"Ja, ich würde das wieder machen" Breivik brüstet sich mit seinen Taten
17.04.2012, 13:29 Uhr
Er würde es nach eigenen Angaben wieder tun: Anders Behring Breivik.
(Foto: REUTERS)
Der norwegische Attentäter Breivik verteidigt vor Gericht seinen Massenmord an 77 Menschen. Er habe "den raffiniertesten und spektakulärsten politischen Angriff in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg unternommen", so Breivik stolz. Die Getöteten seien keine "unschuldigen Kinder" gewesen, sondern verantwortlich für den Multikulturismus. Ausdrücklich bezieht er sich bei seinen Taten auf die Zwickauer NSU.

Immer wieder missachtet Breivik mit dieser Geste das Gericht. Verbieten kann man es ihm nicht, weil es ein Phantasie-Gruß ist.
(Foto: REUTERS)
Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik hat sich stolz über seine Attentate geäußert, bei denen er im vergangenen Sommer 77 Menschen umgebracht hatte. In seinen Ausführungen vor dem Gericht in Oslo begründete er das Massaker damit, dass es in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg keine wahre Demokratie mehr gegeben habe. Das Volk sei beschwindelt worden. Da eine friedliche Revolution nicht möglich sei, sei Gewalt die einzige Möglichkeit. Seine Attentate würde er wiederholen, sagte der rechtsradikale Islamhasser mit ruhiger Stimme. "Ja, ich würde das wieder machen."
Richter und Staatsanwaltschaft hörten mit versteinerter, ernster Miene zu. Zuvor hatte Breivik angegeben, seine vorbereiteten Formulierungen über sein Weltbild und seine Motive aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen im Gerichtssaal abgeschwächt zu haben.
"Das waren keine unschuldigen Kinder, sondern politische Aktivisten, die für den Multikulturismus arbeiteten", sagte Breivik zu seinem Massaker in einem Jugendcamp auf der Fjordinsel Utøya. Dort hatte der Angeklagte nach eigenem Geständnis 69 Teilnehmer eines Sommerlagers kaltblütig erschossen. Breivik verglich die sozialdemokratische Jugendorganisation AUF mit der Hitlerjugend. Richterin Wenche Elizabeth Arntzen unterbrach ihn sofort und forderte ihn auf, seine Formulierungen abzuschwächen.
Bezug auf Zwickauer Terrorzelle
Er begründete seine Tat auch damit, dass er habe Norwegen vor der Einwanderung von Muslimen schützen wollen. Ausdrücklich bezog sich Breivik auf die Zwickauer Terrorzelle NSU in Deutschland. "Es sind diese Ungerechtigkeiten, die mich, den Lasermann in Schweden und die NSU in Deutschland schafften", sagte der rechtsradikale Islamhasser.
Der als "Lasermann" bekanntgewordene Schwede John Ausonius hatte von 1991 bis 1992 mit einer Schusswaffe Jagd auf dunkelhäutige Opfer gemacht. Er wurde wegen Mordes und neun Mordversuchen zu lebenslanger Haft verurteilt.
Angehörige der Opfer beschwerten sich über den langen Vortrag und forderten den Angeklagten über ihre Anwälte auf, seine Stellungnahme abzukürzen. Breivik las mit ruhiger Stimme seine auf 13 Seiten vorbereitete Rede vor – einer Mischung aus Selbstrechtfertigung und wirren politischen Statements.
Zentrale Frage in dem Prozess ist, ob das Gericht ihm Schuldfähigkeit attestiert. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu 21 Jahre Haft. Andernfalls könnte der Mann lebenslang in der Psychiatrie untergebracht werden.
Laienrichter wird ausgeschlossen
Derweil ist für einen der Laienrichter der Prozess schon zu Ende. Das Gericht hielt den Mann für befangen. Er hatte im Internet die Todesstrafe für den Attentäter gefordert, sagte Richterin Arntzen. Bei Facebook hatte er einen Artikel der Zeitung "VG" mit den Worten kommentiert: "Die Todesstrafe ist die einzig gerechte in diesem Fall!" Der Laienrichter Thomas Indreboe wird ersetzt durch einen von zwei Ersatzschöffen.
Berichterstattung "im Grunde richtig"
Die ausführliche Berichterstattung über den Prozess gegen Breivik hatte in Deutschland ein gespaltenes Echo hervorgerufen. Die Innenexperten der Bundestagsfraktionen von Union und SPD verteidigten die mediale Transparenz jedoch grundsätzlich. "In einer freien Gesellschaft ist es so, dass Medien frei entscheiden", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Im Fall Breivik handle es sich um einen wichtigen Fall.
"Der gute Geschmack wird allerdings verletzt, wenn man so jemandem eine Bühne für seine Selbstdarstellung bietet", sagte Hartmann weiter und fügte hinzu: "In den USA ist derlei gang und gäbe". Dies sei jedoch "kein Grund, das nachzumachen". Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, sagte der Zeitung, er halte "die Berichterstattung dem Grunde nach für richtig". "Denn das ist eine ganz außergewöhnliche Tat, über die berichtet werden muss - auch mehrere Stunden", ergänzte der CSU-Politiker. Ob dies Grenzen überschreite, lasse sich nur im Einzelfall beurteilen. Zahlreiche Medien haben dem Fall bislang große Aufmerksamkeit geschenkt und übertragen aus dem Gerichtssaal.
Propagandawirkung bleibt gering
Der deutsche Extremismusforscher Dierk Borstel hält Sorgen vor einer starken Propagandawirkung durch Breiviks Thesen in rechten Kreisen für übertrieben. Die Attentate und Pamphlete des Norwegers fänden in der rechten Szene Deutschlands nur begrenzten Widerhall, meint der Bielefelder Politologe. "Für die meisten aus der Szene waren die 1500 Seiten von Breivik sicherlich zu viel", sagte Borstel über das Manifest, das der Norweger kurz vor der Tat ins Internet gestellt hatte. "Aber die Grundideen wie Überfremdung, weißes Europa, Pan-Europa oder Kampf gegen Muslime werden auch hier wahrgenommen. Im Kern ist es ein klassischer Rassismus."
"Breivik wird in der Szene schon wahrgenommen, allerdings sehr unterschiedlich", sagte Borstel. "Wenn man sich die Internetforen anschaut, reicht das Spektrum von Zustimmung – nach dem Motto: Da hat endlich mal jemand angefangen, den Kampf ernst zu nehmen – bis zum Spott, dass er einfach nur ein Verrückter sei, der es auch noch auf norwegische, also weiße Kinder abgesehen habe."
Allerdings sei zu befürchten, dass jetzt mancher prüfe, ob die Attentate vom 22. Juli 2011 ein Muster für eigene Taten sein könnten, sagte Borstel. "Hier sind wir dann beim Rechtsterrorismus und der Zwickauer Zelle." Der Zwickauer Neonazi-Zelle werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa