USA von Chemiewaffeneinsatz überzeugt Angriff auf Syrien wird wahrscheinlicher
27.08.2013, 05:40 Uhr
Sind die Würfel über einen Waffengang wegen des Giftgaseinsatzes in Syrien schon gefallen? Für das Weiße Haus steht so gut wie fest, dass das Regime in Damaskus die "rote Linie" überschritten hat. Washington sucht Mitstreiter für einen Militärschlag. Unionspolitiker schließen eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Vorgehen aus.
Die USA haben im Syrien-Konflikt den Ton verschärft. Außenminister John Kerry sagte, die Regierung in Washington sei von einem Giftgaseinsatz in dem Land überzeugt. Dem Regime von Präsident Baschar al-Assad warf er vor, systematisch Beweise dafür zu beseitigen. "Dies ist nicht das Verhalten einer Regierung, die nichts zu verbergen hat", meinte Kerry.
Auch Regierungssprecher Jay Carney machte klar, dass es für die USA kaum noch Zweifel gebe, dass die Führung in Damaskus hinter dem mutmaßlichen Giftgasangriff mit Hunderten Toten steckt. "Wir meinen, dass es sehr wenig Zweifel gibt, dass Syrien verantwortlich ist", sagte Carney. Allein das Assad-Regime verfüge über Raketen, um Chemiewaffen abzuschießen.
Carney wollte jedoch nicht sagen, wann und wie die USA und die internationale Gemeinschaft auf den Giftgaseinsatz reagieren wollten. "Wir überlegen uns unsere Optionen, und der Präsident wird eine Entscheidung treffen."
Kerrys Ausführungen sind die bislang härtesten verbalen Angriffe auf das Damaszener Regime. Es sei jetzt völlig klar, dass Chemiewaffen eingesetzt worden seien. Dies sei eine "moralische Obszönität", sagte Kerry. "Was wir in der vergangenen Woche in Syrien gesehen haben, schockiert das Bewusstsein der Welt."
Offenbar mit Blick auf Damaskus meinte Kerry: "Trotz der Entschuldigungen und Zweideutigkeiten, die einige fabrizieren, ist das unleugbar." Er warf dem Assad-Regime vor, UN-Inspekteuren fünf Tage lang Zugang zu dem Gebiet des Giftgaseinsatzes verweigert zu haben. Zudem habe das Regime durch den weiteren Beschuss der Gegend Beweise vernichtet.
Obama sondiert noch die Lage
Wie ein Angriff auf Syrien aussehen könnte, ist offe nbar noch nicht entschieden. Laut US-Medienberichten ist ein Raketenangriff am wahrscheinlichsten. Die Raketen könnten von Schiffen im Mittelmeer abgeschossen werden. Die USA haben vier Zerstörer in der Region. US-Präsident Barack Obama arbeite auf eine gemeinsame Aktion der internationalen Gemeinschaft hin. Großbritannien, Frankreich und die Türkei haben bereits Unterstützung signalisiert.
Was die genauen Ziele eines solchen Angriffs sein könnten, wurde zunächst nicht bekannt. Obama sei mit dem Kongress und mit den Verbündeten im Gespräch, hieß es. Zudem beriet er sich mit dem australischen Regierungschef Kevin Rudd. Zudem setzte das Weiße Haus den Präsidenten des US-Repräsentantenhauses, John Boehner, über mögliche Optionen in Kenntnis, wie dessen Sprecher der "Washington Post" sagte.
Die oppositionellen Republikaner kritisierten Obamas Vorgehensweise. Der Präsident sei verpflichtet, dem amerikanischen Volk die Beweggründe für sein Handeln zu erläutern, sagte Boehner. Senator John McCain drängte bereits zuvor zu gezielten Luftangriffen auf syrische Militärziele. Allerdings lehnen 60 Prozent der US-Bürger einer Reuters/Ipsos-Umfrage vom Wochenende zufolge einen Militäreinsatz gegen Syrien ab. Nur neun Prozent sind der Meinung, dass Obama handeln müsse.
Heckenschützen greifen UN-Team an
UN-Chemiewaffenexperten, die die Giftgas-Vorwürfe untersuchen sollen, waren gleich zu Beginn ihres Einsatzes unter Beschuss von Heckenschützen geraten. Ihr Konvoi wurde beschossen, als die Fahrzeuge die imaginäre Frontlinie passierten. Rebellen berichteten, regierungstreue Milizen hätten vom Messe- Militärflughafen aus das Feuer auf das UN-Team eröffnet. Wie die UN mitteilten, wurde die Untersuchung aber fortgesetzt. Das Team habe "wertvolle Daten" zu den Giftgas-Vorwürfen gesammelt.
Die Regierung in Damaskus bestreitet den Einsatz chemischer Kampfstoffe am 21. August und beschuldigt stattdessen die Rebellen, Giftgas eingesetzt zu haben. Laut Ärzte ohne Grenzen sind in von der Organisation betreuten Krankenhäusern 3600 Menschen mit Symptomen von Nervengift behandelt worden. Von ihnen seien 355 gestorben.
Die UN-Vetomacht Russland, ein enger Verbündeter Syriens, warnte die USA vor einer militärischen Einmischung. Moskau bezweifelt weiter, dass das syrische Regime Giftgas eingesetzt hat. Das sagte Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron nach Angaben der Downing Street.
Keine Beteiligung Deutschlands
Die Union schließt eine deutsche Beteiligung an einem militärischen Vorgehen in Syrien aus. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Philipp Mißfelder, sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Die Bundeswehr hat durch ihre derzeitigen internationalen Einsätze bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht". Vor diesem Hintergrund sehe er keine Möglichkeit für einen deutschen Beitrag.
Die Gefahr einer "automatischen Spirale der Gewalteskalation" im Fall eines militärischen Eingreifens hält Mißfelder für sehr wahrscheinlich. "Der Iran wird die Hisbollah noch stärker als Vehikel zur Gewaltausübung in Stellung bringen." Damit sei die Gefahr groß, dass der Libanon weiter in den Konflikt hineingezogen werde. Außerdem drohe ein Überschwappen nach Jordanien. Einen militärischen Einsatz ohne UN-Mandat aus "humanitären Gründen" hält Mißfelder für "nur schwer vorstellbar".
Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz forderte die Staatengemeinschaft auf, zunächst das Ergebnis des Berichts der UN-Inspekteure zu einem möglichen Giftgaseinsatz abzuwarten und zu bewerten, bevor sie weitere Schritte gegen die syrische Führung unternehme. "Sollte Assad für einen Giftgasangriff gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich sein, wäre da ein Tabu-Bruch", sagte Polenz der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dann müsse die Weltgemeinschaft handeln.
Quelle: ntv.de, wne/dpa/rts/AFP