Bruderkrieg und Klassenkampf Bayerns Linke heillos zerstritten
16.08.2010, 17:28 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Der interne Kampf in der Linken wird immer brutaler: Der Gewerkschaftsflügel um den Bundesvorsitzenden Ernst und radikale Linke bekriegen sich gegenseitig. Ein Ende ist nicht in Sicht.
In Sachen Streitkultur macht keiner der Linken etwas vor: Der bayerische Heimatverband des Bundesvorsitzenden Klaus Ernst ist in erbitterten Richtungskämpfen heillos zerstritten. In Bayern zeigt sich, woran die Partei insgesamt im Westen krankt. Es ist zusammengewachsen, was eigentlich nie zusammen gehörte. Gewerkschafter und ehemalige Sozialdemokraten auf der einen Seite, Revolutionsromantiker und Altkommunisten auf der anderen.
Die Person Ernst ist Dreh- und Angelpunkt der Bruderkämpfe, doch in der Sache geht es um viel mehr. Soll die Linke eine demokratische Partei sein oder eine linksradikale Bewegung, die für die Abschaffung des Kapitalismus kämpft? Für die Radikalen war Ernst schon eine Hassfigur, bevor die Höhe seines Gehalts und Untreuevorwürfe für Negativschlagzeilen sorgten.

Ernst gehört dem Gewerkschaftsflügel der Linken an.
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Unmittelbarer Auslöser des jüngsten Konflikts ist die Klage des bayerischen Ernst-Feindes und Landesschatzmeisters Ulrich Voß über angebliche Manipulationen in der Mitgliederstatistik, die den Ernst-Truppen genützt hätten. Die Ernst-treuen Kreisverbände in München, Nürnberg und anderswo sollen zu viele Mitglieder angegeben haben, weil sie nichtzahlende Karteileichen nicht abmeldeten.
Da sich die Delegiertenzahl auf Parteitagen nach der Mitgliederzahl berechnet, hätten diese Verbände auch mehr Delegierte gestellt als ihnen zustand. Die Berliner Zentrale wies das am Montag scharf zurück: "Die Delegierten, Funktionsträger und Kandidaten werden nach klaren Regeln der innerparteilichen Demokratie aufgestellt und gewählt. An der Rechtmäßigkeit der Aufstellungsversammlung und des Parteitages der bayerischen Linken im Jahr 2009 gab und gibt es keinen Zweifel."
Nun will der Bundesvorstand für Ordnung im Landesverband sorgen: Er beauftragte Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus damit, den Streit über angebliche Manipulationen beizulegen. Ziel sei es, in dem Landesverband "zu solchen Verhältnissen zu kommen, wie sie einer Partei wie der Linken würdig sind", sagte Parteichefin Gesine Lötzsch.
Jeder gegen jeden in Bayern
"Ich verstehe das auch nicht", klagt Xaver Merk, seit kurzem kommissarischer Landesvorsitzender im Freistaat und zu den Gemäßigten gerechnet. "Wer gegen wen und was und weshalb kämpft, entzieht sich auch meiner Kenntnis." Merk ist faktisch bereits der dritte Mann an der Spitze der bayerischen linken in diesem Jahr. Zuerst wurde der Linke Franc Zega von Ernsts Truppen auf einem außerordentlichen Parteitag im April gestürzt.
Es folgte der gemäßigte Michael Wendl, der aber nach wenigen Wochen das Handtuch warf, weil er von den Linken angefeindet wurde. Zu Schatzmeister Voß habe er seit Wochen keinen Kontakt mehr, sagt Merk. "Er ist für uns nicht mehr zu erreichen."
Mehrere Widersacher für Ernst
Ernst und seinem Gewerkschaftsflügel stehen mehrere Gruppierungen gegenüber. Linksaußen befindet sich die "Antikapitalistische Linke". Etwas weniger radikal, aber immer noch links von Ernst steht die "Sozialistische Linke". Manche Mitglieder hatten ihre politische Heimat früher in der DKP, die der DRR treu ergeben war und von Ost-Berlin finanziert wurde. Andere waren einst in sektiererischen K-Gruppen aktiv.
Öffentlich ausgetragen werden die Auseinandersetzungen in der Online-Zeitung 'scharf links', die vor allem den radikalen Mitgliedern als Forum dient. Die Antikapitalistische Linke führe die Auseinandersetzung mit Methoden, "vor denen, grob bayerisch gesprochen, einer Sau graust", klagte dort kürzlich der zurückgetretene Landesvorsitzende Michael Wendl. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass Teile der Partei den Kapitalismus zwar heftig attackieren und gleichzeitig vergessen, dass wir im Kapitalismus leben."
In der Tat: "Die wichtigste Aufgabe einer linken Partei ist die Überwindung des Kapitalismus", schreibt dort etwa der Dachauer Kreisvorsitzende Axel Mende. "Ein Gedanke an eine Zähmung oder Veränderung korrumpiert bereits und muss deshalb als Tabu gelten."
Quelle: ntv.de, Carsten Hoefer, dpa