Politik

Der kleine Schritt von Bonn Arbeit fängt jetzt erst an

Die UN-Naturschutzkonferenz in Bonn hat sich nach zweiwöchigen harten Verhandlungen zu wichtigen Vereinbarungen für die biologische Vielfalt der Erde durchgerungen. "Es ist ein sehr gutes Ergebnis", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Abschluss der Konferenz in Bonn. "Der weltweite Aufbruch zum konkreten Schutz der biologischen Vielfalt ist gelungen." Gabriel: "Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht", doch die eigentliche Arbeit fange jetzt erst an. Umweltorganisationen zogen allerdings ein gemischtes Fazit. Sie kritisierten vor allem, dass es zu wenig Geld für den Schutz der Regenwälder gebe und auch kein Stopp für Biosprit vereinbart worden sei. Es gebe zwar Fortschritte, diese seien jedoch zu zaghaft und langsam. Seit Konferenzbeginn seien wieder 2000 Spezies ausgestorben, mahnte Greenpeace.

Die Natur werde nicht durch die in Bonn gefassten 38 Beschlüsse gerettet, sagte Gabriel. Vielmehr müssten diese jetzt mit Leben gefüllt werden. Die deutsche Konferenzpräsidentschaft werde in den kommenden zwei Jahren alles tun, um die Vereinbarungen umzusetzen. Die Delegierten applaudierten ihm stehend als Dank für seine Verhandlungsführung in Bonn.

Die Konferenz verabschiedete Kriterien für den künftigen Meeresschutz. Auch zum Regenwaldschutz wurden Initiativen ergriffen. Die Nutzung natürlicher Ressourcen aus Entwicklungsländern soll verbindlich geregelt werden. Für den Anbau von Biosprit-Pflanzen sollen Leitlinien erarbeitet werden. Für sämtliche Beschlüsse gilt, dass sie in den nächsten zwei Jahren weiterverhandelt werden müssen. Konkrete Entscheidungen sollen erst auf der Nachfolgekonferenz 2010 im japanischen Nagoya (Japan) getroffen werden.

Der Konferenz-Zusammenschluss der regierungsunabhängigen Organisationen lobte Deutschland: "Ein komplettes Scheitern konnte dank der deutschen Initiativen verhindert werden." Die Bundesregierung hatte unter anderem zusätzlich jährlich 125 Millionen Euro bis 2012 und danach jährlich eine halbe Milliarde Euro zum Schutz der Tropenwälder angekündigt. Das Hauptproblem, die "dramatische Unterfinanzierung des weltweiten Schutzes der Artenvielfalt", sei auf der Konferenz dennoch nicht beseitigt worden, kritisierte Greenpeace-Koordinator Martin Kaiser.

"Das zentrale Ziel der UN-Konferenz, das Artensterben bis 2010 zu stoppen, wird mit den Bonner Beschlüssen nicht erreicht", kritisierte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger. Es sei aber einiges auf den Weg gebracht worden.

Ausweitung von Schutzgebieten

Zur Bewahrung von Regenwäldern seien auf der Konferenz von mehreren Ländern neue Angebote zu Schutzflächen über insgesamt 65 Millionen Hektar gemacht worden, sagte Gabriel. "Das ist mehr als die eineinhalbfache Fläche Deutschlands." Auch sei das Ziel bekräftigt worden, bis 2010 die Schutzgebiete weltweit deutlich auszuweiten. Mehr als 30 Entwicklungs- und Schwellenländer, darunter Mexiko, Indonesien, Kongo und Guatemala, hätten bereits Flächen angeboten, für die dann Industrieländer in einer Partnerschaft Geld geben sollen. Wenn die EU-Kommission hierzu nicht bis Sommer eine Gesetzesvorlage präsentiere, werde die Bundesregierung national handeln, kündigte Gabriel an.

Zum internationalen Meeresschutz seien erstmals Kriterien für die Einrichtung von Schutzgebieten erarbeitet worden, die bis 2012 benannt werden sollen, sagte Gabriel. Dies sei auch deshalb wichtig, weil vielerorts ein Zusammenbruch des kommerziellen Fischfangs drohe. Wo es Schutzgebiete geben soll, blieb noch offen.

"Bonner Mandat" gegen Biopiraterie


Zur bislang strittigen Nutzung von Pflanzen und Naturprodukten insbesondere aus Entwicklungsländern gibt es ein "Bonner Mandat" mit einem konkreten Verhandlungsauftrag, um in den nächsten zwei Jahren zu einem Vertrag zu kommen. Damit soll mit der Biopiraterie Schluss gemacht werden. Es sei nur fair, dass ärmere Länder, deren natürliche Ressourcen von Industrieländern genutzt würden, dafür auch einen finanziellen Ausgleich erhielten, sagte Gabriel. Umweltorganisationen kritisierten, dass es damit einen weiteren Aufschub bei diesem vor allem für ärmere Länder wichtigen Thema gebe.

Zum Biosprit gab es eine Verständigung, dass in regionalen Arbeitstreffen ökologische Leitlinien für den Anbau von Energiepflanzen erarbeitet werden sollen. Diese Kriterien sollen bis 2010 stehen. Dies wertete der Minister als "Riesenerfolg", da sich zuvor Brasilien und weitere Länder gegen einen solchen Beschluss gesträubt hätten. Auch hier kritisierten Umweltorganisationen, dass nichts Konkretes beschlossen worden sei - sie hatten ein Moratorium für den Anbau von Bioenergiepflanzen gefordert.

Keine Eisendüngung der Meere

Zu der umstrittenen Düngung von Meeren mit Eisen gebe es ein "faktisches Moratorium", sagte Gabriel. Manche Experten sehen die Eisendüngung als Weg, um das Algenwachstum in den Meeren anzukurbeln und so der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlendioxid zu entziehen. Die Folgen der Düngung für die Meere sind jedoch nicht umfassend untersucht. Ebenfalls ein "faktisches Moratorium" gebe es zum Anbau von gentechnisch veränderten Bäumen.

Sorge um die Artenvielfalt

Die UN-Konvention über Biologische Vielfalt von 1992 habe vor der Bonner Konferenz an einem "Scheideweg" gestanden, sagte Gabriel. Nachdem es jahrelang kaum Bewegung gegeben habe, sei sie nun nach "echten Fortschritten" wieder "quicklebendig". Der Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), Achim Steiner, sprach von "Fortschritten auf allen wichtigen Gebieten". Gemessen an dem, was vorher zum Erhalt der biologischen Vielfalt beschlossen worden sei, sei Bonn "wirklich ein wichtiger Schritt voran".

Mehrere Umweltschutzorganisationen lobten die Zusage weiterer Mittel für den Waldschutz durch die Bundesregierung. Der Greenpeace-Experte Martin Kaiser warf aber Deutschland und der EU vor, keine konkreten Richtlinien gegen illegalen Holzeinschlag vorgelegt zu haben. "Die Kettensägen kreischen weiter", erklärte die Organisation Pro Wildlife. Umweltschützer kritisierten auch, dass beim Waldschutz nicht hinreichend zwischen Primärwald und für den Artenschutz wertlosen Plantagen unterschieden werde. "Trotz einiger Fortschritte wird der Gipfel das Artensterben wohl nicht stoppen", sagte der WWF-Naturschutzexperte Jörg Roos.

Quelle: ntv.de

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