Kommission legt Bericht vor "Blair hat Irak-Gefahren bewusst übertrieben"
06.07.2016, 12:18 Uhr
Demonstranten, die sich als Tony Blair und George W. Bush verkleidet haben, reichen sich vor dem Konferenzgebäude, in dem der Chilcot-Bericht vorgestellt wird, die Hände.
(Foto: AP)
Eine von der britischen Regierung eingesetzte Kommission kommt zu dem Schluss, dass der damalige Premier Blair die Bedrohung durch den Irak bewusst übertrieben. Großbritannien sei voreilig in den Krieg gezogen, so der Chef der Kommission.
Dreizehn Jahre nach dem Beginn des Irak-Kriegs hat eine Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht zur britischen Beteiligung an der Invasion vorgelegt. Die zentrale Aussage: Blair hat die Bedrohung, die vom Irak ausging, in den Jahren 2002 und 2003 bewusst übertrieben.
Der Vorsitzende der Kommission, der frühere Ministerialbeamte John Chilcot, sagte, Blair habe Warnungen ignoriert und sich zu sehr auf seine persönliche Überzeugung verlassen, statt den Einschätzungen der Geheimdienste zu vertrauen.
Der Chilcot-Bericht wird seit Jahren mit Spannung erwartet. Vor allem linke Politiker und Aktivisten fordern, Blair wegen "Verbrechen gegen den Frieden" anzuklagen, da der Irak-Krieg ohne jede völkerrechtliche Grundlage geführt worden sei. Auch heute gab es Proteste vor dem Konferenzgebäude, in dem der Bericht für Journalisten zur Einsicht auslag.
Chilcot erinnerte bei der Vorstellung des Berichts an alle Toten und Verletzten im Irak – einschließlich der 250 Menschen, die erst am vergangenen Wochenende bei einem Anschlag in Bagdad ums Leben gekommen waren.
Weiter sagte er:
- Die Untersuchungskommission sei zu dem Schluss gekommen, dass die britische Regierung voreilig in den Krieg eingetreten sei, bevor friedliche Optionen ausgeschöpft wurden.
- Geheimdienstberichte seien mit einer Gewissheit vorgetragen worden, die nicht gerechtfertigt gewesen sei.
- Die Planung der Invasion sei "völlig unzureichend" gewesen.
- Die USA und Großbritannien hätten die Autorität des UN-Sicherheitsrates unterminiert, weil sie auf ein kriegerisches Vorgehen gedrängt hätten.
- Blair sei vor dem Krieg gewarnt worden, dass eine Invasion die Bedrohung durch Al-Kaida erhöhen würde.
Nach dem Ende seiner Ausführungen soll der Bericht hier veröffentlicht werden.
Dem britischen Premierminister David Cameron liegt eine Kopie des Berichts seit Dienstagvormittag vor. Journalisten und Oppositionspolitiker bekamen erst heute Morgen um 8 Uhr Ortszeit Gelegenheit, den Bericht zu lesen; die Journalisten durften erst drei Stunden später darüber berichten.
Dass sie ihn bis dahin vollständig gelesen haben, ist ausgeschlossen: Er umfasst zwölf Bände und 2,6 Millionen Wörter, ist also mehr als drei Mal so lang wie die englische Bibelübersetzung.
Quelle: ntv.de, hvo