Politik

Volk ohne Regierung Belgier wollen Luxemburger Pass

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(Foto: picture alliance / dpa)

Belgien stellt bereits den Weltrekord auf: Kein Land war bislang länger ohne eine Regierung. Die Politik ist gelähmt, das Land scheinbar auch. Viele seiner Bürger nicht. Die Belgier finden für sich eine Lösung und beantragen für alle Fälle schon mal den luxemburgischen Pass.

Was tun, wenn das eigene Land durch eine Politkrise gelähmt ist und irgendwann vielleicht gar auseinanderbricht? Viele Belgier haben eine Antwort gefunden: Angesichts der seit Monaten andauernden Blockade bei der Regierungsbildung wenden sie sich dem kleinen Nachbarn Luxemburg zu, um bei einem Untergang des Königreiches mit einem Pass des Großherzogtums gerüstet zu sein.

"Wenn Belgien aufhört zu bestehen, was wird aus uns werden?", fragt Pascal Beyaert, ein 48 Jahre alter Belgier aus Arlon, das nahe der Grenze zu Luxemburg in der Wallonie liegt. "Werden wir in einer unabhängigen Wallonie leben, werden wir an Frankreich angegliedert?" Für die Südbelgier gebe es doch eine Lösung, findet Beyaert: "Sich an ein Land anschließen, wo es sich gut leben lässt" und das eine "richtige Regierung" hat. Kurz: "Ein kleines Eldorado nebenan."

Lockere luxemburgische Behörden

Beyaert hat sich die neue Nationalität Ende 2010 besorgt und dabei von einer Lockerung der Ansprüche der luxemburgischen Behörden profitiert. Es genügte der Nachweis, dass sein Ur-Ur-Ur-Großvater am 1. Januar 1900 Luxemburger war; den belgischen Pass darf Beyaert auch behalten.

Die Regelung trat 2009 in Kraft, wurde aber erst nach einem Zeitungsartikel vor wenigen Monaten populär, der mitten in Belgiens Krise offenbar einen Nerv traf. Seitdem werden Ämter entlang der Grenze mit Anträgen überschwemmt - Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden können zum Nachweis dienen, dass die Vorfahren Luxemburger waren. "Wir erhalten rund 15 Anfragen pro Tag", sagt eine Amtsmitarbeiterin in Arlon. Nicht jedem Antrag hier entspricht aber gleich ein Einbürgerungsantrag jenseits der Grenze.

Belgien geht nicht unter

"Manche malen sich aus, dass ihre Kinder eine größere Chance haben werden, eine Stelle im Luxemburger öffentlichen Dienst anzustreben", mutmaßt der Arloner Beigeordnete des Bürgermeisters, Georges Medinger, über die Motive. Und angesichts der politischen Lage dächten manche wohl auch, "dass die luxemburgische Nationalität ein Plus wäre, um sich von Luxemburg aufnehmen zu lassen". Wie die meisten Beobachter rechnet Medinger aber nicht damit, dass Belgien wirklich in absehbarer Zukunft untergeht.

Immerhin steckt das Land seit April 2010 in der Krise, als die Koalition unter Yves Leterme am Streit zwischen Flamen und Frankophonen zerbrach. Nach den Neuwahlen vom Juni scheiterten alle Verhandlungen über eine neue Regierung und die damit zusammenhängende Staatsreform. Da die wichtigste flämische Partei letztlich die Unabhängigkeit für Flandern will, wird immer wieder ein Auseinanderbrechen des Königreiches an die Wand gemalt.

Luxemburg entspannt

Der kleine Nachbar zerbricht sich über solche Szenarien und die Neubürger aber nicht den Kopf. "Luxemburg wird nicht belgisch werden und Belgien wird nicht ausbluten", glaubt Justizminister François Biltgen. Angesichts der vielen Pendler und der kulturellen Nähe finde er es ohnehin "absolut normal, dass diese Leute ihre luxemburgischen Wurzeln suchen".

Quelle: ntv.de, Philippe Siuberski, AFP

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