Politik

Afghanistan-Abzug beginnt Berlin holt 1000 Soldaten heim

Nach zehn Jahren Kampf in Afghanistan ist der Blick nur noch auf den Rückweg gerichtet.

Nach zehn Jahren Kampf in Afghanistan ist der Blick nur noch auf den Rückweg gerichtet.

(Foto: REUTERS)

Wende beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr: Seit 2001 ist die deutsche Truppe am Hindukusch immer weiter aufgestockt worden - jetzt geht die Zahl der Soldaten erstmals zurück. Anfang 2012 werden 450 Soldaten abgezogen, 2013 folgt der nächste Schritt mit weiteren 500 Mann, bis 2014 sollen alle Kampftruppen zu Hause sein.

Zehn Jahre nach Beginn ihres Afghanistan-Einsatzes wird die Bundeswehr-Truppe am Hindukusch Anfang 2012 erstmals um 450 Soldaten verkleinert. In den folgenden zwölf Monaten sollen weitere 500 Soldaten abgezogen werden. Damit wird das deutsche Kontingent von derzeit bis zu 5350 Soldaten voraussichtlich innerhalb eines Jahres um fast ein Fünftel schrumpfen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) können mit einer breiten Mehrheit für diesen Vorschlag rechnen. Die SPD signalisierte Zustimmung, den Grünen geht der Abzug nicht weit genug, die Linke will alle Soldaten sofort nach Hause holen.

Bundeswehr-Wachposten im Distrikt von Charrah Darreh, nahe Kundus.

Bundeswehr-Wachposten im Distrikt von Charrah Darreh, nahe Kundus.

(Foto: dpa)

Bis Ende 2014 sollen alle Kampftruppen abgezogen sein. Schon Anfang 2013 soll die Bundeswehr aber nur noch 4400 Soldaten in der internationalen Schutztruppe ISAF mit ihren derzeit 130.000 Soldaten stellen. Grundlage für die Entscheidung ist die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Armee und Polizei. In der Region im Norden des Landes, für die die Bundeswehr zuständig ist, wurde bereits das erste Gebiet übergeben, weitere sollen möglicherweise schon in der nächsten Woche bekanntgegeben werden.

Das Kabinett wird sich voraussichtlich im Dezember mit dem neuen Mandat für den Bundeswehr-Einsatz befassen. Im Januar soll der Bundestag darüber abstimmen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier signalisierte die Zustimmung der Sozialdemokraten. "Die Reduzierung ist ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte", erklärte er.

Grüne: Nur eine Augenwischerei

Die Grünen wollen die Truppe dagegen weitaus drastischer verkleinern – auf 3900 Soldaten bis Anfang 2013. Verteidigungsexperte Omid Nouripour sprach von einer "riesigen Augenwischerei der Bundesregierung". Von den derzeit bis zu 5350 Soldaten seien faktisch nur 5000 am Hindukusch eingesetzt. Die angepeilte Reduzierung auf 4900 falle deswegen kaum ins Gewicht. Für die weiteren 500 Soldaten, die bis Anfang 2013 abgezogen werden sollten, würden Vorbehalte wie die Entwicklung der Sicherheitslage gelten. Die Linke hat den Afghanistan-Einsatz als einzige Fraktion bisher stets abgelehnt.

Deutschland stellt nach den USA und Großbritannien den drittgrößten Anteil in der internationalen Schutztruppe ISAF. Die Amerikaner haben bereits mit dem Abzug ihrer Truppen begonnen und wollen von den ursprünglich 100 000 Soldaten bis zum September 2012 ein Drittel abziehen.

Der Einsatz der Bundeswehr hatte zum Jahreswechsel 2001/2002 begonnen. Im ersten Jahr waren 1200 Soldaten am Hindukusch stationiert, anschließend wurde die Truppe mehrfach vergrößert. Der Beginn des Abzugs zum Jahreswechsel 2011/2012 wurde bereits mit der Entscheidung über das laufende Mandat vor einem Jahr anvisiert. Allerdings wurde ein Sicherheitsvorbehalt eingebaut. Die aktuelle und die prognostizierte Sicherheitslage ließen eine Truppenreduzierung zu, heißt es nun in dem Schreiben der beiden Minister.

Gefährliches Reisen

Hat sich die Sicherheitslage verschlechtert?

Hat sich die Sicherheitslage verschlechtert?

(Foto: dpa)

Die Hilfsorganisationen werfen den beteiligten Ländern eine verfehlte Militärpolitik vor. Weil sie zu einer zusätzlichen Brutalisierung afghanischer Männer geführt habe, hätten sich die Sicherheitslage und die Situation der Frauen verschlechtert, sagte Monika Hauser von der Organisation medica mondiale. Jennifer McCarthy vom europäischen Afghanistan-Netzwerk ENNA sagte, die Lage habe sich in den vergangenen fünf Jahren in manchen Regionen so sehr verschlechtert, dass die Bewohner nicht mehr sicher von Dorf zu Dorf reisen könnten.

Doe Organisationen fordern konkrete Perspektiven für die Zeit nach dem Truppenabzug. Notwendig sei unter anderem eine bessere Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) forderte einen langfristigen Aufbau der Zivilgesellschaft in dem Land. Erste Erfolge, wie der bessere Zugang für Mädchen und Frauen zu Bildung und die Entwicklung kritischer Medien, dürften nicht durch nachlassendes internationales Engagement gefährdet werden, sagte der Vorsitzende Ulrich Post.

Angriff der Taliban abgewehrt

Am Mittwoch wurden bei einem Angriff von Taliban-Kämpfern auf ein NATO-Lager im Osten Afghanistans sind bis zu 70 Kämpfer der Taliban getötet. Ein Sprecher der NATO-Truppe ISAF sagte am Mittwoch, es habe keine Toten oder Verletzten auf Seiten der NATO gegeben. Kampfflugzeuge unterstützten demnach die Bodentruppen bei der Abwehr des Angriffs im Bezirk Barmal in der Nähe der Grenze zu Pakistan. Mochlis Afghan, Sprecher der Provinz Paktika, sprach von 60 bis 70 getöteten Taliban-Kämpfern, ISAF-Sprecher Christopher DeWitt bestätigte eine "unbekannte Zahl" getöteter Kämpfer. Afghan sagte, die Angreifer seien vermutlich aus dem benachbarten Pakistan über die Grenze gekommen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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