Norden Nigerias außer Kontrolle Boko Haram vertreibt Hunderttausende
10.05.2014, 08:10 Uhr
Frauen und Mädchen haben nach einem Überfall der Boko Haram auf ihr Dorf ihre Sachen gepackt.
(Foto: REUTERS)
Sie überfallen Dörfer und Schulen, sind berüchtigt für unerbittliche Brutalität und religiösen Wahn: Die islamistische Boko Haram hat laut UNHCR mehr als 300.000 Menschen aus Nordnigeria vertrieben. Und von den 200 entführten Schülerinnen fehlt weiter jede Spur.
Eine Viertelmillion Menschen ist in Nordnigeria auf der Flucht vor Gewalt und der Terrorgruppe Boko Haram. Mehr als 60.000 weitere sind in die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger geflohen. Das teilte das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) unter Berufung auf nigerianische Behördenangaben mit. Die Binnenflüchtlinge und die Vertriebenen berichteten demnach von extremer Gewalt und Brutalität. Vor rund einem Jahr hatte die Regierung des westafrikanischen Staates den Ausnahmezustandes über die drei nördlichen Bundesstaaten verhängt.
Im muslimisch geprägten Norden Nigerias kämpft unter anderem die islamistische Gruppe Boko Haram für einen Gottesstaat auf Grundlage der Scharia. Die Armee des Landes startete bereits im vergangenen Mai eine Offensive gegen die Gruppe in den Bundesstaaten Yobe, Borno und Adamawa, doch sie hat die Region immer noch nicht unter Kontrolle gebracht. Besonderes Aufsehen hat der Fall von 200 Schülerinnen im Teenageralter erregt, die in Chibok im Staat Borno vor gut einem Monat von der Boko Haram verschleppt worden sind. Von ihnen fehlt weiter jede Spur.
Amnesty International erhebt wegen der Entführung schwere Vorwürfe gegen das Militär. Die Sicherheitskräfte seien Stunden vor dem Überfall auf die Schule vor der bevorstehenden Attacke gewarnt worden und hätten die Entführung der Mädchen womöglich verhindern können. Die Menschenrechtsorganisation beruft sich auf "Informationen aus mehreren Interviews mit glaubwürdigen Quellen", die unabhängig geprüft worden seien. Demnach hätten beispielsweise Zivilpatrouillen im Nachbarort Gagilam Alarm geschlagen, als eine große Gruppe bewaffneter Männer auf Motorrädern durch ihr Dorf kam und angab, sie wären unterwegs nach Chibok. Trotzdem habe niemand der lokalen Polizei und den dort stationierten 17 Soldaten Verstärkung geschickt, teilte Amnesty in Washington mit.
Die Islamisten von Boko Haram setzen derweil ihre Angriffe fort. Mutmaßliche Mitglieder der Extremisten sprengten im Norden Nigerias eine Brücke und töteten mindestens 30 Menschen. Der Anschlag ereignete sich in dem Dorf Gamboru Ngala an der Grenze zu Kamerun, wie die Zeitung "Punch" berichtete. Dort hatte Boko Haram erst vor wenigen Tagen über 300 Menschen ermordet und elf Mädchen entführt.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa