Flugverbotszone über Libyen Arabische Liga für Militäreinsatz
12.03.2011, 17:06 UhrDie Arabische Liga fordert die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen, um die Menschen vor Luftangriffen zu schützen. Dies beschließen die Staaten bei einem Treffen in Kairo. Zudem nimmt die Liga offiziell Kontakt zu den Aufständischen auf. Derweil rücken Gaddafis Truppen weiter gegen die Rebellen vor.

Vor dem Kairoer Hauptquartier der Arabischen Liga protestieren Menschen gegen Gaddafi.
(Foto: REUTERS)
Die Arabische Liga hat die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen gefordert und damit eine wichtige Voraussetzung für ein internationales Eingreifen in dem Krisenland geschaffen. Bei einem Treffen in Kairo forderten die Außenminister der Liga den Weltsicherheitsrat auf, ein Flugverbot für die Luftwaffe des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi zu verhängen, um die Menschen vor Bombardierungen zu schützen. Derweil gewinnen die Truppen Gaddafis bei ihrer Offensive gegen die Aufständischen zunehmend die Oberhand.
"Die Arabische Liga hat den UN-Sicherheitsrat offiziell ersucht, eine Flugverbotszone gegen jegliche militärische Aktion gegen das libysche Volk zu verhängen", erklärte Liga-Generalsekretär Amr Mussa in Kairo. Eine Delegation des Gaddafi-Regimes durfte nicht an dem Treffen teilnehmen. Die Liga hatte die Mitgliedschaft Libyens zu Monatsbeginn ausgesetzt.
Gaddafis Truppen brachten nach Berichten des arabischen Senders Al-Arabija unter Einsatz von schweren Waffen und Kampfflugzeugen Ras Lanuf wieder unter ihre Kontrolle. Erst am Vortag hatten die Rebellen den Ölhafen zurückerobert. Auch die 100 Kilometer weiter östlich gelegene Stadt Brega kam unter Beschuss. Regimetruppen setzten schwere Artillerie und Flugzeuge ein. Die dort stationierten Rebellen begannen sich aus der Stadt zurückzuziehen, meldete der Sender Al-Dschasira. Die Entwicklungen der letzten Tage deuten auf eine Konsolidierung für die Gaddafi-Truppen hin.
Der Sohn des libyschen Machthabers, Seif el Islam Gaddafi, sah die regierungstreuen Truppen des Landes kurz vor einem Sieg gegen die Aufständischen. "Jetzt sind wieder 90 Prozent des Landes unter unserer Kontrolle, bald ist alles zu Ende", sagte er den italienischen Zeitungen "Corriere della Sera" und "Repubblica". Verhandlungen mit den Rebellen schloss er aus, der Krieg werde "bis zum Ende" geführt.
Diktaturen gegen Beschluss
Der Beschluss zur Flugverbotszone wurde nicht von allen Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga getragen. Wie am Rande des Treffens bekannt wurde, unterstützten zwar die Außenminister aus maßgeblichen Ländern wie Ägypten, Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten die Vorlage. Die Vertreter Syriens, Algeriens, des Jemens und des Sudans - alles Länder mit Regimen, die selbst ihre Bevölkerungen beziehungsweise ethnische Minderheiten in ihrem Machtbereich unterdrücken - sollen ihr aber nicht zugestimmt haben.
Die Arabische Liga, der 22 arabische Staaten aus Nordafrika und Vorderasien angehören, beschloss außerdem, mit dem libyschen Nationalrat - der politischen Vertretung der Aufständischen - in Verbindung zu treten. Mehrere arabische Staaten, darunter auch Ägypten, sollen bereits inoffiziell Kontakt aufgenommen haben. Damit solle geklärt werden, welche Pläne der Rat für die Zeit nach einer möglichen Entmachtung Gaddafis hat, hieß es in Kairo. Der Nationalrat versteht sich selbst als Übergangsregierung.
Die Zustimmung der Liga zu einer Flugverbotszone gilt in der EU als unabdingbar für weitgehende Entscheidungen. Brüssel sieht die Bedingungen für ein militärisches Eingreifen noch nicht erfüllt. Auch der UN-Sicherheitsrat wollte in dieser Frage der Arabischen Liga nicht vorgreifen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kündigte an, sie wolle am Sonntag in Kairo mit Mussa zusammenkommen, um über Schritte in der Libyen-Krise zu beraten. Die USA denken weiter über militärische Optionen - wie etwa eine Flugverbotszone - nach.
Eindruck eines "Kreuzzugs" vermeiden
Bundesaußenminister Guido Westerwelle bekräftigte die deutsche Position zur Libyen-Krise. Er rief zur Zurückhaltung bei Überlegungen für eventuelle militärische Eingriffe auf und forderte stattdessen Gespräche mit den Nachbarn Libyens. Es sei wichtig, den Eindruck zu vermeiden, dass es um einen "christlichen Kreuzzug gegen Menschen muslimischen Glaubens" gehe, sagte Westerwelle beim informellen Treffen der EU-Außenminister in Gödöllö bei Budapest. Die EU will in den nächsten Tagen eine Erkundungsmission nach Libyen schicken. Am Freitag hatten die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem Sondergipfel in Brüssel den Rücktritt Gaddafis gefordert.
Erstmals äußerte sich das Terrornetzwerk Al-Kaida zum Aufstand der Libyer gegen Gaddafi. Abu Jahja al-Libi, der nach Einschätzung westlicher Geheimdienste zum Führungszirkel um Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden gehört, veröffentlichte auf Islamisten-Websites ein Video, in dem er die libyschen Aufständischen lobte. Auch die Tunesier und Ägypter, die ihre Präsidenten entmachtet hatten, bezeichnete er als "Helden". Vor einigen Tagen hatte sich bereits der Ägypter Eiman al-Sawahiri, der als zweiter Mann hinter Bin Laden gilt, zur Revolution in Ägypten geäußert. Allerdings erweckten beide Videoaufnahmen den Eindruck, dass die Terroristen von den Aufständen der Araber in Nordafrika überrascht worden waren.
Milliarden Euro bei deutschen Banken
Die verhängten Sanktionen haben nach einem Medienbericht auch Auswirkungen auf deutsche Banken. Mehr als zehn Milliarden Euro libyscher Herkunft sollen nach "Spiegel"-Informationen auf Konten in Deutschland liegen. Das Vermögen sei in der Vorwoche eingefroren worden. Betroffen sind den Angaben nach 14 verschiedene Banken in Deutschland mit zusammen 193 Konten. Auf einem Konto bei der Bundesbank sei ein Guthaben von 1,96 Milliarden Euro entdeckt worden. Das eingefrorene Vermögen werde der libyschen Notenbank sowie drei staatliche Einrichtungen zugeordnet.
Zur Unterstützung des demokratischen Wandels in Nordafrika will die EU unterdessen die Wirtschaft in der Region stärker fördern. Zugleich möchte Brüssel den politischen Dialog mit den Führern der arabischen Länder intensivieren. Das beschlossen die 27 EU-Außenminister, ihre Kollegen aus den fünf EU-Kandidatenstaaten und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bei einem informellen Treffen in Gödöllö bei Budapest. Die EU will zudem in den nächsten Tagen eine Erkundungsmission nach Libyen schicken.
Die EU wolle sich auf die Förderung der Investitionen in Nordafrika konzentrieren. Studenten und Geschäftsleute sollten freier reisen dürfen, sagte Ashton. Europa solle seine Märkte für Produkte aus dieser Region weiter öffnen. Demokratie und Freiheit müssten für die Menschen in Nordafrika auch "eine Verbesserung der Lebensverhältnisse bedeuten", fügte Bundesaußenminister Westerwelle hinzu. Er habe zur wirtschaftlichen Unterstützung der Region einen "Nord-Süd-Pakt" vorgeschlagen.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sprach sich für die Einrichtung riesiger Lager für libysche Flüchtlinge in den Nachbarländern Tunesien und Ägypten aus. In den "humanitären Zonen" könnten hunderttausende Vertriebene untergebracht werden, dort sollten auch "Schulen für die Kinder" eingerichtet werden, sagte Sarkozy in Brüssel. Die Camps sollten von den Vereinten Nationen geleitet werden; die Europäische Union solle sich an der Finanzierung und Organisation beteiligen, schlug Sarkozy vor.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa/rts