Politik

Angriffe im Osten der Ukraine Bewaffnete besetzen Geheimdienstzentrale

Vor dem Gebäude werden Barrikaden errichtet.

Vor dem Gebäude werden Barrikaden errichtet.

(Foto: REUTERS)

Bewaffnete Männer in Tarnanzügen stürmen weitere öffentliche Gebäude im Osten der Ukraine. Der Innenminister kündigt eine harsche Reaktion an. Doch davon lassen sich die Besetzer nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Die Situation erinnert immer mehr an die Ereignisse auf der Krim.

In der Ost-Ukraine haben Bewaffnete ein weiteres Behördengebäude besetzt. Mehrere Männer in Tarnuniformen brachten eine Polizeidirektion in Slawjansk in der Region Donezk in ihre Gewalt. "Dieselbe Gruppe Bewaffneter" stürmte nach Angaben der Polizei später den dortigen Sitz des Geheimdienstes SBU.

In Donezk selbst stürmten rund 200 prorussische und mit Knüppeln bewaffnete Demonstranten am Nachmittag das Hauptquartier der Polizei. Dabei stießen sie auf keinerlei Widerstand, wie AFP-Reporter berichteten. In der Stadt halten sie bereits mehrere öffentliche Gebäude besetzt. Unbestätigten Berichten zufolge wurden am Abend weitere Polizeistationen in kleineren Städten im Osten der Ukraine besetzt.

 

Innenminister Arsen Awakow kündigte eine harte Reaktion des Staates an. "Spezialeinheiten" seien entsandt worden. "Bewaffneten Terroristen" werde mit "null Toleranz" begegnet, sagte er. Awakow hält sich seit Freitagabend in der Stadt Donezk auf, in der prorussische Demonstranten seit knapp einer Woche öffentliche  Gebäude besetzt haben. Ein Ultimatum des Innenministers zur Räumung der besetzten Gebäude, das am Freitag ausgelaufen war, ließen sie  verstreichen. Auch in der ostukrainischen Stadt Lugansk ging die Besetzung am Samstag weiter.

Slawjansk liegt rund 100 Kilometer nördlich der Gebietshauptstadt Donezk und hat rund 100.000 Einwohner. Die Bürgermeisterin unterstütze die Besetzer, twitterte AP-Journalist Pete Leonard. Die Polizisten hätten das Gebäude freiwillig verlassen, zitiert er die Bürgermeisterin nach einem Zusammentreffen mit den Besetzern.

Reporter sahen mehrere bewaffnete und maskierte Männer in Kampfanzügen vor der Polizeiwache. Abzeichen trugen sie nicht. Auf Fragen von Journalisten antworteten sie nicht.

In unmittelbarer Nähe der Station sollen sich zwischenzeitlich schwer bewaffnete Männer aufgehalten haben, die den auf der Krim aufgetauchten Kräften in Uniformen ohne Hoheitszeichen stark ähneln. Spekuliert wird, dass es sich um russische Soldaten handelt.

In den Straßen rund um das Polizeigebäude errichteten die Angreifer Barrikaden. Hunderte Einwohner versammelten sich vor der Station.

Eine Unterstützer-Gruppe der pro-westlichen Proteste in Kiew veröffentlichte auf Youtube ein Video, das die Besetzung der Polizeiwache zeigen soll. Dabei wurde das Gitter eines Fensters mithilfe eines Autos aus der Verankerung gerissen. Ob es sich dabei wirklich um die Station in Slawjansk handelt, ist nicht überprüfbar.  

 

n-tv-Korrespondent Dirk Emmerich berichtet von Dutzenden Bewaffneten und Vermummten. An dem Gebäude wurde eine russische Fahne befestigt.

Mittlerweile gibt es außerdem Berichte, ehemalige Angehörige der aufgelösten Spezialeinheit Berkut hätten sich den Besetzern angeschlossen. Ob das tatsächlich der Fall ist, ist unklar.

Eine AFP-Journalistin beschreibt eine bedrohliche Situation: "Mussten einer Gruppe von pro-russischen Aktivisten entkommen", twittert sie. "Sie griffen nach uns und versuchten, uns ins Gebäude zu ziehen."

Berichten mehrerer Journalisten zufolge wurden mehrere Checkpoints an Zufahrtstraßen nach Slawjansk errichtet. Polizisten und pro-russische Milizen würden Autos kontrollieren.

Pro-russische Demonstranten halten bereits in mehreren ostukrainischen Städten Regierungsgebäude besetzt. Sie fordern ein Referendum über eine Abspaltung der Region, in der viele russisch-stämmige Bürger leben. Die Entwicklung schürt Sorgen, dass die Regierung in Moskau nach der ukrainischen Halbinsel Krim auch andere Landesteile in die russische Förderation eingliedern könnte. Russland hat nach Nato-Angaben inzwischen 40.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte am Freitag erklärt, sein Land wolle, dass die Ukraine innerhalb ihrer Grenzen als Ganzes erhalten bleibe. Die Eingliederung weiterer Landesteile der Ukraine sei nicht im Interesse Russlands. Der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza forderte Russland in einem Telefonat mit Lawrow auf, nicht weiter mit Provokateuren Unruhe zu stiften. Moskau weist aber jede Beteiligung zurück.

Steinmeier: Moskau muss liefern

Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte Russland auf, vor dem Krisengipfel zur Ukraine nächste Woche in Genf Signale der Entspannung zu liefern. "Das alles kann nur gehen, wenn Russland eigene Entspannungsbeiträge liefert wie zum Beispiel den weiteren Rückzug von Streitkräften entlang der Grenze", sagte Steinmeier. Das Vierertreffen sei erst "der Beginn der Arbeit".

Am kommenden Donnerstag wollen die USA, Russland, die Ukraine und die Europäische Union erstmals direkt miteinander über den Konflikt beraten. Für die EU ist die Außenbeauftragte Catherine Ashton dabei, für die anderen Beteiligten die jeweiligen Außenminister.

Steinmeier versuchte zugleich, die Erwartungen zu dämpfen. Das Treffen in Genf sei schon ein Wert an sich. "Daran hätte vor drei Woche noch niemand geglaubt. Ich wäre froh, wenn die erste Sitzung genutzt würde, um ein Arbeitsprogramm zu erstellen."

Ziel sei zunächst "Deeskalation", sagte der SPD-Politiker. "Langfristiges Ziel muss sein, dass wir den politischen und wirtschaftlichen Kollaps der Ukraine verhindern und dafür sorgen, dass diese Ukraine als Land beieinanderbleibt. Das ist schwieriger als sich viele vorstellen."

USA machen Druck

Die USA haben inzwischen Sanktionen verhängt. Sie betreffen sieben Krim-Separatisten und das Gasunternehmen Tschernomorneftegas mit Sitz auf der Halbinsel. Dem Kreml drohte die Regierung in Washington mit weiteren Strafmaßnahmen, sollte Moskau den Ukraine-Konflikt verschärfen.

Die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G-7) einigte sich derweil darauf, sich am 4. und 5. Juni in Brüssel ohne Russland zu treffen. Diesen Termin gab der Europäische Rat am Freitagabend bekannt. Ursprünglich war an den beiden Tagen der G-8-Gipfel mit Russland in der Schwarzmeerstadt Sotschi geplant. Wegen der vom Westen als völkerrechtswidrig angesehenen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim war der Termin aber abgesagt worden.

Quelle: ntv.de, jga/ghö/dpa/AFP

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