Schwedischer Anwalt für Assange Auslieferungsprozess gestartet
07.02.2011, 16:30 Uhr
Assange und seine Anwältin Jennifer Robinson kommen zur Anhörung.
(Foto: AP)
WikiLeaks-Gründer Assange wehrt sich vor dem Londoner Belmarsh Magstritates Court gegen seine Auslieferung von Großbritannien nach Schweden. Seine Verteidigung bietet den schwedischen Anwalt Alhem als Zeugen auf. Der Ex-Oberstaatsanwalt kritisiert das bisherige Vorgehen der schwedischen Justiz.
Für Wikileaks-Gründer Julian Assange hat die entscheidende Phase im Streit um seine Auslieferung nach Schweden begonnen. Der 39-Jahre alte Australier erschien, begleitet von seinem Anwaltsteam, im Londoner Belmarsh Magstritates Court. Assange grüßte wartetende Journalisten und Unterstützer bei seinem Eintreffen vor dem Gerichtsgebäude, gab aber keine Erklärung ab. Sein Anwalt Mark Stephens kündigte an, er werde alle Argumente der Verteidigung gegen die Auslieferung mit Beginn der Anhörung im Internet veröffentlichen. Diese würden insbesondere die Rechtfertigung für den von Schweden erlassenen europäischen Haftbefehl gegen Assange "grundlegend in Frage stellen", sagte Stephens der Zeitung "Telegraph".

Anwalt Mark Stephens will alle Argumente gegen eine Auslieferung Assanges ins Internet stellen.
(Foto: AP)
Im Auslieferungsprozess argumentiert das Anwaltsteam von Julian Assange, der EU-weite Haftbefehl, auf dessen Grundlage er im Dezember in Großbritannien festgenommen wurde, greife in diesem Fall nicht. Solche Haftbefehle seien dafür geschaffen, bei einer bereits bestehenden Anklage den Prozess zu ermöglichen. Schweden hat bisher aber keine Anklage gefertigt, sondern will zunächst Assange lediglich verhören.
Die schwedische Justiz wirft Assange Sexualdelikte vor. Der Australier soll im August 2010 in Stockholm Sex mit zwei Frauen gehabt haben. Wie aus einem am Sonntag bekanntgewordenen Polizeibericht hervorgeht, wirft eine der beiden Klägerinnen ihm vor, ohne Kondom mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, während sie geschlafen habe.
Die Vorwürfe waren von der schwedischen Polizei zwischenzeitlich fallengelassen, dann aber wieder aufgenommen worden. Assange bestreitet jede Schuld und wehrt sich weiter gegen seine Auslieferung nach Schweden.
Anwalt: Unfairer Prozess droht

Bianca Jagger, Ex-Frau von Rolling-Stone-Sänger Mick Jagger und Vorkämpferin für die Menschenrechte, ist eine der prominenten Assange-Unterstützerinnen.
(Foto: REUTERS)
Assange drohe ein unfairer Prozess, sagte sein Anwalt Geoffrey Robertson zum Auftakt der zweitägigen Anhörung. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die schwedischen Behörden seinen Mandanten in die USA überstellten, wo er wegen Veröffentlichung geheimer Regierungsdokumente zum Tode verurteilt werden könnte. Assange sieht die schwedischen Vorwürfe als Komplott.
Robertson beklagte in seiner Eröffnungserklärung, schwedische Gerichte verhandelten über Sexualdelikte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Damit würde eine Auslieferung fundamentale Rechte Assanges verletzen. "Wo die Presse aber ausgeschlossen wird, ist ein gerechtes Verfahren nicht möglich, und es besteht die Gefahr einer Rechtsverletzung", so Robertson.
USA wollen Assange haben
Die Veröffentlichung der Dokumente über die Enthüllungsplattform WikiLeaks hatte weltweit großes Aufsehen erregt und Assange den Zorn der US-Regierung eingebracht. Außenministerin Hillary Clinton hatte betont, dass die Regierung alles tun werde, um die Tat zu ahnden. Die zuständigen US-Behörden prüfen derzeit die Möglichkeiten einer Anklage gegen Assange.
Für Staatsanwältin Clare Montgomery sind solche Szenarien unbegründet. Selbst wenn die Vereinigten Staaten die Auslieferung beantragen sollten, müsste die britische Justiz erst ihr Einverständnis geben. Im Falle einer Verurteilung drohen Assange in Schweden bis zu vier Jahre Haft. Assange hatte sich im Dezember 2010 den britischen Behörden gestellt. Er wurde er auf Kaution freigelassen und steht seitdem unter Hausarrest in einem Landhaus eines Freundes.
Schwedischer Anwalt als Zeuge der Verteidigung
Der schwedische Ex-Oberstaatsanwalt Sven-Erik Alhem bestätigte der Zeitung "Expressen", dass er als "sachverständiger Zeuge" in London vor Gericht auftreten soll. Alhem hat das Vorgehen der schwedischen Justiz gegen Assange unter anderem kritisiert, weil die erste mit dem Fall befasste Staatsanwältin den Namen des Australiers umgehend an Medien weitergegeben hatte. Auch die völlig unterschiedliche Behandlung durch drei nacheinander zuständige Staatsanwältinnen hält er für unangemessen: "Wenn ich zuständig gewesen wäre, hätte es einen anderen Verlauf gegeben." Der Schwede ist vom englischen Assange-Anwalt Mark Stephens als Zeuge aufgeboten.
Der Anwalt der schwedischen Sex-Partnerinnen von Assange, Claes Borgström, sagte in der Zeitung "Svenska Dagbladet", beide Frauen wüssten von der möglicherweise langen Dauer des Auslieferungsverfahrens in London: "Sie haben sich dafür gewappnet."
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP