Politik

Oberst Klein verteidigt Luftangriff Bericht: 30 Zivilisten getötet

Bei dem Angriff sollen 30 Zivilisten ums Leben gekommen sein.

Bei dem Angriff sollen 30 Zivilisten ums Leben gekommen sein.

(Foto: dpa)

Nach einem Bericht afghanischer Behörden wurden bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff in Kundus 30 Zivilisten getötet. Verantwortlich seien jedoch die Taliban, heißt es. Unterdessen verteidigt Oberst Klein seine Entscheidung für das Bombardement. Außenminister Steinmeier stellt derweil Bedingungen für einen Abzug auf.

Bei dem von der Bundeswehr angeordneten Bomardement im nordafghanischen Kundus sind nach Angaben der von Präsident Hamid Karsai eingesetzten Untersuchungskommission 30 Zivilisten getötet worden. Neun weitere Zivilisten seien verletzt worden, sagte Kommissionsmitglied Mohammadullah Baktasch der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kabul. In einer vergleichbaren Lage hätten "nicht nur die deutschen Truppen, sondern alle Regierungs- und internationalen Truppen so gehandelt", betonte das Kommissionsmitglied.

"Wenn diese Tanklastzüge in den Händen des Feindes geblieben wären, hätten er sie für terroristische Absichten genutzt." Das Benzin hätte gegen afghanische und internationale Truppen eingesetzt werden können. Die Taliban hätten nicht nur die Tanklastzüge in ihre Gewalt gebracht, sondern auch Unschuldige in dieses "Verbrechen" verwickelt. Die Gegend, in der es zu dem Luftangriff gekommen sei, sei kein Wohngebiet gewesen. Die nächsten Häuser seien mindestens drei Kilometer entfernt gewesen. Aus der Luft sei nicht festzustellen gewesen, ob Zivilisten an den Tanklastzügen gewesen seien. Nachdem die meisten Opfer unter den Taliban seien, "war es für den Terrorismus und Al Kaida in Kundus ein schwerer Schlag".

Bei dem Luftangriff seien zudem 69 Taliban-Kämpfer getötet und elf weitere verwundet worden. Baktasch betonte: "Definitiv sind die Verantwortlichen die Taliban." Die Kommission übergab ihren Bericht an Karsais Büro. Bei dem Angriff auf zwei von aufständischen Taliban entführten Tanklaster im nordafghanischen Kundus waren mehr als 50 Menschen getötet worden. Die Bundeswehr kündigte an, die Untersuchungen der NATO durch ein eigenes Untersuchungsteam zu "begleiten".

Mehrfach schwierige Entscheidungen

Oberst Klein (l), Kommandeur des deutschen Feldlagers in Kundus, mit dem Oberkommandierenden der NATO-Truppen in Afghanistan, dem US-General Stanley McChrystal.

Oberst Klein (l), Kommandeur des deutschen Feldlagers in Kundus, mit dem Oberkommandierenden der NATO-Truppen in Afghanistan, dem US-General Stanley McChrystal.

(Foto: AP)

Unterdessen hat Bundeswehr-Oberst Georg Klein seine Entscheidung für das Bombardement verteidigt. "In den mehr als fünf Monaten habe ich eine große Verantwortung getragen, die mir mehrfach schwierige Entscheidungen abgefordert hat", sagte Klein der "Bild am Sonntag". "Ich habe mir jede einzelne dieser Entscheidungen - auch bei angeforderten Luftunterstützungen - niemals leichtgemacht, um diese auch im Nachhinein vor meinen Soldatinnen und Soldaten, den afghanischen Menschen und meinem Gewissen verantworten zu können." Es ist das erste Mal seit dem Luftangriff, dass sich Klein öffentlich äußert.

Klein, der den Luftschlag auf zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge am Freitag vergangener Woche angeordnet hatte, zeigte Verständnis für die Untersuchungen des Vorfalls. "Ich halte es für unbedingt notwendig und richtig, dass solche Untersuchungen durchgeführt werden, wenn Menschen ums Leben gekommen sind", sagte der Oberst, der das zivil-militärische Wiederaufbauteam der Internationalen Schutztruppe ISAF in Kundus befehligt. "Jeder gefallene ISAF-Soldat und jeder getötete Zivilist ist einer zu viel."

Unterstützung vom Distrikt-Gouverneur

Unterstützung erhielt Klein von Abdul Wahid Omarkhel, dem Distrikt-Chef der Region Chardara, wo das Bombardement stattfand. "Der Luftangriff war eine erfolgreiche Operation, weil Aufständische getötet wurden, die eine Gefahr darstellten. Die internationale Empörung darüber ist vollkommen unverständlich", sagte Omarkhel der "BamS". Dass es in Deutschland Forderungen nach einem Abzug der Truppen gebe, mache ihm Sorgen, sagte Omarkhel. "Die Region Kundus braucht den Einsatz der Deutschen, auch für die wichtige Aufbauarbeit."

Oberst Klein soll noch im September nach Deutschland zurückkehren.

Oberst Klein soll noch im September nach Deutschland zurückkehren.

(Foto: AP)

An der Bombardierung der Tanklaster, die in einem Flussbett feststecken, hatte es international heftige Kritik gegeben. In einem Medienbericht hieß es, Oberst Klein habe bei dem Einsatz in der Nacht auf den 4. September seine Kompetenzen überschritten und die Lage falsch eingeschätzt. Die von den Taliban entführten Tanker hätten nach Einschätzung der Bundeswehr als rollende Bomben eingesetzt werden können. Als entlastend für die Bundeswehr wurde dargestellt, dass die Fahrzeuge in einem Fluss und nicht in einem Dorf bombardiert wurden.

Steinmeier mit Abzugs-Plan

Außenminister Frank-Walter Steinmeier will unterdessen in der nächsten Legislaturperiode die Grundlagen für das Ende des deutschen Engagements in Afghanistan schaffen. In einem Zehn-Punkte-Plan definiert der SPD-Kanzlerkandidat erstmals Bedingungen für den Abzug und setzt eine Frist bis 2013 für deren Erfüllung.

Außenminister Steinmeier 2006 in Kundus.

Außenminister Steinmeier 2006 in Kundus.

(Foto: dpa)

"In der nächsten Legislaturperiode gilt es, die Grundlagen für den Abzug aus Afghanistan zu schaffen. Dazu müssen wir jetzt die Weichen richtig stellen", heißt es in einem zweiseitigen Papier des Außenministeriums mit dem Titel "Zehn Schritte für Afghanistan", wie der "Spiegel" berichtete. Das Papier habe Steinmeier gebilligt. Der Plan verlange für die künftige Aufbauhilfe "konkrete, verbindliche Ziele und zugleich wirksame Vorkehrungen, um ihre Umsetzung zu überwachen". Bei der Afghanistan-Konferenz, die nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch dieses Jahr stattfinden soll, dürfe man sich "nicht mit vagen Zielmarken begnügen".

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte die Pläne, der Außenminister selbst der Zeitschrift "Super Illu". Es sei allerdings "sicher nicht ratsam, den terroristischen Kräften aufs Jahr genau anzukündigen, wann kein internationaler Soldat mehr in Afghanistan sein wird", so Steinmeier. Die Bundeswehr sei in dem Land, um Terroranschläge ach in Deutschland zu verhindern: "Aber wir wollen nicht auf ewig bleiben." Die afghanische Regierung müsse darum künftig stärker in die Pflicht genommen werden, sagte er.

"Angemessen ausgebildete Polizei" aufstellen

Bis 2011 soll dem Papier zufolge in allen 122 Distrikten des von Deutschland kontrollierten Nordens "eine angemessen ausgebildete Polizei" existieren. Im Unruheherd Kundus sollen sofort 1500 zusätzliche Polizisten ausgebildet werden. Die Zahl der deutschen Ausbilder für die Armee, derzeit 200, soll "erheblich gesteigert" werden. Auch die erste Stufe eines möglichen Abzugs wird laut "Spiegel" in dem Papier genannt. Der Standort Feisabad, wo derzeit knapp 500 Bundeswehrsoldaten Dienst tun, soll bis 2011 faktisch aufgelöst und in ein "Ausbildungszentrum für Sicherheitskräfte und Zivilverwaltung umgewandelt werden".

In der heiklen Frage des Umgangs mit den Taliban plädiert Steinmeier für mehr Engagement. Deutschland müsse "Mitläufern der Taliban eine Rückkehr in die afghanische Gesellschaft ermöglichen" und dazu einen internationalen "Reintegrationsfonds nach Kräften unterstützen und finanziell fördern".

Jung: Einsatz dauert noch mindestens fünf Jahre

Nach Einschätzung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wird der internationale Militäreinsatz in Afghanistan noch mindestens fünf Jahre dauern. Jung lehnte es aber ab, einen festen Zeitpunkt für einen Abzug der Bundeswehr zu nennen. "Wir müssen uns ein klares Ziel setzen, das wir in einer vernünftigen Zeit erreichen können", sagte er in Rüsselsheim. "Wir brauchen ausgebildete Soldaten und ausgebildete Polizisten, die dafür sorgen können, dass Afghanistan nicht wieder in die Hände der Taliban gerät oder Ausbildungszentrum für den internationalen Terrorismus wird."

Als Ziel werde immer die Ausbildung von 134.000 afghanischen Soldaten und ebenso vielen Polizisten genannt. Dies sollte international auf einer Afghanistan-Konferenz festgeschrieben werden, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeschlagen habe, sagte Jung. Derzeit seien 90.000 Soldaten ausgebildet. "Ich hoffe, dass wir in den kommenden fünf Jahren einen entscheidenden Schritt vorankommen werden, um dieses Ziel erreichen zu können."

Jung nahm zudem Oberst Klein in Schutz. Der Offizier habe nach Beurteilung der Lage "zum Schutz unserer Soldaten" entschieden. Trotz des Vorfalls mit vielen Toten habe die Bundeswehr das Vertrauen der Afghanen nicht verloren. "Tatsache ist, dass wir die Unterstützung von 90 Prozent der Bevölkerung haben."

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts/AFP

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