Politik

Westerwelles letzte Dienstreise als Außenminister "Bitten für unsere Politik nicht um Erlaubnis"

Guido Westerwelle hat sich in Brüssel von der politischen Bühne verabschiedet.

Guido Westerwelle hat sich in Brüssel von der politischen Bühne verabschiedet.

(Foto: REUTERS)

Betont sachlich nimmt Außenminister Westerwelle beim Treffen der EU-Kollegen in Brüssel von seinem Amt Abschied. Dabei wirft er Moskau unerlaubten Druck auf Kiew vor. Russlands Außenminister Lawrow reagiert verärgert. Und in Kiew singen die Demonstranten.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat Kritik aus Moskau zurückgewiesen, im Konflikt um eine Annäherung der Ukraine an die EU die russische Regierung nicht eingebunden zu haben. "Wir sind der Überzeugung, wenn die Europäische Union die Ukraine einlädt, sich in Richtung Europa zu entwickeln, dann ist es ja nicht angemessen, dass wir vorher um die Genehmigung von Dritten bitten", sagte Westerwelle in Brüssel. Zudem habe es auch während der Verhandlungen des Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine "immer auch wieder Gespräche mit Russland gegeben".

Lawrow fand ebenfalls klare Worte für die EU-Politik.

Lawrow fand ebenfalls klare Worte für die EU-Politik.

(Foto: dpa)

Der aus dem Amt scheidende Westwelle äußerte sich nach einem Treffen der EU-Außenminister mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Dieser zeigte sich in Brüssel wortkarg. "Es war unser gemeinsames Verständnis, dass jeder die Souveränität jedes anderen Landes einschließlich der Ukraine respektieren sollte. Und jeder sollte den Völkern die freie Entscheidung erlauben, wie sie ihr Land entwickeln wollen, wie sie ihren Staat entwickeln wollen", sagte Lawrow.

Westerwelle nannte das Gespräch "offen" und "wichtig". An den unterschiedlichen Auffassungen habe sich aber nichts geändert. Dennoch sei es immens wichtig, "dass wir diesen Austausch zwischen Europa und Russland weiter pflegen, auch wenn wir ganz erkennbar, offensichtlich in verschiedenen Bereichen Meinungsunterschiede mit Russland haben". EU-Diplomaten sagten, dass sich beide Seiten mit ihrer Kritik am Gegenüber während des Treffens nicht zurückhielten.

Westerwelle warnte in Brüssel auch vor den Gefahren für Europa: "Mit einigem Glück können wir vermutlich über die Finanz- und Wirtschaftskrise hinwegkommen. Aber meine Sorge ist, dass die politische Krise in Europa auf der Tagesordnung bleibt."

Proteste lösen Krise in der Regierungspartei aus

Derweil zeigen sich unter dem Druck der pro-europäischen Oppositionsproteste deutliche Risse innerhalb der Regierungspartei. Fraktionsabgeordnete der Partei der Regionen forderten Regierungschef Mykola Asarow zu einer umfassenden Kabinettsumbildung auf. 90 Prozent" der Regierung müssten ausgetauscht werden, sagte die Abgeordnete Anna German nach einem Treffen von Fraktionsmitgliedern mit Asarow. Asarow habe zugesichert, Präsident Viktor Janukowitsch über die "Position der Fraktion" in Kenntnis zu setzen. "Es werden sicher Konsequenzen gezogen", sagte German. Ein Rücktritt Asarows sei bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen aber nicht erörtert worden.

Janukowitsch reist an diesem Dienstag nach Moskau. Die Opposition sieht das neuerliche Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Argwohn und kündigte weitere Proteste an. Bei dem Besuch in Moskau sollen mehrere Abkommen unterzeichnet werden. Moskau und Kiew erklärten, dass es dabei nicht um das Assoziierungsabkommen gehe. Putins Wirtschaftsberater Andrej Bieloussow erklärte, im Mittelpunkt der Gespräche stehe ein von der Ukraine dringend benötigter möglicher Kredit Russlands.

Janukowitschs Gegner singen "Vitia, ciao!"

Trotz Schnee und Kälte harren weiter Tausende Demonstranten aus dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew aus. Mittlerweile setzen sie auf Humor als politische Waffe gegen die Regierung. Ein subversives Protestlied auf Youtube wurde bislang mehr als 500.000 Mal angeklickt und macht sich über den ungeliebten Staatschef und seinen pro-russischen Kurs lustig. "Vitia, ciao!" heißt der mit einer Verniedlichungsform von Viktor betitelte und an das italienische linke Kampflied "Bella ciao" angelehnte Song. Bei den Massenprotesten zehntausender Demonstranten in Kiew wurde er am Sonntag mehrfach vorgespielt und mit viel Schadenfreude bejubelt.

In dem Zusammenschnitt verschiedener Aufnahmen zur Melodie von "Bella ciao" ist Janukowitsch zu sehen, wie er über Baumstümpfe vor seiner Luxusresidenz hüpft, als Zuschauer eines Fußballspiels nervös auf der Tribüne mitfiebert oder unbeholfen über eine Tanzfläche wackelt - das Ganze versetzt mit Bildern blutender Demonstranten, die von Polizisten brutal niedergeknüppelt werden. Dazu erschallt immer wieder der Refrain "Tschüss, Hüter (der Verfassung)! Komm nicht wieder! Oh Vitia ciao, Vitia ciao, Vitia ciao, ciao, ciao!".

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP

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