Wenn Nazis zu Biobauern werden Braune Ökologen töten das Image
21.09.2012, 14:07 Uhr
Braune Biobauern haben Hühner wie andere Biobauern.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bio ist grün, nicht braun. Das weiß jedes Kind. Bio-Konsumenten denken global und nachhaltig und sind in aller Regel nicht rechtsradikal. Was viele nicht wissen ist, dass immer mehr rechtsradikale Bauern in die Bio-Szene drängen. Der Sammelband "Braune Ökologen" listet die Neonazis unter den Biobauern auf. Auch die Verbände blasen zum Sturm.
Wer Bio kauft, will meist sich selbst und der Umwelt etwas Gutes tun: glückliche Kühe, keine Gentechnik, weniger Pestizide. Eine Umfrage der Bundesanstalt für Ernährung zeigt, dass fast 90 Prozent der Bio-Konsumenten zudem die Betriebe ihrer Region stärken wollen. Neonazis möchten wohl die wenigsten unterstützen. Doch vor allem in Mecklenburg-Vorpommern sind inzwischen einige rechtsradikale Bauern in der Bio-Szene bekannt. Auch in Bayern und Sachsen sind schon Landwirte aufgefallen.
Allein in der Region Güstrow-Teterow zwischen Rostock und Neubrandenburg verzeichnet der Sammelband "Braune Ökologen" von 2011 rund 60 rechtsradikale Biobauern. Verbraucher, die kein Gemüse von ihnen kaufen wollen, haben es jedoch manchmal schwer, die Rechten zu erkennen und zu meiden. Die Heinrich-Böll-Stiftung empfiehlt, sich trotzdem möglichst genau darüber zu informieren, woher Produkte stammen - zum Beispiel auf den Webseiten des Verbandes Biopark und des Fleischherstellers Neuland. Hier sind Waren und Hersteller genau aufgelistet.
Welcher Bauer als rechtsradikal gilt, führen die Organisationen aber nicht auf. Diese Information müssen sich Verbraucher also an anderer Stelle besorgen. Und genau hier wird es kompliziert: Solange die Rechten nicht Mitglied in radikalen Parteien wie der NPD sind oder ihre Ideologie anders verbreiten, sind sie kaum von anderen Biobauern zu unterscheiden. Wenn sie dann auffallen und bereits Mitglied eines Bio-Verbandes sind, können sie der ganzen Branche Schaden zufügen.
Verbände kommen in Bewegung
Der Name "Artamanen" ist indogermanisch und bedeutet "Hütterder Scholle". In den zwanziger Jahren zogen mehrere tausend junge Menschenrechter Gesinnung von der Stadt aufs Land. 1923 entstand der "Bund der Artame.V" um Willibald Hentschel, der in landwirtschaftlichen Produktionsstätteneine "neue völkische Oberschicht" aufbauen wollte. Als Siedler solltensie autarke Gemeinschaften aufbauen und zugleich einen Wall gegen polnische Saisonarbeiterbilden. 1927 übernahm NSDAP-Mitglied Hans Holfelder, später SS-Standartenführer,den Vorsitzt. Das Führerprinzip und die Blut-und-Boden-Ideologie zog auch SS-ReichsführerHeinrich Himmler, Reichsbauernführer Walther Darré und Auschwitz-Kommandant RudolfHöß an. 1934 wurde der Bund als kooperativ in die Hitler-Jugend aufgenommen.
Als zum Beispiel klar wurde, dass Helmut Ernst, NPD-Mitglied, und der rechtsradikale Autor Huwald Fröhlich dem Biopark-Verband angehören, war der Aufschrei groß. Die Verbände dürften so etwas nicht zulassen, Verbraucher fühlten sich betrogen. Passiert ist dann aber erst mal nichts: Die beiden Bauern sind immer noch Mitglieder von Biopark. Allerdings kommen die Verbände langsam in Bewegung.
Laut einer Umfrage der Agentur AFP arbeiten die großen Vereinigungen Demeter, Ecovin, Naturland, Bioland, Ecoland und Biopark alle an einer Satzungsänderung, um rechtsradikale Mitglieder ausschließen zu können - oder können das bereits aufgrund der aktuellen Satzung. Auch der Dachverband Bund Ökologische Landwirtschaft (BÖLW) schreibt in einer Resolution vom Juni dieses Jahres, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um rechtsradikale Unternehmer aus den eigenen Reihen konsequent auszuschließen.
Laut dieser Resolution steht die Ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft für "einen achtsamen Umgang mit der Natur, den Tieren und den Menschen untereinander." Die großen Bio-Verbände bestätigen einheitlich: Unsere Werte sind nicht mit radikalem Gedankengut vereinbar.
Ausschluss fast nicht möglich
Allerdings können Mitglieder laut BÖWL nicht so einfach aus den Verbänden vertrieben werden. Es genüge nicht, "die Gesinnung eines Betriebes oder die Mitgliedschaft seines Inhabers in einer Partei als Begründung anzuführen", jedenfalls solange die Partei nicht verboten sei. Damit ein Betrieb ausgeschlossen werden kann, muss der Bauer sich laut BÖWL zum Beispiel öffentlich menschenverachtend äußern und dabei Bezug auf seine Verbandsmitgliedschaft nehmen. Dies ist nach BÖWL-Informationen noch nicht vorgekommen.
Viel einfacher sei es zum Glück, die Rechtsextremen erst gar nicht in die eigenen Reihen eindringen zu lassen. Die meisten Bio-Verbände bestätigten, dass sie jetzt versuchen, Beitrittswillige daraufhin zu prüfen, ob sie rechtes Gedankengut vertreten. Dies sei durch die gute regionale Vernetzung fast immer möglich. "Man kennt sich", sagt ein Sprecher des Ökowinzerverbandes Ecovin.
Quelle: ntv.de, Moritz Seidel, AFP