Politik

Attacke gegen Staatspräsidenten Berlusconi teilt kräftig aus

Die Aufhebung seiner Immunität bringt Italiens Premier in Rage. Berlusconi wirft dem Verfassungsgericht vor, ein "politisches Organ" zu sein und greift zugleich Staatspräsident Napolitano an. An Rücktritt denkt der Regierungschef nicht: "Es lebe Italien und es lebe Berlusconi", ruft er mit geballter Faust. Zwei Prozesse gegen ihn können nun wieder aufgenommen werden.

Ohne Demut: Italiens Premier teilt lieber kräftig aus.

Ohne Demut: Italiens Premier teilt lieber kräftig aus.

(Foto: dpa)

Trotz der Aberkennung seiner Immunität durch das Verfassungsgericht gibt sich Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi uneinsichtig und greift die Justiz sowie Staatspräsident Giorgio Napolitano an. "Man weiß doch, auf welcher Seite er steht", sagte Berlusconi am Mittwochabend vor seiner Residenz. "Wir müssen weiterregieren, mit oder ohne Immunitätsgesetz", sagte der Ministerpräsident. "Ich habe nie daran geglaubt, dass die Norm bestätigt würde bei elf linken Richtern."

Berlusconi bezeichnete das Gericht nach dessen Entscheidung als "politisches Organ", das von den Linken beherrscht werde. Auch die Medien favorisierten die Linken. Trotz des Urteils werde er an der Spitze der Regierung bleiben, betonte er. Die Gerichtsverhandlungen gegen ihn seien eine Farce. "Es lebe Italien und es lebe Berlusconi", hatte Berlusconi bereits nach der Urteilsverkündung mit geballter Faust gerufen. Sein Sprecher, Paolo Bonaiuti, hatte die Entscheidung zuvor bereits als "politisches Urteil" bezeichnet und erklärt, die Regierung werde das Wählermandat respektieren.

Opposition empört

Aus dem Präsidentenpalast wurden Berlusconis Vorwürfe scharf kritisiert: "Jeder weiß, auf welcher Seite der Präsident steht. Auf der Seite der Verfassung, und er übt seine Funktionen mit absoluter Unparteilichkeit aus." Das Verhältnis des rechten Regierungschefs zu Präsident Napolitano gilt als äußerst schwierig. Der 84-Jährige kämpfte einst gegen die Faschisten und trug maßgeblich dazu bei, dass die italienischen Kommunisten sich zu einer sozialdemokratischen Partei wandelten.

Berlusconis wenig staatsmännische Erwiderung, es interessiere ihn nicht, was der Staatschef erkläre, sorgte auch bei der Opposition für Proteste. Solche Äußerungen seien in anderen Ländern unmöglich, "und waren es bis vor einigen Jahren auch in Italien", sagte der Generalsekretär der Demokratischen Partei, Dario Franceschini. Berlusconis Verhalten sei vollkommen "unverantwortlich".

Zwei Verfahren verhindert

Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch eine bisher geltende Immunitätsregelung für verfassungswidrig erklärt, die von Berlusconis Regierung im Juli 2008 verabschiedet worden war. Berlusconi muss nach dem Urteil mit der umgehenden Wiederaufnahme von zwei Korruptionsverfahren rechnen.

In Rom demonstrierten Gegner Berlusconis spontan - "das Gesetz ist für alle gleich" steht auf dem Plakat.

In Rom demonstrierten Gegner Berlusconis spontan - "das Gesetz ist für alle gleich" steht auf dem Plakat.

(Foto: dpa)

Mit dem Gesetz hatte Berlusconi die juristische Unantastbarkeit für die vier höchsten Staatsämter gesichert, darunter auch für den Regierungschef. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass für ein solches Gesetz eine Änderung der Verfassung notwendig sei. Berlusconi hatte die Immunitätsnorm hingegen kurz nach seiner Wiederwahl lediglich per Misstrauensvotum im Parlament durchgedrückt.

Premier denkt nicht an Rücktritt

Während die Opposition von einem erhofften Rücktritt des "Cavaliere" und einer "Übergangslösung" sprach, schloss die Regierungsmannschaft des Medienmoguls dies kategorisch aus. "Wenn Berlusconi fällt, dann schreiten wir zu den Urnen", hatte das Berlusconi-Lager einstimmig verlauten lassen.

Berlusconi hatte noch vor kurzem erklärt, er werde unabhängig von der Entscheidung des Gerichts dem Wählerauftrag treubleiben und "auf jeden Fall bis zum Ende der Legislaturperiode weiterregieren". Und der Chef der ausländerfeindlichen, rechtspopulistischen Regierungspartei "Lega Nord", Umberto Bossi, hatte noch kurz vor der Urteilsverkündung gedroht, das Gericht wolle doch wohl kaum "den Zorn des Volkes heraufbeschwören".

"Lame duck"

Mindestens zwei Prozesse würden automatisch wiedereröffnet, sagte Franco Pavoncello, Politikprofessor an der John-Cabot-Universität in Rom. "Er war unangreifbar, und er wird jetzt wieder angreifbar", sagte er. Dazu komme noch der Sex-Skandal um den Ministerpräsidenten. Für seine Verbündeten werde sich nun die Frage stellen, ob es sich lohne, für Berlusconi zu kämpfen.

Tito Boeri, Wirtschaftsprofessor an der Mailänder Bocconi-Universität sagte, für Italien sei dies eine schlechte Nachricht. Berlusconi sei schon eine "lame duck" (lahme Ente) an der Spitze einer schwachen Regierung. Dies werde nun noch schlimmer. Gleichzeitig brauche das konjunkturschwache Italien dringend Reformen, um die Wirtschaft in Gang zu bringen. Berlusconi werde sich nun noch weniger darauf konzentrieren.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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