Politik

Militärschlag wird zunehmend unwahrscheinlich Assad erklärt Syrien für abwehrbereit

Bei Protesten in Seattle gegen den geplanten Militärschlag.

Bei Protesten in Seattle gegen den geplanten Militärschlag.

(Foto: REUTERS)

Der Schachzug von US-Präsident Obama, im Fall Syrien den US-Kongresse um Zustimmung zu bitten, löst geteilte Reaktionen aus: Berlin lobt das Abwarten Obamas als Besonnenheit. Assads Gegner im Land meinen indes, das Zögern spiele dem Regime in die Hände. Und tatsächlich bringt Assad seine Waffensysteme in Sicherheit.

Angesichts eines drohenden US-Militärschlags hat Syriens Präsident Baschar al-Assad sein Land für abwehrbereit erklärt. Syrien sei "in der Lage, sich jedem Angriff von außen zu stellen", sagte er staatlichen Medien. Der Widerstand in der syrischen Bevölkerung und den Streitkräften gegen jeden Angriff werde dazu führen, dass "Siege errungen werden, bis Sicherheit und Stabilität zurückgekehrt sind".

Assad äußerte sich dem Bericht zufolge bei einem Treffen mit einem hohen Vertreter aus dem Iran. Der syrische Vize-Außenminister Faisal Mokdad hatte US-Präsident Barack Obama zuvor vorgeworfen, dieser sei "zögerlich und verwirrt". Dem französischen Präsidenten François Hollande warf er vor, "unverantwortlich" zu sein und das Terrornetzwerk Al-Kaida zu unterstützen.

Obama will die Verantwortung auf viele Schultern verteilen.

Obama will die Verantwortung auf viele Schultern verteilen.

(Foto: imago stock&people)

Auch wenn Washington und Paris derzeit einen Militärschlag gegen Damaskus vorbereiten, weil sie einen Giftgaseinsatz durch Assads Truppen für erwiesen halten, scheint ein unmittelbarer Angriff vom Tisch zu sein. Obama hatte am Samstag entschieden, vor einem möglichen Angriff die Zustimmung des US-Kongresses zu suchen. Dieser wird aber erst ab dem 9. September darüber abstimmen.

Der vorläufige Verzicht auf den Militärschlag stieß in Deutschland auf Verständnis, bei der syrischen Opposition löste er hingegen Enttäuschung aus. Außenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin: "Die Entscheidung von Präsident Obama zeigt, wie ernsthaft und besonnen der Abwägungsprozess in den Vereinigten Staaten von Amerika erfolgt." Die gewonnene Zeit müsse genutzt werden, um im UN-Sicherheitsrat eine gemeinsame Haltung gegen das syrische Regime zu erreichen.

Zustimmung keineswegs gewiss

Viele US-Kongressmitglieder begrüßten die Entscheidung Obamas, sie über einen Angriff entscheiden zu lassen. Dennoch scheint es ungewiss, ob es Obama gelingen würde, genügend Abgeordnete und Senatoren auf seine Seite zu ziehen. Laut "New York Times" sagten republikanische Kongresskreise, wenn die Abstimmung sofort stattfände, würde Obama im von den Konservativen beherrschten Abgeordnetenhaus auf jeden Fall scheitern.

Dutzende Kongressmitglieder hatten in Interviews deutlichgemacht, dass die Lage auch im Senat wackelig ist. Dort haben die Demokraten die Mehrheit. "Obama hat keine Chance, dieses Votum zu gewinnen, wenn er nicht die Mehrheit in seiner eigenen Partei gewinnen kann, und ich bezweifele es, dass er es kann", sagte der Abgeordnete Tom Cole, einer der führenden Republikaner.

Assad verlegt Waffen auf Schulen

Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee verfolgt Obamas Statement.

Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee verfolgt Obamas Statement.

(Foto: REUTERS)

Die syrische Opposition beklagte dagegen, die Verzögerung des erwarteten US-Angriffs gebe dem Regime mehr Zeit, seine Soldaten und Waffensysteme in Sicherheit zu bringen. In den vergangenen Tagen seien weitere Artilleriegeschütze, Raketen und Truppen in Wohngebiete und auf Gelände von Universitäten und Schulen verlegt worden, erklärte die Nationale Syrische Koalition. Dadurch werde ein Angriff auf rein militärische Ziele deutlich erschwert.

Obamas russischer Widersacher, Wladimir Putin, äußerte sich am Wochenende zunächst nicht. Im Vorfeld der Rede des US-Präsidenten hatte er die Giftgas-Anschuldigungen der USA gegen Syrien als "absoluten Unfug" bezeichnet und Washington aufgefordert, die Vorwürfe mit konkreten Beweisen zu belegen.

Keine offizielle Stellungnahme gab es auch von der chinesischen Regierung. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua kommentierte, Obama mangele es daheim und weltweit an Unterstützung, nun versuche er, dem geplanten Angriff "die Aura von Legitimität" zu geben.

In Israel dauerte die erhöhte Alarmbereitschaft ungeachtet der neuen Obama-Strategie an. Verschiedene Raketenabwehrsysteme seien aufgestellt und einsatzbereit, meldete der Rundfunk. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich nicht direkt zu Obama. Er sagte: "Israel ist ruhig und vertraut auf sich selbst." Die Bürger wüssten, "dass wir auf jedes Szenario eingestellt sind."

London hat sich festgelegt

Die britische Regierung will nach der Abstimmungspleite aus der Nacht zum Freitag kein neues Votum über eine Beteiligung an möglichen Militäraktionen: "Das Parlament hat gesprochen", sagte Finanzminister George Osborne der BBC. Nach der Rede Obamas am Samstag waren Stimmen laut geworden, wonach die konservativ-liberale Koalitionsregierung von Premierminister David Cameron einen zweiten Anlauf nehmen sollte, um die Zustimmung des Parlaments einzuholen.

Papst Franziskus forderte erneut eindringlich ein Ende der Gewalt und warnte vor möglichen Militärschlägen. "Es ist niemals der Einsatz von Gewalt, der den Frieden bringt", sagte Franziskus auf dem Petersplatz in Rom. "Nie wieder Krieg", rief er den Pilgern zu. Der Pontifex verurteilte auch den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz in Syrien. "Ich sage Euch, dass ich immer noch traurig die schrecklichen Bilder der vergangenen Tage im Kopf und im Herzen habe."

Bericht an Ban dauert noch Wochen

Unterdessen hat die Auswertung der von den UN-Experten genommenen Proben zu einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien begonnen. Sie könne aber "bis zu drei Wochen" dauern, teilte die in Den Haag ansässige Organisation zum Verbot von Chemiewaffen (OVCW, englischsprachige Abkürzung OPCW) in einer Erklärung mit. Es werde alles getan, "um den Prozess zu beschleunigen", hieß es. Anschließend würden die Experten ihren Bericht UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorlegen.

Der OVCW-Sprecher Michael Luhan sagte, die Proben würden "in ein halbes Dutzend Labors in der Welt gebracht" - in Länder, die "nicht politisch involviert" seien. Dabei werde jede Probe - sei es von Böden, Wasser oder Blut - geteilt und jeder Teil von einem anderen Labor untersucht, damit verlässliche Ergebnisse erzielt würden. Die überstaatliche Organisation OPCW ist mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der 1992 unter der Ägide der UNO abgeschlossenen Konvention gegen Chemiewaffen zu überwachen.

Die UN-Experten hatten den Auftrag herauszufinden, ob im syrischen Gewaltkonflikt Chemiewaffen eingesetzt wurden, nicht aber, durch wen. Die UNO erklärte in New York, sie werde ihren Bericht zur Expertenmission erst vorlegen, wenn die Proben analysiert seien.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP

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