Aktion gegen Kinderpornoring dauert an Anonymous an der Seite des FBI
21.10.2011, 12:21 Uhr
Menschen mit Anonymous-Masken posieren am Tag der Revolution in Guatemala.
(Foto: AP)
Im Fall des Kinderpornorings berichtet Anonymous von Millionen Besuchern versteckter Pädophilen-Webseiten. Ein Betreiber prahlt mit seinen Kontakten zu einflussreichen Personen. Noch immer werde um die Kontrolle des Servers gerungen, sagt ein Hauptbeteiligter der "Operation Darknet" im Gespräch mit n-tv.de. Und macht FBI und Interpol ein Angebot.
Ekel, dies ist nach Angaben von Anonymous der Grund gewesen, einen massiven Angriff auf den Server des Providers "Freedom Hosting" zu starten. Darauf waren über 40 Webseiten mit kinderpornografischem Material zu finden, mit über 100 Gigabyte Bildern und Videos "die größte Sammlung im Internet", wie das Hacker-Netzwerk angibt. Alleine eine Informationsseite wurde demnach über zwei Millionen Mal besucht. Die "Operation Darknet" sorgte dafür, dass die Daten und der komplette Server 30 Stunden lang nicht im Netz waren. Inzwischen soll jedoch einiges wieder verfügbar sein.
Mit Wohlstand verführt
Auch der IT-Spezialist "Arson" war an der Aktion beteiligt. Er programmierte eine der Waffen, eine Software für den Angriff. "Solange diese Seiten einen Provider und Backups haben, werden wir sie nie permanent offline halten können", so der Hacker im Gespräch mit n-tv.de. Der Provider werde vom Chef des Kinderpornorings "Lolita City" geführt und sei aus Indien. Ein "Darknet", ein privates Netz bestimmter Nutzer, das anderen nicht zugänglich sein soll, diente dabei als Rückzugsort.
Ursprünglich hatte diese Struktur einen politischen Sinn: Personen aus China, Iran oder anderen Ländern mit repressiven Regimen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung sollten so geschützt werden, schreibt Anonymous. "Eine große Gemeinschaft Pädophiler" entdeckte den Nutzen jedoch für ihre eigenen Absichten "und missbrauchte die Systeme für persönlichen Profit", heißt es.
In einem Chatprotokoll ist nachzulesen, wie der mutmaßliche Anführer des Kinderpornorings sich damit brüstet, Kinder angeblich mit der Zurschaustellung seines Wohlstands zu verführen, etwa seines "G550 Benz", einem Geländewagen von Mercedes. Er sei ein "Geschäftsmann", behauptet er, Besitzer bekannter Nachtklubs und eines Handelsunternehmens in Dubai mit Millionen-Dollar-Umsatz.
Kinderporno-Kopf rechtfertigt sich
Die Hacker halten das für wenig glaubhaft. Doch dass der unter einem obszönen Nicknamen Schreibende tatsächlich der Kopf des Kinderpornorings ist, dies ist laut Arson "zu 90 Prozent sicher". Auch eine Rechtfertigung für sein Handeln lieferte der "Lolita City"-Chef im Wortgefecht mit seinen Angreifern: "Ihr habt keine verdammte Ahnung davon, wie viele Jungen und Mädchen Models sein wollen. Ich zeige ihnen nur einen Weg heraus."
Die von den Aktivisten entdeckten rund 1600 Nutzernamen des Rings sind Pseudonyme. Wer dahinter steckt - angeblich ein Bischof, Kardinäle, Beamte und Geschäftsmänner -, das ist nicht klar. "Wir haben bislang niemanden identifiziert", sagt Arson. Hauptziel sei es, das FBI und Interpol auf die Informationen aufmerksam zu machen. Denn das Abschalten von Webseiten sei nur eine "temporäre Lösung".
Dann streckt der Programmierer die virtuelle Hand aus und sagt: "Hoffentlich sehen uns die Strafverfolgungsbehörden in diesem Kampf als Verbündete." Kontaktiert hätten die Beteiligten von "Operation Darknet" jedoch niemand. Wegen des Risikos, entdeckt zu werden. Denn "egal ob wir Pädophile ausschalten oder nicht, das FBI und Interpol werden uns ohnehin als Hacker auf Steroiden betrachten", ist Arson sicher.
"Investment-Banker von Goldman Sachs"
Der mutmaßliche indische Geschäftsmann von "Freedom Hosting" und "Lolita City" drohte als Reaktion auf die Angriffe der Hacker damit, auch andere Operationen von Anonymous zu torpedieren. So brüstete er sich, dass in seinem Auftrag ein "wichtiger Investment-Banker von Goldman Sachs" in New York Schläger auf die "Occupy Wall Street"-Demonstranten gejagt habe. Die unterstützt Anonymous offen, "mit Geldspenden und Proviant", wie Arson sagt. Zudem seien Mitglieder des Netzwerkes vor Ort.
Eine ideologische Querverbindung zwischen der "Operation Darknet" und der "Occupy"-Bewegung will Arson nicht ziehen. Einer seiner Mitstreiter bei Anonymous sieht das offenbar anders. Als der "Lolita City"-Kopf überheblich prahlt: "Ich bin ein verdammter Geschäftsmann, ihr könnt mir überhaupt nichts anhaben", antwortet ein Hacker im Chat zynisch: "Ach, die Vergnügungen des Laissez-Faire-Kapitalismus - der Annehmlichkeiten wie Pädophilie hervorbringt."
Hinweis der Redaktion: Anonymous hat keine offiziellen Mitglieder, zudem operiert das Hacker-Netzwerk unter Decknamen. n-tv.de schätzt "Arson" und das geführte Interview als authentisch ein.
Quelle: ntv.de