Politik

Deutsche Extremisten in Pakistan Berlin hat "keine Erkenntnisse"

Mit  Propaganda-Videos hatten sich Al-Kaida und die afghanischen Taliban 2009 vor der Bundestagswahl im Internet zu Wort gemeldet.

Mit Propaganda-Videos hatten sich Al-Kaida und die afghanischen Taliban 2009 vor der Bundestagswahl im Internet zu Wort gemeldet.

(Foto: dpa)

Über die Identität der in Pakistan getöteten deutschen Islamisten wird weiter spekuliert. Die Informationen fließen spärlich; wie üblich gibt es nur Hinweise aus Geheimdienstkreisen und keine offiziellen Bestätigungen. Eines aber scheint sicher: Der Besitzer des zerstörten Gehöfts hatte Verbindungen zu einem Hamburger Islamisten.

Die Zahl der Toten nach einem US-Drohnenangriff auf eine Gruppe deutscher Islamisten im Nordwesten Pakistans ist offenbar auf insgesamt zehn gestiegen. Wie aus Geheimdienstkreisen in der Region verlautete, erlagen zwei Männer aus Turkmenistan ihren Verletzungen. Zunächst war von acht getöteten Deutschen und drei verletzten Turkmenen berichtet worden. Sie sollen der terroristischen Islamischen Dschihad-Union (IJU) angehört haben. Offizielle Bestätigungen gibt es weiterhin nicht.

Die Stammesgebiete in Waziristan gelten als Hochburg der Taliban und als Rückzugsgebiet für Al-Kaida.

Die Stammesgebiete in Waziristan gelten als Hochburg der Taliban und als Rückzugsgebiet für Al-Kaida.

(Foto: dpa)

Ein unbemanntes Flugzeug hatte am Montagabend nach pakistanischen Geheimdienstangaben zwei Raketen auf ein Gehöft im Stammesgebiet Nord-Waziristan gefeuert, in dem sich die Islamisten versammelt hatten. Unter den acht getöteten deutschen Staatsangehörigen seien drei türkischstämmige Männer sowie fünf gebürtige Deutsche, sagte ein Mitarbeiter des Geheimdienstes, der anonym bleiben wollte. Drei Tote seien in unmittelbarer Nähe des Angriffsortes in Mir Ali von radikal-islamischen Aufständischen beigesetzt worden. Die anderen Leichen seien in den benachbarten Distrikt Bannu gebracht worden, wo sie bestattet werden sollen.

Berlin prüft Berichte

Das Auswärtige Amt in Berlin geht den Hinweisen aus Pakistan nach. "Es gibt bisher keine Erkenntnisse, es wird daran gearbeitet", hieß es dort. Ein ranghoher pakistanischer Behördenvertreter sowie mehrere Bewohner der Region sagten, die deutschen Männer hätten seit etwa einem oder eineinhalb Jahren in dem Gebiet gelebt, um die paschtunische Sprache zu lernen.

Spur nach Hamburg

Nach pakistanischen Geheimdienstangaben könnten unter den Toten Mitglieder einer Hamburger Islamisten-Zelle sein, die im Frühjahr 2009 in die Region gereist war und Anschläge in Europa geplant haben soll. Gleichwohl ist es fast unmöglich, ein genaues Lagebild aus den Extremisten-Hochburgen zu bekommen.

Zumindest eine Verbindung nach Deutschland scheint aber nach dem Drohnenangriff von Mir Ali gesichert. Der Besitzer des zerstörten Gehöfts, ein Taliban namens Sher Maula Khan, war im Juni gemeinsam mit dem Hamburger Islamisten Rami M. von pakistanischen Polizisten in der Region festgenommen worden. Während M. bereits im August in seine Heimat abgeschoben wurde, sitzt Khan weiter im Gefängnis.

Liste mit Attentatszielen

Der US-Fernsehsender "Fox News" berichtete unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Geheimdienstkreise, die Getöteten seien im Besitz einer Liste mit Bauten in Deutschland und Frankreich gewesen, darunter das Brandenburger Tor, der Hauptbahnhof und der Fernsehturm am Alexanderplatz in Berlin sowie der Eiffelturm und die Note-Dame-Kathedrale in Paris.

IJU sammelt Extremisten für den "Heiligen Krieg"

Auch die Erkenntnisse über Aktivitäten und Zusammensetzung der IJU stammen vor allem aus pakistanischen Sicherheitskreisen. Demnach wurde die Gruppe im Jahr 2002 in den Stammesgebieten als Ableger der extremistischen Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU) gegründet, um Muslime in Zentralasien und Europa für den Heiligen Krieg zu gewinnen. 500 Kämpfer sollen inzwischen für die IJU im Einsatz sein, darunter mehr als 60 türkischstämmige sowie zum Islam konvertierte Deutsche. Ihr Hauptquartier hat die IJU in der Region Mir Ali, wo es neben Unterkünften auch Trainingslager für die jungen Rekruten aus Europa geben soll.

In den vergangenen Jahren soll die IJU für zahlreiche Anschläge im benachbarten Afghanistan und in anderen Ländern verantwortlich gewesen sein. So war Anfang 2008 ein Video aufgetaucht, in dem der aus Bayern stammenden türkischstämmige Islamist Cüneyt C. ankündigt, bei einem Selbstmordanschlag sein Leben "für die Ehre des Islam" zu opfern. Dem Attentat in der afghanischen Provinz Chost fielen vier Menschen zum Opfer. Wenige Monate später drohte der Konvertit Eric Breininger im Namen der IJU mit Anschlägen in der Bundesrepublik.

Pakistan ist bislang kaum gegen die IJU vorgegangen, da das Militär vor allem Extremisten bekämpft, die Anschläge im Inland verüben. Angriffe von US-Drohnen haben den europäischen Islamisten jedoch immer wieder zugesetzt. Auch Breiniger soll im Mai dieses Jahres bei einem solchen Angriff getötet worden sein.

Drohnen gegen Extremisten

Der US-Geheimdienst CIA fliegt derzeit mehr Drohnenangriffe gegen mutmaßliche Aufständische im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan als je zuvor.

Der US-Geheimdienst CIA fliegt derzeit mehr Drohnenangriffe gegen mutmaßliche Aufständische im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan als je zuvor.

(Foto: dpa)

Die US-Armee setzt immer wieder unbemannte Drohnen für Luftangriffe im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan ein. Erst am Samstag waren bei zwei Angriffen durch US-Drohnen in Nord-Waziristan im Nordwesten Pakistans 15 mutmaßliche Aufständische getötet worden. Die dortigen Stammesgebiete, allen voran Nord-Waziristan, gelten als Hochburg der Taliban und als Rückzugsgebiet für das Terrornetzwerk Al-Kaida. Die zunehmenden Drohnenangriffe zielten einem Bericht des "Wall Street Journal" darauf ab, mutmaßlich geplante Terroranschläge auf europäische Ziele zu verhindern.

Gefahr vorhanden - aber nicht konkret

In den vergangenen Tagen hatte es mehrfach Berichte gegeben, wonach die Gefahr für Anschläge in europäischen Ländern, darunter Deutschland, zugenommen habe. In der vergangenen Woche bestätigte das Bundesinnenministerium Medienberichte, nach denen Al-Kaida "längerfristig" Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland plane. Gegenwärtig ergäben sich daraus aber keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Deutschland.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte vor Panikmache: "Für Alarmismus besteht jedenfalls zur Zeit kein Anlass." De Maizière reagierte damit auf Reisehinweise der USA, Großbritanniens und nun auch Japans und Australiens, die vor möglichen Terroranschlägen in Deutschland warnen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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