Darlehen später abgeschlossen BW-Bank widerspricht Wulff
30.12.2011, 19:21 Uhr
(Foto: dpa)
Am 15. Dezember erklärt Bundespräsident Wulff, seinen umstrittenen Privatkredit "inzwischen" in ein "langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben" zu haben. Doch die BW-Bank widerspricht: Der Vertrag sei erst am 21. Dezember unterschrieben worden. Verfassungsrechtler von Arnim wirft Wulff derweil einen Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz vor.
Bundespräsident Christian Wulff hat seinen umstrittenen Kredit bei der BW-Bank nach Angaben des Geldinstitutes erst kurz vor Weihnachten in ein langfristiges Darlehen umgewandelt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kreditkonditionen bei der Bank bereits in die Schlagzeilen geraten. Die Bank äußerte sich damit erstmals zu Einzelheiten des Darlehens - und bestätigte dabei auch, dass der Unternehmer Egon Geerkens den Kontakt hergestellt hatte. Dies hatte Wulff bereits am 15. Dezember mitgeteilt.
Damals hatte der Bundespräsident erklärt, er habe 2008 zunächst einen Privatkredit zu einem Zinssatz von vier Prozent bei Edith Geerkens aufgenommen, um seinen Hauskauf zu finanzieren. Im Dezember 2009 habe er dann auf Anregung von Egon Geerkens Gespräche mit der BW-Bank aufgenommen, die am 21. März 2010 zur Unterzeichnung "eines kurzfristigen und rollierenden Geldmarktdarlehens mit günstigerem Zinssatz als zuvor" geführt hätten. "Inzwischen habe ich das Geldmarktdarlehen in ein langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben", hieß es in der schriftlichen Erklärung vom 15. Dezember.
Nach Angaben der BW-Bank hatte Wulff die Papiere zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht unterzeichnet. Der Vertrag, mit dem der kurzfristig refinanzierte Geldmarktkredit in ein langfristiges Darlehen geändert wurde, sei am 12. Dezember 2011 von der Bank unterschrieben an Wulff geschickt worden, teilte das Geldinstitut in Stuttgart mit. Dieser habe den Vertrag am 21. Dezember unterschrieben, sechs Tage später - am Dienstag nach Weihnachten - sei dieser bei der BW-Bank eingegangen. Die Auszahlung erfolge am 16. Januar, es bestehe ein "üblicher Tilgungsplan", hieß es weiter. Bei der Vergabe der Darlehen seien gemäß der "internen Kompetenzordnung" weder der Aufsichtsrat noch der Vorstand der BW-Bank eingebunden gewesen.
Auch Wulffs Anwalt Gernot Lehr bestätigte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass die BW-Bank den neuen, unterschriebenen Darlehensvertrag am 12. Dezember an den Bundespräsidenten geschickt habe. Die Zinskonditionen seien jedoch bereits am 25. November - also bevor die Konditionen des ersten BW-Kredits Gegenstand der Berichterstattung wurden - von Wulff und der BW-Bank "fixiert" worden, sagte Lehr. Ein Sprecher des Geldinstituts bestätigt das auf Anfrage. Am 13. Dezember war öffentlich bekannt geworden, dass Wulff sein Haus mit Hilfe eines günstigen Privatkredits finanziert hatte.
Von Arnim sieht Gesetzesverstoß
Die BW-Bank teilte weiter mit, der Kontakt sei im Herbst 2009 zustande gekommen, als sich Wulff telefonisch auf Empfehlung von Egon Geerkens gemeldet habe. "Dem ging ein Gespräch von Herrn Geerkens mit einem Kundenberater der BW-Bank voraus", erklärte das Geldinstitut. Am 21. März 2010 sei der erste Darlehensvertrag mit Wulff abgeschlossen worden. Zu Konditionen und zur Höhe der Kreditsumme machte das Institut mit Verweis auf das Bankgeheimnis keine Angaben. "Die Aufsichtsgremien der Bank werden über die Darlehensvergabe umfassend informiert."
Aus Sicht des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim hat Wulff mit seinem Privatkredit gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen. Die Annahme des zinsgünstigen Darlehens von Edith Geerkens sei "ziemlich sicher" ein Verstoß gegen das Verbot für Regierungsmitglieder, Geschenke in Bezug auf ihr Amt anzunehmen. Zu dieser Bewertung kommt der emeritierte Professor in einem 18-seitigen Aufsatz für eine Fachzeitschrift, über den die "Welt am Sonntag" in ihrer Silvesterausgabe berichtet.
Wulff steht seit Mitte Dezember in der Kritik - er hatte im Jahr 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident von der Ehefrau des befreundeten Unternehmers Geerkens, Edith Geerkens, einen 500.000-Euro-Kredit für den Kauf eines Privathauses aufgenommen, diesen auf Nachfrage zu Geschäftsverbindungen zu Egon Geerkens im niedersächsischen Landtag 2010 aber nicht erwähnt.
Anzeigen gegen BW-Bank-Verantwortliche
Die BW-Bank gehört zur Landesbank Baden-Württemberg, die wiederum in Staatsbesitz ist. Nach "Spiegel"-Recherchen hatte die Bank Wulff einen Kredit gewährt, bei dem die Zinsen zunächst lediglich bei 0,9 bis 2,1 Prozent lagen. Damit wären die Zinsen um die Hälfte niedriger als bei der Immobilienfinanzierung anderer Kunden.
In den vergangenen Tagen hatte sich die Bank nicht offiziell zu dem Thema geäußert. Einige Aufsichtsratsmitglieder forderten Aufklärung. Inzwischen liegen zwei Anzeigen gegen Verantwortliche der Bank wegen des Verdachts der Untreue bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es auch zu Ermittlungen kommen muss.
Der Aufsichtsratschef der BW-Bank, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster von der CDU, hatte vor einigen Tagen erklärt, dass der Vorstand des Instituts wohl bei der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums kurz über das Geschäft mit dem Bundespräsidenten berichten werde. Die Sitzung ist für den 30. April 2012 geplant.
Regulärer Termin "viel zu spät"
Die BW-Bank-Aufsichtsrätin Roswitha Blind drängt allerdings auf eine baldige Sondersitzung des Gremiums. Der nächste reguläre Termin sei "viel zu spät", sagte Blind, die auch SPD-Fraktionschefin im Stuttgarter Gemeinderat ist. "Es muss aufgeklärt werden, ob seitens der Bank-Mitarbeiter Untreue vorlag und ob alles mit rechten Dingen zuging." Die Bank dürfe Kredite an Bürger nur zu den üblichen Konditionen vergeben, "unabhängig von der Person oder Funktion." Dieses Kriterium sei nicht eingehalten worden. Deshalb müsse man von einem "Schaden für die Bank" ausgehen.
Die niedersächsischen Grünen wollen derweil vorerst noch auf einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Affäre verzichten. "Im Januar-Plenum werden die vielen offenen Fragen als Anfrage an die Landesregierung gestellt", sagte der Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel der "Bild"-Zeitung. Dann werde weiter geplant. Es würden aber weiterhin alle Möglichkeiten zur Aufklärung der Affäre geprüft.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP