Griechisches Kabinett vereidigt Bankchef wird Finanzminister
21.06.2012, 18:05 Uhr
Die neuen Minister bei der Vereidigung.
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Konservative und Technokraten sitzen im neuen griechischen Kabinett. Finanzminister wird der bisherige Chef der National Bank of Greece. Der neue Premier Samaras stellt zudem die Ziele seiner Amtszeit vor: Er will einige Bedingungen der Sparmaßnahmen ändern, "ohne die europäische Ausrichtung des Landes oder seinen Verbleib im Euro zu gefährden".
Einen Tag nach seiner Vereidigung hat Griechenlands neuer Ministerpräsident Antonis Samaras sein Kabinett nominiert. Finanzminister des hochverschuldeten Landes wird der Banker Vassilis Rapanos, zum Außenminister wurde der Konservative Ex-Verteidigungsminister und ehemalige Athener Bürgermeister Dimitris Avramopoulos ernannt. Die Regierung erklärte, ihr Ziel sei eine Nachverhandlung des Abkommens mit den Gläubigern, ohne Griechenlands Platz im Euro zu gefährden.

Die Arbeit des neuen Finanzministers Vassilis Rapanos (l.) wird international beobachtet werden.
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Mit einem traditionell christlichen Zeremoniell im Präsidialgebäude wurden die Minister vereidigt. Die Zeremonie wurde vom griechisch-orthodoxen Erzbischof Hieronymos II. angeführt. "Wir werden es schaffen", sagte Samaras anschließend. Rapanos wird erst am Freitag vereidigt, da der noch amtierende Interims-Finanzminister Giorgos Zanias Griechenland bei einem Treffen mit den anderen Finanzministern der Eurogruppe in Luxemburg vertrat.
Rapanos ist bislang der Vorstandsvorsitzende der National Bank of Greece. Der 65-Jährige frühere Wirtschaftsprofessor steht den Sozialisten nahe. Sein Stellvertreter wird der 38-jährige Christos Staikouras, der bislang Wirtschaftsberater Samaras' war. Er soll auch die Verhandlungen mit den Gläubigern führen.

Die Parteichefs Antonis Samaras (ND, M.), Fotis Kouvelis (Dimar, r.) und Evangelos Venizelos (Pasok) verhandeln in Athen über den Koalitionsvertrag.
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Unter den Ministern sind auch einige bekannte Persönlichkeiten, denen die Linke vertraut, wie der Jurist Antonis Roupakiotis (Justizminister) und der Professor für Verfassungsrecht, Antonios Manitakis (Minister für Verwaltungsreform) sowie der Umweltminister Evangelos Livieratos, ein enger Mitarbeiter des Sozialistenchefs Venizelos. Das Verteidigungsministerium übernimmt der konservative Politiker Panos Panagiotopoulos. Insgesamt umfasst das Kabinett 38 Mitglieder, davon 17 Minister, 14 Staatssekretäre, sieben Vizeminister und einen Sprecher. Ihm gehören nur zwei Frauen an. Ein Dutzend Posten geht an die Konservativen.
"Gewisse Bestimmungen" des Abkommens ändern
Samaras' konservative Nea Dimokratia (ND) hatte sich nach den Wahlen vom Sonntag auf die Bildung einer Regierung mit der sozialistischen Pasok und der Demokratischen Linken (Dimar) geeinigt. Die Pasok und die Dimar stellten aber keine Minister aus ihren eigenen Reihen, weshalb das Kabinett zum großen Teil aus Technokraten besteht. Im Parlament verfügt die Koalition mit 179 Angeordneten über eine Mehrheit von 29 Sitzen. Die Amtszeit der Regierung soll, wie in der Verfassung vorgesehen, vier Jahre betragen.
Die beiden kleineren Koalitionspartner hatten beschlossen, die Koalitionsregierung aktiv im Parlament zu unterstützen, aber nicht mit Parteifunktionären daran teilzunehmen. Die Sozialisten wollen sich offensichtlich nach ihrer schweren Niederlage (2009: 44 Prozent, 17. Juni 2012: 12,28 Prozent) erholen und sich mit der Konsolidierung ihrer Partei beschäftigen, wertete die griechische Presse. Die Demokratische Linke unterstützt die Regierung, weil sie die Stabilität in dieser schwierigen Phase der griechischen Geschichte wichtiger als Parteiambitionen einstuft.
In einer ersten Erklärung nannte die Regierung als Ziel, "gewisse Bestimmungen des Kreditabkommens zu ändern, ohne die europäische Ausrichtung des Landes oder seinen Verbleib im Euro zu gefährden". Sie sicherte zu, die Politik der Haushaltskonsolidierung und der Schuldenreduzierung sowie die Umsetzung der Strukturreformen fortzusetzen. Damit sollten die Bedingungen geschaffen werden, das Land aus der Krise und der Abhängigkeit von den Gläubigern zu führen. Dass die Regierung zudem auf Wachstum setzt, zeigt sich auch darin, dass Ministerien für die wichtigen griechischen Wirtschaftsbereiche Tourismus und Handelsschifffahrt eingerichtet wurden.
"Das bisherige Programm ist nicht mehr gültig"
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte die Regierungsbildung "wärmstens". Die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) werde "in den kommenden Tagen" nach Athen zurückkehren, um sich mit der neuen Regierung auszutauschen und um mit der Prüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der mit den Gläubigern vereinbarten Reformen zu beginnen.
Aufgrund des politischen Stillstands in Athen, wo es mehrere Wochen lang keine funktionierende Regierung gab, liegt das Land weit hinter dem vereinbarten Zeitplan. Die neue Regierung in Athen fordert einem Bericht der halbamtlichen griechischen Nachrichtenagentur Ana zufolge einen Aufschub von zwei Jahren, also bis 2016. Dies könne eine Aufstockung der internationalen Notkredite um 16 bis 20 Milliarden Euro nötig machen, hieß es in dem Bericht. Zudem wolle die Regierung die Zahlung der Arbeitslosenhilfe verlängern und Entlassungen im öffentlichen Dienst begrenzen, hieß es in Kreisen der beteiligten Demokratischen Linken.
"Das bisherige Programm ist nicht mehr gültig, weil es so weit aus der Spur geraten ist", sagte auch der Eurogruppen-Koordinator Thomas Wieser vor einem Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg. Laut Wiesner sind sich die Euro-Länder einig, dass das vereinbarte Spar- und Reformprogramm angepasst werden müsse. "Wir müssen ernsthaft nachverhandeln, um es wieder in die Spur zurückzubringen", sagte Wiesner.
Mit Grundsatzbeschlüssen zu Griechenland ist in Luxemburg nicht zu rechnen. Zunächst muss die sogenannte Troika einen Kassensturz in Athen machen. Erst danach will auch die Bundesregierung über ihre Marschroute in der Griechenlandkrise entscheiden. Außenminister Guido Westerwelle sprach sich gegen Abstriche bei den Sparanstrengungen aus. "Es muss bei der Umsetzung des Reformprogramms bleiben, ohne Rabatte", sagte er den "Ruhr Nachrichten". Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht bei den Fristen Spielraum. "In der Substanz können wir den Griechen keinen Rabatt geben, aber wir werden ihnen mehr Zeit geben müssen", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
Quelle: ntv.de, AFP/dpa