Politik

Karlsruhe prüft EFSF-Gremium Auch Not kennt ein Gebot

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Udo di Fabio, Andreas Voßkuhle und Gertrude Lübbe-Wolff (v.l.).

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Udo di Fabio, Andreas Voßkuhle und Gertrude Lübbe-Wolff (v.l.).

(Foto: dpa)

Zwei SPD-Abgeordnete klagen gegen das neunköpfige Sondergremium des Bundestags, das Entscheidungen des Rettungsschirms EFSF absegnen soll. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe signalisieren Verständnis für ihre Position: Das Gericht werde zwar Sachzwänge berücksichtigen, sich bei seiner Entscheidung aber vor allem vom Verfassungsrecht leiten lassen, sagt Gerichtspräsident Voßkuhle.

Das Bundesverfassungsgericht zweifelt an der Rechtmäßigkeit des geheim tagenden Sondergremiums zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms EFSF. Es berge einige Gefahren, wenn nur neun Bundestagsabgeordnete exklusiv wichtige Informationen im Zuge der Euro-Rettung erhielten und dann eine Entscheidung treffen müssten, gab Verfassungsrichter Udo di Fabio in einer mündlichen Verhandlung zu bedenken. Gegen das Sondergremium klagen die beiden SPD-Abgeordneten Swen Schulz und Peter Danckert.

Danckert (l.) und Schulz sehen sich als Verteidiger der Rechte des Bundestags.

Danckert (l.) und Schulz sehen sich als Verteidiger der Rechte des Bundestags.

(Foto: dpa)

Dagegen verwies Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der mündlichen Verhandlung auf die sensible Situation der Finanzmärkte: "Die Entscheidungsfähigkeit des EFSF darf nicht unmöglich gemacht werden." Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bezweifelte, dass das Gericht noch vor Weihnachten sein Urteil verkünden werde.

Schulz und Danckert wehren sich dagegen, dass vertrauliche und eilige Entscheidungen über Finanzhilfen für notleidende Euro-Staaten von einem aus nur neun Bundestagsabgeordneten bestehenden Gremium beschlossen werden können. Durch den Sonderausschuss werde eklatant in seine Rechte als Abgeordneter eingegriffen, sagte Schulz. Die Kläger hatten einen Etappensieg errungen, als das Gericht den Sonderausschuss Ende Oktober vorläufig gestoppt hatte.

Voßkuhle hat Zweifel

Eine Mehrheit der Richter äußerte sich in der Verhandlung kritisch. Das Gericht werde zwar Sachzwänge berücksichtigen, sich bei seiner Entscheidung aber vor allem vom Verfassungsrecht leiten lassen, stellte Voßkuhle zu Beginn der Verhandlung klar: "Die Forderung 'Not kennt kein Gebot' hat den Menschen nur sehr kurzfristig Glück gebracht."

Die Märkte im Blick: Schäuble argumentiert mit Sachzwängen.

Die Märkte im Blick: Schäuble argumentiert mit Sachzwängen.

(Foto: dpa)

Er habe Zweifel, ob es richtig sei, die übrigen 611 Abgeordneten mit der Schaffung eines "Kleinst-Gremiums" aus der Verantwortung zu entlassen, so Voßkuhle. Wenn man dem Plenum die budgetrechtliche Verantwortung entziehe, müsse es dafür gute Gründe geben, sagte Verfassungsrichter Peter Huber. Berichterstatter di Fabio kritisierte, dass der Ausschuss mit seiner Entscheidungsbefugnis in die Nähe der Exekutive rücke.

Schäuble warnt vor zu viel Offenheit

Die Situation in der europäischen Staatsschuldenkrise sei außergewöhnlich schwierig, warnte dagegen Schäuble: "Wenn Märkte reagieren, reagieren sie überzogen. Dann kommt Panik". Der EFSF müsse handlungsfähig bleiben. Bei einem Kauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zum Beispiel dürfe vorab nicht bekannt werden, wessen Anleihen bis zu welcher Höhe gekauft würden.

Die parlamentarische Erfahrung zeige, dass mit steigender Zahl der Beteiligten Pläne immer weniger geheim gehalten werden könnten, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier. Als weitere Beispiele für besondere Vertraulichkeit nannte er die Refinanzierung von Banken durch ihre Staaten sowie vorsorgliche Kreditlinien. Die Mitglieder des Gremiums seien außerdem vom Plenum gewählt worden und damit demokratisch legitimiert. Nicht eilbedürftige oder vertrauliche Fälle könne das Gremium auch an das Plenum verweisen, das im Grundsatz zuständig bleibe.

"Welche Maßnahme ist in diesen Zeiten denn nicht eilbedürftig?", fragte demgegenüber der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele, der gegen das Gesetz gestimmt hatte. Wenn über die finanziellen Mittel der nächsten Legislaturperioden entschieden werde, müsse möglichst immer das Plenum befragt werden. Vertraulichkeit beim Anleihenkauf auf dem Sekundärmarkt könne er dagegen akzeptieren, sagte der Vertreter der beiden Kläger. Je wichtiger jedoch die Entscheidungen seien, desto eher müsse das Plenum entscheiden.

Quelle: ntv.de, rts/AFP

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