Politik

Ostukraine zwischen den Fronten Befiehlt Putin den Einmarsch?

Ukrainische Regierungstruppen sprechen von Landgewinnen und einem baldigen Sieg.

Ukrainische Regierungstruppen sprechen von Landgewinnen und einem baldigen Sieg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zum ersten Mal können größere Ermittler-Teams an der Absturzstelle von MH17 weitgehend ungehindert arbeiten. Die Kämpfe im Konfliktgebiet der Ostukraine gehen zugleich weiter. Greift Russland militärisch offiziell in die Auseinandersetzung zwischen Kiews Truppen und den prorussischen Separatisten ein?

Wie lange dauern die Ermittlungen an der Absturzstelle von MH17 noch an?

Die Experten stellen sich auf mehrere Tage ein. Noch immer fehlen zahlreiche Leichen der insgesamt 298 Opfer des Flugzeugabsturzes am 17. Juli. Der Großteil ist aber geborgen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teilt mit, dass die vereinbarte Waffenruhe halte. Erstmals überhaupt könnten nun größere Teams - vor allem bestehend aus Niederländern und Australiern - dort arbeiten. Damit dürften auch die Ermittlungen zur Absturzursache vorangehen.

Wie ist der aktuelle Stand?

Bisher gibt es keine offiziellen Untersuchungsergebnisse. Eine internationale Untersuchungskommission wertet mit der ukrainischen Flugüberwachung die Stimmenrekorder und Gespräche der Piloten aus und begutachtet die Wrackteile. An den Trümmern soll es Spuren geben, die auf einen Raketenbeschuss hinweisen. Zudem sprechen die USA und Russland von Satellitenaufnahmen, die bei der Klärung der Schuldfrage helfen sollen.

Wie steht es um die Schuldfrage? Sind nicht viele Beweise nach mehr als zwei Wochen jetzt zerstört?

Die Ukraine und die Separatisten haben sich immer wieder gegenseitig vorgeworfen, Beweise an der Absturzstelle vernichtet zu haben. Trotzdem richten sich die Hoffnungen auf eine Untersuchung der Wrackteile oder sogar möglicher Raketenreste, um die Schuldfrage zu klären. Die Ukraine beruft sich auf Geheimdienstinformationen, wonach Separatisten die Maschine mit einer Rakete abgeschossen hätten. Russland dagegen sieht die Schuld bei der Ukraine, weil der Luftraum über dem Kriegsgebiet nicht gesperrt war.

Wie ist die Lage im Konfliktgebiet?

Abseits der Bergungsarbeiten gehen die Kämpfe in den Regionen Lugansk und Donezk weiter. Es gibt immer mehr Tote und große Zerstörungen. Regierungstruppen berichten von zunehmenden Landgewinnen und einem baldigen Sieg. Die Separatisten dagegen sehen sich angesichts immer größerer Waffen des Militärs in der Defensive. Behörden sprechen von einer humanitären Katastrophe, weil vielerorts Wasser, Nahrungsmittel und Strom fehlen. Zehntausende Einwohner sind auf der Flucht. Die Separatisten fordern von Russland militärisches Eingreifen.

Wird Kremlchef Putin Streitkräfte einsetzen?

"Krieg bis zum Sieg", heißt es auf Transparenten bei einer Kundgebung in Moskau, an der unter anderem die russisch-orthodoxe Kirche teilnimmt.

"Krieg bis zum Sieg", heißt es auf Transparenten bei einer Kundgebung in Moskau, an der unter anderem die russisch-orthodoxe Kirche teilnimmt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Russland hatte zuletzt nicht mehr mit einem direkten Eingreifen gedroht. In Moskau demonstrierten am Wochenende aber Hunderte Menschen für einen Einmarsch. Vor allem Ultranationalisten und Geistliche, die eine Machtstütze für Putin sind, plädieren offen für einen "Krieg zur Rettung der russischen Welt samt ihrer Sprache und Kultur". Auch die in der Ukraine verwurzelte russisch-orthodoxe Kirche fürchtet dort um ihren Einfluss. Deshalb kämpfen bisher vor allem viele Russen freiwillig in der Ostukraine.

Was würde ein Einmarsch bedeuten?

Im Kreml gibt es dem Vernehmen nach Machtkämpfe zwischen Befürwortern und Gegnern eines solchen Schritts. Die Falken warnen demnach vor einem Sieg des ukrainischen Militärs. Aus ihrer Sicht würde dies auch eine Niederlage Russlands im geopolitischen Machtpoker mit dem Westen - allen voran mit den USA - um Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik bedeuten. Liberale Kräfte hingegen befürchten noch schärfere Wirtschaftssanktionen und eine Isolation Russlands.

Lässt sich Putin von den Sanktionen beeindrucken?

Die Russen räumen wirtschaftliche Schäden ein. Aber hier geht es aus ihrer Sicht um Opfer für die russische Geschichte. Putin werde sich nicht den Sanktionen beugen, meint der Moskauer Politologe Dmitri Trenin. "Er weiß auch, dass sich der Druck nur verstärken wird, wenn er nachgibt", sagt er.

Können die USA, die EU und Russland im Streit um die Ukraine nicht gemeinsam eine Lösung aushandeln?

Viele Experten erwarten, dass dies der einzige Ausweg ist. Kremlchef Putin und US-Präsident Obama stellten nach Moskauer Angaben bei einem Telefonat fest, dass der Konflikt in der Ukraine den Interessen beider Staaten zunehmend schade. Für beide Seiten geht es aber auch darum, eine gesichtswahrende Lösung zu finden. Eine Niederlage im Ukraine-Konflikt könne Putin schwer innenpolitisch beschädigen und Russland ins Chaos stürzen, warnt der Politologe Dmitri Trenin vom Carnegie Center in Moskau.

Was bedeutet das für die prowestliche Führung in der Ukraine?

Die Ex-Sowjetrepublik ist praktisch zwischen den Fronten. Russland will vor allem eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine sowie US-Militärbasen in seinem Vorhof verhindern. Kiews neue "Koalition aus Ultranationalisten und prowestlichen Politikern" sei deshalb für Moskau die schlimmste vorstellbare Konstellation, sagt Trenin. Er erwartet nicht, dass Putin die Ukraine einfach aufgibt. Vorwand für einen Einmarsch könnte zum Beispiel der von Russland seit Wochen beklagte Beschuss seines Staatsgebietes von ukrainischer Seite aus sein.

Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa

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