CDU wird von Vergangenheit eingeholt Auslieferung pünktlich zur Wahl
03.08.2009, 15:18 Uhr
(Foto: REUTERS)
Wehe dem, der Böses dabei denkt: Just zum Auftakt der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes dringt Justizministerin Brigitte Zypries bei den kanadischen Justizbehörden auf die Auslieferung von Karlheinz Schreiber. Und siehe da: Die SPD-Politikerin hat Erfolg - und bringt damit die Union im Wahlkampf womöglich mehr in die Bredouille als ihr Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mit seinem "Deutschland-Plan" für Vollbeschäftigung.
Denn der Airbus A330 der Air Canada mit der Flugnummer AC 846 brachte am Montag um 9.22 Uhr nicht nur den schillernden Waffenlobbyisten in die Heimat zurück. Im Bordgepäck hat der wegen Steuerhinterziehung und Bestechung von der deutschen Justiz Behelligte auch das schwärzeste Kapitel der CDU. Wie eine lästige Werbung im Internet poppt die Affäre um Schmiergelder, Waffenschiebereien und schwarze Parteikassen in den gemächlich dahin plätschernden Wahlkampf.
"Vorwurf aus der Luft gegriffen"
Schreiber, selbst jahrelang im Verborgenen erfolgreicher Strippenzieher zwischen Politik und Waffenindustrie, hat sofort die passende Erklärung parat. Ganz offensichtlich stünden hinter dem plötzlichen Druck der Ministerin Parteiinteressen. Deren Sprecher reagierte prompt: "Das ist ein Vorwurf, der völlig aus der Luft gegriffen ist." Die Ministerin habe angesichts eines Fristablaufs Ende Juli erneut auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens gedrungen. Dies sei "ein Beitrag zum Rechtsfrieden".
Zunächst aber könnte es weniger friedvoll zugehen. Schreiber ist die Schlüsselfigur in der Spendenaffäre, die vor zehn Jahren die CDU von Altkanzler Helmut Kohl erschütterte. Eine ganze Reihe von Strafverfahren sind lange abgeschlossen, viele der damals zu Recht oder zu Unrecht in Verruf geratenen Unionspolitiker spielen heute keine aktive Rolle mehr, ausgenommen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der auch für die Zeit nach der Bundestagswahl eine wichtige Rolle in den Personalüberlegungen von Kanzlerin Angela Merkel spielt.
SPD gießt schon mal etwas Öl ins Feuer
Die SPD, gebeutelt von schlechten Umfragewerten, gießt sofort Öl in das unverhofft aufflackernde Affärenfeuer. "Wir müssen da keine Sorgen haben", merkt Parteichef Franz Müntefering vor Journalisten süffisant an. "Stinken tut's nicht bei uns, sondern bei ganz anderen." Man müsse nur dafür sorgen, dass die Menschen merkten, woher der Duft wehe.
Der einstige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Spendenaffäre, der SPD-Politiker Volker Neumann, wird konkreter. "Schreiber ist einer, der immer etwas in der Rückhand hat", sagt er dem "Tagesspiegel". Vor allem auf Schäuble werde sich die Debatte zuspitzen. "Die 100.000-DM-Spende an ihn ist der brisanteste Fall", sagte Neumann.
"Keine politische Relevanz"
Bei CDU und CSU gibt man sich gelassen zur Rückkehr des einstigen engen Vertrauten und Förderers. "Das hat keine politische Relevanz", befindet CSU-Chef Horst Seehofer knapp. Die meisten Dinge gehörten der Vergangenheit an und seien längst publik, verlautet aus CDU-Kreisen. Das interessiere doch inmitten einer Wirtschaftskrise nicht.
Schreiber, dem der Staatsanwaltschaft eine blendende Gesundheit bescheinigte, ließ sich am Montag nicht in die Karten gucken. Vor einigen Jahren hatte er in einem Interview gedroht, falls er ausgeliefert werde, mache er einen Riesenzirkus. Und besonders Schäuble giftete der heute 75-Jährige an. Der CDU-Politiker hatte sich bei der Frage verstrickt, wann und von wem er denn besagte 100.000 Mark entgegengenommen habe.
Ironie der Geschichte: Die heutige CDU-Chefin Merkel hat Schreiber ungewollt ihren schnellen Aufstieg mitzuverdanken. Sie nutzte die Spendenaffäre 1999 zu einer öffentlichen Distanzierung von Kohl, der sich bis heute auf sein Ehrenwort beruft und die Urheber von illegal verbuchten Spenden nicht nennt. Als Schäuble dann wegen Schreibers 100.000-Mark-Spende abtreten musste, war plötzlich für die Ostdeutsche der Weg an die CDU-Spitze frei.
Quelle: ntv.de, Andreas Möser, rts