S-Bahn-Chaos Bahn will Berliner entschädigen
10.01.2011, 20:37 Uhr
Eine große Pfütze auf dem S-Bahnhof von Hennigsdorf. Die Stadt im Norden Berlins war tagelang vom S-Bahnnetz abgehängt.
(Foto: dapd)
Niemand habe mehr Interesse daran, die Berliner S-Bahn wieder flott zu machen, als die Bahn selbst, sagt Bahnchef Grube. Schließlich werde man bis 2017 kein Geld mit dem Tochterunternehmen verdienen. Grube stellt eine Entschädigung der Kunden in Aussicht, die jedoch erst Ende Januar beschlossen werden soll.
Wegen der andauernden starken Einschränkungen bei der Berliner S-Bahn stellt der Mutterkonzern Deutsche Bahn den Kunden eine weitere Entschädigung in Aussicht. "Wir denken über eine Lösung nach und werden uns Ende Januar 2011 konkret äußern", sagte Bahnchef Rüdiger Grube bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Früher sei das nicht möglich, weil die Entschädigung mit den Berliner Verkehrsbetrieben BVG abgestimmt werden müsse, da die Fahrkarten für beide Unternehmen gelten. Schon 2010 hatte die Bahn mit Freifahrten im Wert von gut 70 Millionen Euro Wiedergutmachung für die zahllosen Zugausfälle und Verspätungen geleistet.
Die seit anderthalb Jahren andauernden Technikprobleme der Berliner S-Bahn habe die Deutsche Bahn in 2009 und 2010 zusammen 370 Millionen Euro gekostet, sagte Grube. Bis 2014 erwartet der Konzern eine Kostenbelastung von insgesamt 700 Millionen Euro.
Das Bundesverkehrsministerium drängt die Bahn seit einigen Tagen zu Investitionen in eine neue Berliner S-Bahn-Flotte, die der Konzern selbst übernehmen soll. Sie gelten aber als wenig wahrscheinlich, solange die Bahn keine Gewissheit hat, den S-Bahn-Betrieb über 2017 hinaus fortsetzen zu können. Der derzeit gültige Verkehrsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg mit der S-Bahn ist bis 2017 befristet. Grube sprach im Ausschuss von 700 notwendigen Doppelwagen für das Netz und einem Aufwand von zwei Milliarden Euro. Die Bahn sei bereit, die Kosten für tragfähige Lösungen zu übernehmen.
"Noch keinen Euro verdient"
"Wir haben bisher eine Milliarde Euro in die S-Bahn investiert, aber noch keinen Euro damit verdient", so Grube. "Wir werden auch bis zum Auslaufen des Verkehrsvertrages mit den Ländern Berlin und Brandenburg Ende 2017 keinen Euro mit der S-Bahn verdienen." Grube versicherte daher, niemand habe mehr Interesse daran, die S-Bahn wieder flott zu machen, als die Bahn selbst.
Für die zahlreichen S-Bahn-Ausfälle im Dezember machte Grube den strengen Winter und das frühere S-Bahn-Management verantwortlich. Es habe in diesem Winter bislang fast 1200 Störungen der Antriebsmotoren gegeben, obwohl die S-Bahn "so umfangreich vorbereitet" gewesen sei wie noch nie zuvor. Im vorangegangenen Winter seien es insgesamt 276 gewesen.
Das frühere S-Bahn-Management habe schon 2000 selbst gemachte Zusagen bei der Instandhaltung der Fahrzeuge einfach ignoriert. Und 2004 habe sie andere Räder eingesetzt, ohne die Behörden zu informieren. Das Management ist inzwischen komplett ausgetauscht.
Schlechter Service, höhere Preise
Die S-Bahn und ihr Mutterkonzern stehen seit diesem Winter in noch verschärfter Kritik, da zahlreiche Verbindungen gestrichen werden mussten und deutlich zu wenig Fahrzeuge zur Verfügung standen und stehen. Zugleich wurden in Berlin die Fahrpreise angehoben.
Berlins Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer reagierte kühl: Neben der technischen Probleme an den Zügen habe die Bahn auch beim Management der Krise wie etwa der Information der Fahrgäste versagt. Enttäuschen sei auch, dass Grube sich nicht genauer zu den Entschädigungen geäußert habe. Junge-Reyer steht wegen der S-Bahn-Krise selbst in der Kritik. Grüne und FDP haben den Rücktritt der SPD-Politikerin gefordert. Beide fordern, den Vertrag zu kündigen und neu auszuschreiben
Nach seiner Anhörung im Abgeordnetenhaus nahm Grube im Bundesrat an einer Verkehrsministerkonferenz teil. Thema war auch dort das allgemeine Winterchaos beim Bahnkonzern. Mehrere Länder fordern von der schwarz-gelben Bundesregierung, auf die jährliche Zahlung von 500 Millionen Euro der Bahn an den Bund zu verzichten.
Quelle: ntv.de, dpa/rts