"Keine Macht den Dogmen" Anti-Papst-Demo wird bunt
18.09.2011, 10:18 Uhr
Wie schon beim CSD werden verkleidete Päpste bei der Demonstration mit dabei sein.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wenn der Papst im Bundestag seine Rede hält, werden sie in Berlin demonstrieren: 65 Verbände organisieren die Gegenveranstaltung zum Papst-Besuch. "Ich wünsche mir, dass es nach der Demo bei vielen Leuten 'Klick' gemacht hat, dass der Papst eine menschenfeindliche Politik vertritt", sagt einer der Organisatoren.
"Keine Macht den Dogmen", so heißt ihr Motto, ausgewählt aus 17 Vorschlägen. Die Menschen, die sich zum Bündnis zusammengeschlossen haben, das am 22. September zum Papstbesuch in der Hauptstadt demonstrieren wird, sind so unterschiedlich, wie es in einer Stadt wie Berlin eben sein kann. Unter den insgesamt 65 Organisationen sind Schwulen- und Lesben-Organisationen, Frauenrechtlerinnen, Parteien und Umweltverbände. In ihrer Kritik am Papst sind sie sich einig. "Der Papst vertritt eine menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik", erklärt Jörg Steiner, Sprecher des Bündnisses. "Mit seiner Haltung, etwa zur Verhütung oder zum Schwangerschaftsabbruch, ist er gegen eine sexuelle Selbstbestimmung. Wir wollen eine Gegenöffentlichkeit schaffen."
"Wir wollen eine Demo machen"
Begonnen hat alles im Januar 2011, als bekannt wurde, dass Benedikt XVI. Berlin besuchen würde. Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg machte es sich zur Aufgabe, eine Form des Protestes auf die Beine zu stellen. Der Verband verschickte Briefe an Organisationen, die ähnliche Kritik unterstützen würden. Aus anfangs 20 Organisationen wurden 65, darunter Pro Familia, Jusos und der Landesverband der Linken. "Wir waren von der großen Resonanz positiv überrascht. Schnell wurde klar: Wir wollen eine Demo machen", erzählt Steinert.
Das sollte auf professionelle Weise geschehen. Organisatorische Hilfe gibt es vom Christopher-Street-Day-Verein. "Es wird kein Trauermarsch, sondern eher ein lustiges Fest", erklärt Trischa Dorner von Berlintersex, einer Selbsthilfegruppe für intersexuelle Menschen. "Es soll auch Spaß machen und wird einer Mini-Loveparade oder einem Mini-CSD gleichen". Mit bunten Wägen und einer Persiflage aufs Papamobil sollen Humor und ernste Politik verknüpft werden. "Der Papst richtet sich ja gegen offen gelebte Homosexualität sowie gegen Frauen im Priesteramt. Deshalb werden auf den Wägen zwei homosexuelle Männer und zwei Frauen als Päpste und Päpstinnen verkleidet fahren. Es geht darum, Signale auszusenden, und das ist eine klare optische Botschaft", erklärt Trischa Dorner.
Rolle als Redner unklar
Den meisten Menschen in Deutschland ist der Papst-Besuch egal, besonders die Berliner mit einem geringen Katholiken-Anteil scheinen sich nicht großartig für den Auftritt zu interessieren. Warum also eine Gegendemo? "Wenn der Papst eine öffentliche Rede im Bundestag hält, muss er auch eine Gegenöffentlichkeit aushalten können. Das ist auf dem Boden der Demokratie und der Meinungsfreiheit vertretbar", sagt Steinert. "Seine Funktion ist nicht ganz klar. Spricht er als Staatsoberhaupt oder als religiöser Führer?" Parallel zur Rede wird die Demonstration vom Potsdamer Platz aus loslaufen.
Ursprünglich war die Route entlang des Brandenburger Tores, also nahe des Reichstags, geplant. Das wurde von der Versammlungsbehörde aus Sicherheitsgründen untersagt. "Wir haben absurde Alternativvorschläge bekommen", erzählt Steinert. Die Demonstranten sollten vom Potsdamer Platz weiter weg bis nach Schöneberg laufen, dort, wo sie keiner sieht. Mit der endgültigen Strecke, wie sie nun verläuft, sei man aber einigermaßen zufrieden. "Wir konnten einen Teilerfolg erreichen. Dass wir nicht am Brandenburger Tor vorbeilaufen, ist ein kleiner Schönheitsfehler, aber wir können am Homosexuellen-Mahnmal, am Holocaust-Mahnmal vorbeilaufen und werden nicht in den Schwulenkiez verbannt", sagte Bodo Mende vom LSVD-Vorstand beim Netzwerktreffen des Bündnisses. Die Demonstration wird am Potsdamer Platz starten und über Unter den Linden laufen.
Auch Gläubige demonstrieren
Als Zeitpunkt der Demo habe man sich bewusst die Rede des Pontifex ausgesucht. "Wir wollen nicht zur Messe demonstrieren, weil wir niemanden daran hindern wollen, am Gottesdienst teilzunehmen", erklärt Jörg Steinert. Auch viele gläubige Katholiken sind Mitglieder des Bündnisses. Dass der Papst überhaupt im Parlament sprechen darf, sorgte im Vorfeld für viele Diskussionen. Etwa 100 Abgeordnete der Opposition werden der Rede fernbleiben. Abgeordnete wie Thomas Birk von den Grünen sowie Klaus Lederer von den Linken unterstützen die Gegendemo. Damit es keine leeren Ränge gibt, werden die Sitze mit ehemaligen Bundestagsmitgliedern aufgefüllt. Als "peinlich" und "engstirnig" bezeichneten mehrere Bischöfe den Boykott, als "unvereinbar mit der Neutralität des Staates" sehen die Kritiker die Rede.
Pascal Ferro ist Projektkoordinator der Demo. "Ich wünsche mir, dass es nach der Demo bei vielen Leuten 'Klick' gemacht hat, dass der Papst eine menschenfeindliche Politik vertritt, und dass danach noch viel darüber geredet wird. Ich habe es durch meine Arbeit erlebt, dass viele, die sich vorher nicht mit den Aussagen des Papstes beschäftigt haben, erschüttert sind. Ich würde mir eine Kette der Aufklärung wünschen", sagt Ferro. Der Grund für die Kritik an Papst und katholischer Kirche sei der Einfluss, den sie auf Gesellschaft und Gesetzgebung ausüben. "Wenn die katholische Kirche als Arbeitgeber eine lesbische Frau wegen ihrer sexuellen Orientierung entlässt, ist das diskriminierend", erklärt Jörg Steinert. Auch könne der Papst Druck auf konservative Politiker ausüben, weniger Gleichstellung zuzulassen. Zum Teil seien auch die Aussagen des Papstes, wie die Bezeichnung der Homo-Ehe als "Legalisierung des Bösen", beleidigend. Allerdings müsse man auch aufeinander zugehen. So gab es im Vorfeld des Besuches ein Treffen des Berliner Erzbischofs mit dem LSVD. "Es war ein erster Schritt in die richtige Richtung und wir hoffen auf weitere Gespräche", bewertete Steinert das Treffen.
Protest auch in anderen Städten
Insgesamt sind über 25 Veranstaltungen, die sich kritisch mit dem Papst-Besuch auseinandersetzen, geplant. Auch in anderen Städten, die der Papst besuchen wird, soll es Proteste geben. In Erfurt plant das Bündnis "Heidenspaß statt Höllenangst" für den frühen Abend eine Demonstration am Hauptbahnhof. Erwartet würden rund 300 Teilnehmer, sagt Mitorganisator Philipp Böhm. Parallel zur großen Papstmesse auf dem Domplatz wollen die Kritiker zudem eine sogenannte religionsfreie Zone im Stadtzentrum einrichten. Das Bündnis "Freiburg ohne Papst" will mehr als 3500 Unterschriften, unter anderem von zehn Freiburger Stadträten, gegen den geplanten Eintrag des Papstes in das Goldene Buch an den Oberbürgermeister übergeben.
Quelle: ntv.de, mit dpa/ARP