie funktioniert - den Verweis auf seinen Vater aber wird er noch eine Weile ertragen müssen, falls er denn gewählt wird. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen seiner lebenslangen CDU-Prägung sind für seine Homepage Sätze wie diese entstanden: "Gesellschaft verändert sich stetig" (Familienpolitik), "Die Stärke unseres Landes hängt von unserer starken Wirtschaft ab" (Infrastruktur) oder "Wir müssen uns als Deutschland den Herausforderungen in der Welt stellen und die Chancen nutzen" (Außenpolitik).

Gleichzeitig versucht Betriebswirtschaftler Pöttering, sich als politischer Nerd im Anzug zu präsentieren, gilt als immer erreichbar und twittert viel. Er wirbt mit neuen Abstimmungstechniken, die er einführen wolle. Nach dem Vorbild der Piraten will er eine "E-Democracy" in der JU einführen für die "engagierten Mitglieder", die "tolle Ideen" haben und "mitreden" wollen. Ziemiak grenzt sich davon ab und argumentiert: "Nicht zu jeder Frage können gleich alle Mitglieder befragt werden." Schwierige Themen wie Sterbehilfe könnten nicht per Klick im Internet entschieden werden.

Ziemiak: Geprägt vom Landleben

Der 29 Jahre alte Paul Ziemiak ist bereits vorsitzerprobt in der JU - er leitet den Landesverband Nordrhein-Westfalen, den größten der Organisation mit 34.000 Mitgliedern. Er ist im polnischen Stettin geboren und im sauerländischen Iserlohn aufgewachsen. Er betont gerne, wie skandalös er fehlendes Breitband in ländlichen Gebieten findet. Wie sein Kontrahent twittert er, der im zweiten Studium für Unternehmenskommunikation eingeschrieben ist, eifrig und hat auf sein Auto, einen Opel, seinen Hashtag #EuerPaul geklebt, den auch Anhänger nutzen.

Inhaltlich unterscheidet sich Ziemiaks Agenda sonst nicht so sehr von der Pötterings. Und auch er hat sich bereits die politischen Floskeln zueigen gemacht, die die "Alten" vorbeten: "Unsere Generation steht vor großen Herausforderungen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, wie sein Programm aussehe. Er zählte anschließend Schlagworte wie Generationengerechtigkeit, Infrastruktur und digitales Zeitalter auf. Generationengerechtigkeit nennt auch Pöttering als zentrales Thema. Vom Rentenpaket der Großen Koalition halten beide wenig, lasten es aber dem Koalitionspartner SPD und Arbeitsministerin Andrea Nahles an.

Gemeinsame Feinde

Um die Frage nach dem Umgang mit der AfD winden sich beide Jungpolitiker noch etwas herum. Sie wollen die neue Kraft nicht ignorieren und ihr "inhaltlich" begegnen. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk bezeichnete Ziemiak die AfD als eine Partei, die "Ängste als Parteiprogramm" habe. Pöttering lehnte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur etwas weiter aus dem Fenster und bekannte: "Es wäre ein Versäumnis der Union, wenn wir es zuließen, dass die AfD 2017 in den Bundestag einzieht."

Für die Zeit nach der Wahl haben die beiden JU-Kontrahenten vorsorglich schon jetzt angekündigt, dann wieder zusammenrücken zu wollen. Ein weiteres Feindbild neben der AfD dürfte den beiden dabei helfen. Im Interview mit der Parteizeitung "Biss" sagte Ziemiak, eine "laute Junge Union" müsse neben der "notwendigen Kritik an der Mutterpartei" wissen, wer ihre politischen Gegner seien: "Nämlich Jusos und grüne Ideologen - und an die linksradikale Jugendorganisation der Linkspartei will ich gar nicht erst denken."

Quelle: ntv.de

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