Vor der Vertrauensfrage Berlusconi frisst Kreide
13.12.2010, 16:27 Uhr
Berlusconi muss nach dem Bruch der Koalition um seine Mehrheit fürchten.
(Foto: AP)
Silvio Berlusconi versucht zu retten, was noch zu retten ist: In einer Regierungserklärung wirbt der italienische Ministerpräsident für seine angeschlagene Mitte-Rechts-Regierung. Am Dienstag steht ihm ein Misstrauensvotum bevor, das seinen Rücktritt zur Folge haben könnte.
Nur einen Tag vor dem Votum über einen Misstrauensantrag der Opposition ist Silvio Berlusconi selbstbewusst in die Offensive gegangen. In einer 35-minütigen Regierungserklärung im Senat rief der 74-jährige italienische Ministerpräsident mit versöhnlichen Tönen zur konstruktiven Zusammenarbeit auf. Im Kampf um das Überleben seiner von inneren Konflikten bedrohten Mitte- Rechts-Regierung zeigte sich Berlusconi bereit, sein Kabinett zur politischen Mitte hin zu erweitern. Was dem Medienmogul vorschwebt, ist ein Bündnis mit "gemäßigten Kräften" bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013.
Im Gegenzug für das Vertrauen bot Berlusconi eine "neue politische Phase" an. Eine stabile Regierung sei notwendig, eine offene Regierungskrise in heiklen wirtschaftlichen Zeiten unbedingt zu verhindern. Deshalb müsse die Allianz aller moderaten Kräfte jetzt neu gebildet werden, sagte er und warb damit vor allem um die kleine Zentrumspartei UDC von Pier Ferdinando Casini. An die abtrünnigen Parlamentarier der Gruppe FLI (Zukunft und Freiheit für Italien) um Gianfranco Fini wandte er sich direkt. Sie könnten nicht die Wähler verraten und sich der Linken anschließen. Die Parlamentierer seien 2008 über Berlusconis Partei PdL (Volk der Freiheit) gewählt worden.
Berlusconi braucht Zeit
Berlusconi hat seit dem Bruch mit seinem ehemaligen Bündnispartner und Abgeordnetenhauspräsidenten Gianfranco Fini Ende Juli dort keine Mehrheit mehr. Er hatte seinen von Fini verlangten Rücktritt stets ausgeschlossen und im Falle eines Scheiterns mit Neuwahlen gedroht.
Fini unterstellt Berlusconi unter anderem, er wolle nur an der Macht bleiben, um nicht im Gerichtssaal zu landen. Tatsächlich muss der Regierungschef sich noch in mindestens zwei Prozessen verantworten. So waren der Mediaset-Prozess um sein Medienunternehmen sowie ein Korruptionsverfahren gegen ihn wegen Bestechung seines früheren Anwalts David Mills im April ausgesetzt worden.
Berlusconi hatte damals eine auf 18 Monate begrenzte Regelung durchgedrückt, die seine Abwesenheit und die seiner Minister im Gerichtssaal wegen Regierungsgeschäften grundsätzlich rechtfertigt. Seine Gegner warfen ihm vor, er wolle nur Zeit gewinnen, um ein neues Amnestiegesetz durchs Parlament bringen zu können.
Zwei Voten am Dienstag
Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord ging nach der "vortrefflichen und ausgewogenen Rede" Berlusconis davon aus, dass die Regierung auch im Abgeordnetenhaus das Vertrauen erhalten werde. "Mit nur einer Stimme mehr regiert man aber nicht, und wenn man nicht regieren kann, muss gewählt werden", warnte Bossi allerdings. Seine rechtspopulistische Lega Nord könnte von Neuwahlen stark profitieren.
Berlusconi muss sich am Dienstag im Abgeordnetenhaus dem von der Opposition beantragten Misstrauensvotum stellen. Der Ausgang ist völlig offen. Bei der Abstimmung dürfte es um einen Vorsprung von wenigen Stimmen gehen. Um jede Stimme wird bis zuletzt gekämpft. Der Chef der kleinen Anti-Korruptionpartei IDV, Antonio di Pietro, brachte in der vergangenen Woche Ermittlungen wegen eines angeblichen Stimmenkaufs durch die Regierungspartei auf den Weg.
Bei einem Scheitern müsste Berlusconi zurücktreten, könnte aber von Staatspräsidenten Giorgio Napolitano den Auftrag erhalten, eine Neuauflage seiner Regierung zu versuchen. Im Senat, wo die Mehrheitsverhältnisse günstiger sind, will Berlusconi am Dienstag selbst die Vertrauensfrage stellen
Quelle: ntv.de, dpa