Politik

Springerstiefel und rechte Parolen Böhnhardts Vater ahnte angeblich nichts

Jürgen Böhnhardt in München.

Die Eltern der mutmaßlichen NSU-Terroristen gelten als wichtige Zeugen im NSU-Prozess. Doch auch bei Uwe Böhnhardts Vater erweist sich die Suche nach der Wahrheit als schwierig. Den Familien der Opfer spricht er vor Gericht sein Mitgefühl aus.

Auf der Zeugenliste stand diesmal nur ein Name: "Jürgen B. (Umfeld Angeklagte)". Lediglich der Tatsache, dass ausschließlich seine Vernehmung angesetzt ist, kann man entnehmen, wie wichtig dieser Zeuge ist. Denn das Münchner Gericht vernimmt den Vater von Uwe Böhnhardt.

Er ist mit keinem der Angeklagten verwandt oder verschwägert, denn sein Sohn ist tot. Die Angeklagte Beate Zschäpe war wohl so etwas ähnliches wie eine Schwiegertochter, aber im juristischen Sinne hat Jürgen Böhnhardt kein Recht, die Aussage zu verweigern.

Wie schon zuvor seine Frau und der Vater von Uwe Mundlos erzählt auch Jürgen Böhnhardt davon, wie sein Sohn heranwuchs. Von der rechtsextremen Karriere seines Sohnes will der Vater nichts gewusst haben. "Das haben wir damals überhaupt nicht geahnt", sagte Böhnhardt in München. Das sei "höchstens mal unterschwellig angekommen".

Alle waren rechts

Beate Zschäpe war mit Uwe Böhnhardt zusammen.

Beate Zschäpe war mit Uwe Böhnhardt zusammen.

(Foto: dpa)

Auf Fotos habe man zwar gesehen, dass Uwe bei rechten Demonstrationen "mittendrin" gewesen sei, dass er Bomberjacke und Springerstiefel getragen habe. "Aber das ist zu der Zeit normal gewesen, das haben alle Leute gehabt." Er habe auch gar nicht richtig unterscheiden können, wer nun rechts, wer links und wer ein Polizist gewesen sei. "Krass" fand er die Bilder von den Aufmärschen dennoch.

Böhnhardt überließ die Erziehung weitgehend seiner Frau. Er selbst gehörte als Ingenieur zu den wenigen, die auch nach der Wende Arbeit hatten. Zurückhaltend berichtet der inzwischen 69-Jährige davon, dass er viel "im Betrieb" gewesen sei. Doch Uwe Böhnhardt hatte zu Hause "relativ gute Voraussetzungen". Trotzdem schwänzte er die Schule, klaute, fuhr fremde Autos ohne Führerschein. Alle Bemühungen der Eltern, ihren Sohn zu erreichen, scheiterten. Sie hätten Uwe zur Rede gestellt, berichtet der Vater, aber dieser habe abgewiegelt oder gar keine Antwort gegeben.

Man habe den "Ernst der Lage" nicht erkannt, sagte Böhnhardt - obwohl Uwe wiederholt im Visier der Justiz war. Von einer Gefängnisstrafe, die Uwe Böhnhardt im Alter von 17 Jahren wegen mehrerer Diebstähle verbüßen musste, berichtet der Vater. Damals sei der Junge wieder zum ganz kleinen Kind geworden, "das geheult hat und am Fenster stand, als wir gingen." Doch danach rutscht Uwe Böhnhardt noch tiefer in die rechtsextreme Szene hinein.

Welche Waffen?

Auf die Frage nach den zahlreichen Waffen, die bei seinem Sohn und dessen Freunden gefunden wurden, sagt Jürgen Böhnardt, er sei "absolut gegen Gewalt". Seinen Sohn habe er nie geschlagen. Und ein "Taschenmesser" würde er nicht als "Waffe bezeichnen". In der Jenaer Garage, in der die Gruppe ihr Material lagerte, waren im Januar 1998 unter anderem vier funktionstüchtige Rohrbomben ohne Zünder und 1,4 Kilogramm TNT gefunden worden.

Böhnhardt sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Er wolle zum Ausdruck bringen, "dass mir das unendlich Leid tut, was da passiert ist", sagte er. Zugleich bedankte sich Böhnhardt bei den Angehörigen, dass diese ihn und seine Familie nicht zur Rechenschaft gezogen und etwa beschimpft hätten. Er könne sich in die Situation der Opferfamilien "reinversetzen". Sein älterer Sohn Peter sei auch zu Tode gekommen und man habe nie erfahren, wie er gestorben sei.

Zschäpe verfolgte die Ausführungen Böhnhardts etwas angespannt. Dabei beschreibt der sie als "freundliche, nette, junge Frau", die im Haushalt geholfen habe. Sie sei bereit gewesen, etwas zu lernen. Dabei ging es vor allem um Kochen und Backen – "was eben eine Frau machen muss". Dass auch Zschäpe auf den rechten Demos mitmarschierte, habe er erst später mitbekommen, so Böhnhardt.

Dumme und bösartige Sachen

Da war sein Sohn aber auch gemeinsam mit seinen Freunden bereits auf dem Weg in den Untergrund. Böhnhardt bestätigt die geheimen Treffen, von denen schon seine Frau berichtet hatte. Gemeinsam hätten sie an das Trio appelliert: "Stellt euch!" Doch die drei hätten "ums Verrecken" nicht gewollt.

Über seinen Sohn Uwe sagte Böhnhardt, dieser habe dumme und bösartige Sachen gemacht. "Das ist ja schon gemeingefährlich, was sie gemacht haben." Aber Uwe sei ebenfalls tot. "Er ist auch erschossen worden - wir werden auch das Problem ewig haben", sagte er. "Der Verlust von einem Angehörigen, das wird ewig an einem hängenbleiben."

Uwe Böhnhardt und sein Komplize Uwe Mundlos hatten sich im November 2011 erschossen, um der Festnahme durch die Polizei zu entgehen. Ihnen werden unter anderem zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge zugerechnet. Beate Zschäpe ist vor dem Oberlandesgericht als Mittäterin an allen Attentaten angeklagt.

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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