"Was würdest du tun"? Bradley Manning, der Whistleblower
16.12.2011, 14:21 Uhr
So sehen die Gegner von Wikileaks Bradley Manning - mit Blut an seinen Händen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Seine Anhänger feiern ihn als Helden, der das Grauen des Krieges ans Tageslicht brachte. Das Pentagon sieht ihn als Verräter. Jetzt muss der US-Soldat Bradley Manning vor ein Militärgericht. Er hat als Maulwurf Wikileaks mit Geheimdokumenten versorgt - und muss dafür vielleicht mit einem Leben hinter Gittern büßen.
Bradley Manning war in der US-Armee nur einfacher Obergefreiter, doch als Spezialist für nachrichtendienstliche Analyse hatte er Zugang zu einer mächtigen Waffe: Informationen. Während er im Frühjahr 2010 im Irak stationiert war, so lautet der Vorwurf, soll er diese Waffe gegen sein Heimatland gerichtet haben.
Manning steht im Verdacht, die Quelle für die Geheimdokumente zu sein, mit denen die Internetplattform Wikileaks die Regierung in Washington und das US-Militär bloßstellte. Am Tag vor seinem 24. Geburtstag beginnt mit einer Anhörung vor einem Militärgericht der Prozess gegen Manning. Dem jungen Mann droht ein Leben hinter Gittern.
Held, Verräter, Außenseiter
Eines der bekanntesten Fotos Mannings zeigt ihn lächelnd in einer grünen Ausgehuniform, das Barett in sein knabenhaftes Gesicht gezogen. Seine Unterstützer haben T-Shirts, Poster und Anstecker mit diesem Bild bedrucken lassen. Für sie ist Manning ein Held, ein Kämpfer für transparente Demokratie. Seine Gegner sehen ihn als Verräter, der dem Ansehen der USA geschadet und das Leben seiner Kameraden in Gefahr gebracht habe.
"Wenn du freien Zugang zu Geheimdokumenten hast", zitiert ihn ein Unterstützer-Netzwerk, "und du unglaubliche, schreckliche Dinge siehst ... Dinge, die an die Öffentlichkeit gehören ... Was würdest du tun?"
Die US-Medien haben versucht, Mannings Weg aus der Provinz im Mittleren Westen in die Zelle eines Militärgefängnisses nachzuzeichnen. Oft erzählen sie dabei die Geschichte eines Außenseiters, der als Computerfreak in der Schule und als Homosexueller in der Armee Zurückweisung erfahren habe.
"Ich bin schon lange isoliert"
Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Manning im Tausend-Seelen-Dorf Crescent im Bundesstaat Oklahoma, nach der Scheidung seiner Eltern zog er mit seiner Mutter nach Großbritannien. Nach schwierigen Schuljahren schickte diese ihn zurück in die USA. Als der Vater dort von der Homosexualität seines Sohns erfuhr, warf er ihn der "New York Times" zufolge aus dem Haus. Manning habe einige Zeit in seinem Auto gelebt. Nach einer kurzen Beschäftigung bei einer Softwarefirma und Minijobs im Einzelhandel sei er im Jahr 2007 schließlich bei der Armee gelandet.
Wie die "New York Times" unter Berufung auf Mannings Freundeskreis schrieb, entwickelte der Soldat in den vergangenen Jahren ein Bewusstsein für seine Homosexualität - was ihn in einen Gewissenskonflikt trieb: Die US-Armee verlangte bis vor Kurzem, dass Soldaten ihre homosexuelle Orientierung geheimhalten. "Ich bin schon lange isoliert", schrieb Manning dem Hacker Adrian Lamo, der ihn später verraten sollte.
In den Protokollen des Internetchats, die Lamo den US-Behörden übergab und die das US-Magazin "Wired" veröffentlichte, scheint Manning zu beschreiben, wie er Geheimdaten an Wikileaks-Gründer Julian Assange weitergeleitet habe. Dem "verrückten weißhaarigen Australier" habe er die Dokumente zugespielt, damit die "Wahrheit" ans Licht komme. Die von Militärservern heruntergeladenen Daten habe er als CD der Popsängerin Lady Gaga getarnt aus dem Büro geschmuggelt.
Manning machte Wikileaks berühmt
Wikileaks veröffentlichte im April 2010 ein schockierendes Video, das den tödlichen Beschuss von Zivilisten in Bagdad durch einen US-Kampfhubschrauber zeigt. Später machte die Enthüllungsplattform mehr als 250.000 diplomatische Depeschen der USA und zehntausende Geheimunterlagen zum Afghanistan-Einsatz publik. Erst dieses Leck, für das Manning angeklagt ist, hat der im Jahr 2006 gegründeten Internetseite zu weltweiter Bekanntheit verholfen.
Im Mai 2010 wurde Manning auf seinem Stützpunkt nahe Bagdad festgenommen. Zunächst saß er in einem Militärgefängnis in Kuwait, dann in einer Einzelzelle auf dem Stützpunkt Quantico im Bundesstaat Virginia. Nach Protesten von Menschenrechtlern gegen die harschen Haftbedingungen verlegte die Armee Manning in das Militärgefängnis Fort Leavenworth in Kansas.
Dem Obergefreiten werden eine Reihe von Straftaten zur Last gelegt, am schwersten wiegt der Vorwurf der Feindesunterstützung. Die Anhörung vor einem Militärgericht auf dem Stützpunkt Fort Meade in Maryland gibt Mannings Anwälten die Möglichkeit, die Anschuldigungen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Hält das Militär anschließend an der Anklage fest, dürfte es noch Monate bis zur Hauptverhandlung dauern.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa