Atommüll-Transport kriecht voran Polizei entfernt Gleisblockierer
27.11.2011, 06:29 Uhr
Der Castor-Transport kommt kaum voran. Tausende Menschen besetzen die Gleise, die Polizei entfernt die Atomkraftgegner nach und nach. Die Schienen müssen teilweise abmontiert und wieder angeschweißt werden, damit der Atommüll weiter in Richtung des Zwischenlagers Gorleben rollen kann. Aktivisten beklagen die harten Methoden der Einsatzkräfte.
Die Polizei räumt die Bahnstrecke für den Castor-Transport ins Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben. Mindestens 2500 Demonstranten würden von den Schienen in einem Waldstück bei Hitzacker getragen, sagte ein Polizeisprecher in Lüneburg. Bislang laufe alles friedlich ab. Vier Atomkraftgegner haben sich derweil an den Bahngleisen zwischen Lüneburg und Dannenberg mit einer Rohrvorrichtung festgemacht, um die Strecke zu blockieren. Von Seiten der Atomkraftgegner hieß es, sie hätten je einen Arm in einem Betonblock, der unter den Gleisen verankert ist. Mit einem Presslufthammer versuche die Polizei, sie zu befreien.
In der Nacht hatte die Polizei bereits eine sechsstündige Störaktion von sieben Greenpeace-Mitgliedern beendet, die sich an Gleisen an der Castor-Strecke angekettet hatten. Arbeiter entfernten ein gut zehn Meter langes Stück der Gleise und lösten so die Atomgegner von den Schienen. Nach Reparaturen war die Strecke wieder befahrbar. An anderen Orten in der Region errichteten Atomkraftgegner mit Bäumen, Sand und Kartoffelkisten zahlreiche Straßensperren.
Der Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll war am Mittwoch in Frankreich zum rund 1200 Kilometer entfernten Zwischenlager in Gorleben gestartet. Der Zug hatte am Abend über eine nördliche Route den Güterbahnhof Maschen bei Hamburg angesteuert und dort vorerst pausiert. Die Polizei hat nun begonnen, den Weg zur Verladestation nach Dannenberg frei zu machen - dort sollen die elf Behälter auf Speziallastwagen umgeladen werden und nach Gorleben fahren.
Ausgerüstet mit Strohsäcken und Wärmefolien hatten Castor-Gegner seit Samstagnachmittag stundenlang an den Gleisen ausgeharrt. Bei Musik und Lagerfeuer vertrieben sie sich während der Sitzblockade die Zeit. Nun werden sie einzeln von Polizisten von den Gleisen getragen, um den Weg für den Atommüllzug frei zu machen.
Wind macht Sorgen
Damit sind die Probleme für den Transport noch nicht vorbei: Starker Wind könnte erstmals das Umladen der Castor-Behälter von der Schiene auf Lastwagen in Dannenberg verzögern. Meteorologen sagten für das Wochenende heftige Böen voraus. Der Kran, mit dem die Castorbehälter vom Zug auf Lastwagen umgeladen werden, wird nur bis Windstärke 7 eingesetzt. Sollte diese Stärke überschritten werden, werde das Verladen der rund sechs Meter langen und rund 120 Tonnen schweren Behälter eingestellt, sagte am Abend der Sprecher des Zwischenlagerbetreibers, der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS).
Castorgegner hatten zuvor an mehreren Orten die Schienen gestürmt und Steine aus dem Gleisbett entfernt. Dies wird von Aktivisten auch "Schottern" genannt. Die Einsatzkräfte gingen in den unübersichtlichen Waldgebieten massiv gegen die "Störer", wie sie von der Polizei bezeichnet werden, vor. Es kam zu zahlreichen Festnahmen. Die Beamten wurden laut Polizei zudem mit Steinen und Böllern angegriffen. An einer anderen Stelle hatten Atom-Gegner die Schienen verbogen.
Die Polizei bleibe bei dem angekündigten harten Vorgehen gegen Schotter-Aktivisten, sagte Polizeisprecher Torsten Oestmann. "Wir sind aufgefordert, gegen Straftaten vorzugehen." Dazu dürften auch körperliche Zwangsmittel eingesetzt werden.
"Übertriebenes Machtspiel"
Atomgegner kritisierten die Strategie der Einsatzkräfte: "Das ist ein übertriebenes Machtspiel", sagte Hans-Werner Zachow von der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen als angemessen. Bei den Auseinandersetzungen mit Protestierenden wurden laut Polizei 35 Beamte verletzt. Rettungskräfte aus der Region sprachen darüber hinaus von mehr als 100 verletzten Demonstranten. Der Lüneburger Polizeipräsident Friedrich Niehörster beklagte die zunehmende Gewaltbereitschaft bei den Castorprotesten im Wendland.
In Dannenberg protestierten mehrere tausend Kernkraftgegner aus ganz Deutschland friedlich und farbenfroh gegen die Atompolitik der Bundesregierung. Zu der zentralen Kundgebung in der Nähe des Verladebahnhofes kamen nach Polizeiangaben rund 8000 Menschen. Die Bürgerinitiativen sprachen dagegen von mehr als 23.000 Teilnehmern.
"Wir geben nicht auf, bis Gorleben gestoppt ist", erklärte die Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt. Die Atomgegner fordern die schwarz-gelbe Bundesregierung auf, den Salzstock in Gorleben als mögliches Endlager aufzugeben. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte mit den Ländern die bundesweite Suche nach einem alternativen Standort für das Endlager vereinbart. Dabei wird auch Gorleben weiter auf seine Eignung erkundet.
Brandanschlag auf Bahnstrecke
In der Nacht zu Samstag hatte es einen Brandanschlag auf die Bahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg gegeben. Ob der Brand in einem Kabelkanal bei Karstädt in Brandenburg im Zusammenhang mit dem Atommülltransport ins niedersächsische Gorleben steht, ist unklar.
Unbekannte gossen vermutlich Benzin in einen Kabelkanal neben der Bahnstrecke zündeten es an. Bei dem Feuer wurden Kabel teilweise zerstört. Der Verkehr auf der ICE-Strecke war gestört, aber nicht eingestellt. Wegen der Reparaturarbeiten mussten die Lokführer bei niedriger Geschwindigkeit auf Sicht fahren. Bislang gibt es laut Polizei noch keine Hinweise, wer für den Anschlag verantwortlich ist.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa