Online-Durchsuchungen Bayern plant Alleingang
19.01.2008, 11:49 UhrBei den umstrittenen Online-Durchsuchungen plant Bayern einen Alleingang. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will noch in diesem Februar einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, um den Verfassungsschützern des Landes solche heimlichen Durchsuchungen von Computern Terrorverdächtiger via Internet zu ermöglichen.
Online-Durchsuchungen werden für die Bundesebene auch von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefordert. Der Koalitionspartner SPD und die Opposition lehnen dies ab. Das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorliegt, sieht bereits Online-Durchsuchungen vor. Karlsruhe wird voraussichtlich im Frühjahr darüber urteilen.
"Wir warten nicht mehr", sagte Herrmann dem "Focus". "Unabhängig von etwaigen Entscheidungen in Berlin" werde er die bayerischen Behörden in die Lage versetzen, einen genauen Blick auf gefährliche Festplatten zu werfen. Man dürfe nicht länger warten, "weil die Gefahr terroristischer Anschlagsplanungen im Internet leider nicht virtuell, sondern sehr real ist". Etwaige Vorgaben aus Karlsruhe könne man während der parlamentarischen Beratungen im Landtag in die Gesetzgebung einfließen lassen.
"Respektlosigkeit gegenüber Karlsruhe"
Der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, kritisierte dies dennoch als "grobe Respektlosigkeit gegenüber dem Bundesverfassungsgericht". Die Online-Durchsuchung sei ein so massiver Eingriff in die Grundrechte, "dass Hau-Ruck-Aktionen und übertriebener Ehrgeiz hier völlig fehl am Platz sind", kritisierte er am Samstag in Berlin in einer Mitteilung.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Petra Pau, erklärte in Berlin: "Auch der Freistaat Bayern ist nicht frei von den Geboten des Grundgesetzes."
Verfassungsschützer fordern mehr Befugnisse
Unterdessen fordern Verfassungsschützer von Bund und Ländern laut "Focus" in einem Bericht zur Optimierung ihrer Arbeit weitreichende Befugnisse bei der Terrorabwehr. Darunter sind Online-Durchsuchungen und Möglichkeiten zur Überwachung großer Internet-Server.
Weiter heißt es den Angaben zufolge in dem Papier: "Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für das verdeckte Betreten von privaten Räumlichkeiten/Wohnungen" sei für die "Gewinnung nachrichtendienstlicher relevanter Erkenntnisse wünschenswert". Bislang ist den Nachrichtendiensten das Betreten von Wohnungen untersagt. Zudem sollen die relativ hohen Hürden für Verfassungsschützer für den großen Lausch- und Spähangriff gesenkt werden. Wanzen und Kameras dürfen derzeit nur dann bei Terrorverdächtigen installiert werden, wenn akute Gefahr droht und die Polizei nicht rechtzeitig helfen kann.
Quelle: ntv.de