Kein Schlichtungsgespräch in Kairo Armee sagt Dialog ab
12.12.2012, 15:46 Uhr
Wie ein Krake greift Präsident Mursi um sich, zieht die Macht im Staate an sich. So die Kritik der Opposition und die eines unbekannten Karikaturisten aus Kairo.
(Foto: REUTERS)
Am Samstag sollen die Ägypter über eine neue Verfassung abstimmen. Liberale Kräfte befürchten, dass ihnen eine Islamisierung ihrer Heimat aufgezwungen wird. Obwohl ein Schlichtungsgespräch mit Präsident Mursi scheitert, wollen sie die Wahl nun nicht mehr boykottieren.
Die ägyptische Armee hat das Schlichtungstreffen mit Präsident Mohammed Mursi und Vertretern der Opposition kurzfristig abgesagt. Die Reaktionen auf das Gesprächsangebot seien nicht wie gewünscht ausgefallen, hieß es.
Der Dialog, der den Verfassungsstreit beilegen sollte, werde "auf ein unbestimmtes Datum verschoben", hieß es in einer offiziellen Mitteilung auf der Facebook-Seite der Armee. Dabei hatte noch kurz zuvor das wichtigste Oppositionsbündnis Nationale Heilsfront angekündigt, an dem Treffen teilnehmen zu wollen. Ägyptischen Medien zufolge wollte auch Staatschef Mursi kommen.
Referendum in zwei Runden
Zu dem Dialog "im Namen der Liebe zu Ägypten" hatte am Dienstag Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah al-Sissi die verschiedenen Strömungen der Gesellschaft eingeladen. In Ägypten toben seit Tagen teils gewalttätige Proteste sowohl von Gegnern als auch von Anhängern Mursis. Die Kritik dreht sich vor allem um den umstrittenen Verfassungsentwurf. Der sorgte unterdessen für weiteren Ärger: Die Abstimmung über den Entwurf sollen nun anders als geplant in zwei Runden stattfinden.
Die Ägypter sollen am 15. und am 22. Dezember zur Urne pilgern, statt wie bislang geplant nur am 15. Dezember. Das teilte das ägyptische Staatsfernsehen unter Berufung auf eine Entscheidung der Wahlkommission mit. Die beiden Wahlrunden sollen auf zwei Regionen aufgeteilt werden. Beobachter erkennen in dieser Teilung vor allem eine Motivation: Sie soll den Mangel an Richtern, die die Abstimmung überwachen, ausgleichen. Der wichtigste Richterverband des Landes hatte mitgeteilt, dass 90 Prozent seiner Mitglieder das Referendum boykottieren und nicht beaufsichtigen wollen.
Opposition gibt Blockade auf
Präsident Mursi hatte in einem Schritt der Selbstermächtigung per Verfassungsdekret unter anderem den Einfluss der Justiz auf seine Politik eingeschränkt und damit den Zorn vieler Richter auf sich gezogen. Am Samstag setzte er das umstrittene Dekret zwar außer Kraft, am Termin für das Verfassungsreferendum am Samstag hielt er aber fest. Die Opposition fühlt sich durch die rasche Abstimmung über die Verfassung überrumpelt. Zudem sieht sie in dem Entwurf eine zu dominante Handschrift der Islamisten und fürchtet, die Verfassung werde die Islamisierung des Landes vorantreiben.
Da sich nach und nach abzeichnet, dass es der Opposition nicht gelingen wird, das Referendum zu verschieben, rief die Nationale Heilsfront die Ägypter in einer Erklärung nun dazu auf, an der Abstimmung teilzunehmen und mit Nein zu stimmen. Dies gelte aber nur unter vier Bedingungen: Die Abstimmung müsse an nur einem Tag abgehalten werden, vor jeder Wahlurne müsse ein Richter anwesend sein, die Sicherheit in und vor den Wahllokalen müsse gewährleistet werden und es müsse eine nationale und internationale Beaufsichtigung geben. Die Heilsfront unter Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers Mohammed El Baradei ist ein Bündnis liberaler und linker Parteien und die größte ägyptische Oppositionskraft.
Trotz des Scheiterns des Dialogversuchs und den geplanten zwei Wahlterminen blieb es zunächst ruhig in Ägypten. Vor dem Präsidentschaftspalast in Kairo waren nur kleine Gruppen zu sehen, die vor dem Gebäude in Zelten übernachtet hatten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP