Politik

Präsidentenmaschine gestartet? Anschlag trifft Assads Machtzentrum

Syriens neuer Verteidigungsminister Al-Freidsch spricht im staatlichen Fernsehen von einem "Terroranschlag gegen die Regierung", der entsprechend geahndet werde.

Syriens neuer Verteidigungsminister Al-Freidsch spricht im staatlichen Fernsehen von einem "Terroranschlag gegen die Regierung", der entsprechend geahndet werde.

(Foto: AP)

Ein Selbstmordanschlag in Damaskus trifft Assads innersten Machtzirkel. Zwei hochrangige Politiker und ein General werden getötet, andere verletzt. Der Präsident zeigt sich seitdem nicht in der Öffentlichkeit. Aktivisten berichten indes vom Start der Präsidentenmaschine. Derweil verschiebt der UN-Sicherheitsrat eine für den Abend geplante Sitzung um einen Tag. Eigentlich sollte über Sanktionen gegen Syrien entschieden werden.

Assad (M.) mit den Führern seiner Armee. Im Bild rechts von ihm der getötete Verteidigungsminister Radschha. Links steht Fahd al-Freidsch, der zum neuen Verteidiguingsminister ernannt wurde.

Assad (M.) mit den Führern seiner Armee. Im Bild rechts von ihm der getötete Verteidigungsminister Radschha. Links steht Fahd al-Freidsch, der zum neuen Verteidiguingsminister ernannt wurde.

(Foto: REUTERS)

Bei einem Bombenanschlag auf die syrische Führung sind drei der wichtigsten Stützen von Präsident Baschar al-Assad getötet worden. Amtlichen Medien zufolge starben Verteidigungsminister Dawud Radschha, Assads Schwager Assef Schaukat und der hochrangige General Hassan Turkmani bei dem Selbstmordanschlag während eines Treffens in Damaskus. Der Innenminister und der Geheimdienstschef seien verletzt worden.

Nach dem Anschlag kam es nach übereinstimmenden Berichten von Regierung und Aufständischen zu schweren Gefechten in Damaskus. Der UN-Sicherheitsrat verschob eine geplante Abstimmung über eine Syrien-Resolution.

Vize-Verteidigungsminister Schaukat, Assads Schwager, wurde ebenfalls getötet.

Vize-Verteidigungsminister Schaukat, Assads Schwager, wurde ebenfalls getötet.

(Foto: REUTERS)

In syrischen Sicherheitskreisen wurde ein Leibwächter für den Angriff verantwortlich gemacht. Gleich zwei Gruppen bekannten sich zu dem Anschlag: Die islamistische Rebellen-Organisation Liwa al-Islam erklärte, man habe das Krisenkontrollzentrum angegriffen. Es habe sich jedoch nicht um einen Selbstmordanschlag gehandelt. Die Freie Syrische Armee, in der Rebellen lose zusammengeschlossen sind, bekannte sich über einen Sprecher ebenfalls zu dem Angriff. "Das ist der Vulkan, von dem wir gesprochen haben. Wir haben gerade erst begonnen."

Keine Nachrichten über Assad

In Sicherheitskreisen hieß es, Assad selbst habe nicht an dem Treffen teilgenommen. Aufnahmen oder eine Erklärung des Präsidenten im syrischen Fernsehen gab es zunächst nicht. Syrische Aktivisten berichteten zudem, das Flugzeug von Präsident Assad sei am Abend vom Flughafen Messe in Damaskus aus gestartet. Sie beriefen sich dabei auf Offiziere auf dem Militärflughafen. Über die Passagiere an Bord und das Ziel der Maschine machten sie keine Angaben. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite lag für diesen Bericht, der in einem internen Forum der Regimegegner verbreitet wurde, nicht vor. Das US-Präsidialamt teilte mit, der Aufenthaltsort Assads sei unbekannt.

Opposition spricht von Wendepunkt

Innenminister al Schaar wurde schwer verletzt.

Innenminister al Schaar wurde schwer verletzt.

(Foto: dpa)

Im syrischen Fernsehen wurde kurz nach dem Angriff Stabschef General Fahad Dschassim Al-Freidsch zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Informationsminister Omran Soabi warf westlichen und sunnitischen Regierungen vor, hinter dem Angriff zu stecken. "Sie sind für jeden Tropfen Blut verantwortlich", sagte er. "Und sie werden zur Rechenschaft gezogen." Das Militär kündigte Vergeltung an. Der Chef der Oppositionsgruppe Syrischer Nationalrat, Abdelbasset Seida, sagte in Doha, der Kampf sei in die letzte Phase eintreten. "Heute ist ein Wendepunkt in der Geschichte Syriens." Die Regierung werde bald fallen. Es sei eine Sache von "Wochen oder Monaten".

Experten nannten den Angriff einen schweren Schlag gegen Assad, der jedoch nicht notwendigerweise der Opposition helfen werde. Das Regime dürfte nun "viel gewalttätiger, rücksichtsloser und brutaler werden", sagte Patrick Seale, Autor einer Biografie über Assads Vater Hafes. Eine Verhandlungslösung sei noch unwahrscheinlicher geworden.

Der Anschlag schien zu einem koordinierten Angriff in der Hauptstadt zu gehören, den die Aufständischen "Befreiung von Damaskus" genannt haben. Seit vier Tagen wird dort gekämpft, seit Mittwoch auch in Sichtweite des Präsidentenpalastes. Dabei wurden nach Angaben von Aufständischen auch eine Kaserne und ein Militärstützpunkt angegriffen.

Beide Seiten berichteten nach dem Angriff von einer Ausweitung der Gefechte. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, im Bezirk Midan seien eine große Zahl von Terroristen getötet worden. Im staatlichen Fernsehen wurde dabei erstmals überhaupt von Gefechten in der Hauptstadt berichtet. Aufständische sprachen ihrerseits von einer Flucht von Soldaten und regierungstreuer Milizen. Es seien Kampfhubschrauber im Einsatz. Die Angaben aus Syrien können kaum überprüft werden, weil die Regierung unabhängigen Journalisten den Zugang verwehrt.

UN-Sicherheitsrat verschiebt Abstimmung

Eine Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über eine Resolution, die Sanktionen gegen die syrische Regierung ermöglichen würde, sollte nach russischen Angaben am Donnerstag stattfinden. Der internationale Gesandte Kofi Annan hatte um die Verschiebung gebeten. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rat aufgefordert, die neuen Maßnahmen zu beschließen. Dagegen bekräftigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow den Widerstand seines Landes gegen Strafen. Nur die Opposition zu unterstützen, führe in eine Sackgasse, sagte er in Moskau. Die Vetomächte Russland und China haben bislang alle weitergehenden UN-Maßnahmen gegen Syrien blockiert.

Die Familie Assad und die alawitische Minderheit herrschen in Syrien seit einem Staatsstreich 1963. Bei dem seit etwa 16 Monaten anhaltenden Aufstand sind etwa 17.000 Menschen ums Leben gekommen.

Quelle: ntv.de, rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen