Lehren aus Transplantationsskandal Ärzte fordern Organspendepolizei
09.08.2012, 13:02 UhrDer Präsident der Bundesärztekammer Montgomery hält eine reine Selbstverwaltung durch Ärzte, aber auch eine reine staatliche Kontrolle der Organspende nicht für zielführend. Er setzt auf das Mehraugenprinzip und Kontrolleure mit polizeiähnlicher Gewalt.

Montgomery: "Zusammenarbeit von Selbstverwaltung und Staat, das ist der Weg der Zukunft."
(Foto: dpa)
Nach dem Organspendeskandal sprechen sich Ärzte für eine stärkere Rolle des Staates bei der Organvergabe, neue Gremien und schärfere Kontrollen aus. "Der Staat alleine macht es nicht besser, aber Zusammenarbeit von Selbstverwaltung und Staat, das ist der Weg der Zukunft", sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery bei n-tv.
In Berlin kam die Prüf- und Überwachungskommission aus Vertretern von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen zu Beratungen über Reformen zusammen. Sie widmete sich den Konsequenzen aus Ein weiteres Thema: die wachsende Zahl von Schnellverfahren, bei denen die begehrten Organe regional vergeben werden. Diese Verfahren gelten als manipulationsanfällig.
Montgomery setzte sich dabei für eine Kontrollkommission aus staatlichen Vertretern und Mitgliedern der Ärzteschaft ein. Mehr Menschen müssten bestätigen, dass ein Patient sofort transplantiert werden sollte. Außerdem forderte er unangemeldete, flächendeckende Kontrollen von Transplantationen ohne Anlass. "Ich glaube, neben unseren Kontrolleuren und Fachleuten aus der Selbstverwaltung brauchen wir auch Menschen mit polizeiähnlicher Gewalt, die uns helfen, schneller zu Ergebnissen zu kommen", fügte er bei n-tv hinzu. Wichtig ist ihm, dass Fehltritten dann auch schnell Konsequenzen folgen.
Approbationsentzug bei Fehlverhalten
Auf der Pressekonferenz nach der Sitzung der Prüf- und Überwachungskommission sagte er: Das Gremium hätte sich darauf geeinigt, Ärzten bei schwerem Fehlverhalten die Approbation zu entziehen. Letzte mögliche Konsequenz müsse künftig auch die Schließung von Transplantationszentren sein. Die Transparenz bei der Organspende will die Kommission durch eine umfangreiche Veröffentlichung von Prüfberichten vergrößern.
Bei den umstrittenen Schnellverfahren setzte sich Montgomery im ZDF für strengere Kriterien ein. "Wenn der Sonderfall zum Regelfall wird, dann ist etwas an unseren Richtlinien nicht in Ordnung."
Der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte überdies eine Reform der Finanzierung der Transplantationszentren. Statt wie bisher je Fall abzurechnen, sollten die Zentren ein Jahresbudget bekommen, sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Finanzielle Anreize fielen dann weg. Organtransplantationen kosten bis zu 110.000 Euro.
Kritiker trauen Prüfkommission nicht
Kritiker zweifelten derweil am aufrichtigen Reformwillen der Beteiligten. "Im Transplantationswesen bleibt vieles im Dunkeln, denn hier herrscht das Prinzip einer sehr diskreten Selbstkontrolle", sagte die Geschäftsführerin des Vereins BioSkop, Erika Feyerabend, der sich die kritische Beobachtung von Wissenschaft und Medizin zur Aufgabe gemacht hat. In den Prüfungs- und Überwachungskommissionen säßen Akteure mit eigenen Interessen bei der Transplantation. "Das ganze System ist völlig intransparent." Unabhängigkeit und Öffentlichkeit bei den Kontrollen müssten gesteigert werden.
Gesundheitsminister Daniel Bahr von der FDP kündigte angesichts der hitzigen Debatte in der "Bild"-Zeitung an, nach der Sommerpause mit allen Parteien über das Problem beraten zu wollen. Die Gesetze seien klar formuliert. "Versuche, sie zu umgehen, müssen mit aller Härte bestraft werden", so Bahr in dem Blatt. Künftig müsse verhindert werden, dass Ärzte manipulieren können. "Wenn es Gesetzeslücken geben sollte, müssen die geschlossen werden."
Quelle: ntv.de, ieh/dpa