Weist Oslo Breiviks Freundin aus? Breivik hatte weitere Terrorziele
19.04.2012, 13:29 Uhr
Die von Breiviks Bomben zerstörten Gebäude in der Osloer Innenstadt werden saniert.
(Foto: REUTERS)
Tag vier: Massenmörder Breivik gesteht, er stehe nicht voll und ganz hinter seinem eigenen Manifest. Zudem nennt er weitere potenzielle Terrorziele, berichtet davon, dass er seinen Waffen Namen gab und verzichtet auf Bitten der Opfer-Angehörigen auf seinen "Gruß" vor Gericht. Unklarheit besteht indes darüber, ob Breivik eine deutsche Freundin hatte - die nun das Land verlassen musste.
Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik hatte neben dem Osloer Regierungsviertel mehrere andere Terrorziele in der engeren Wahl. Der erste Plan sei gewesen, drei Autobomben zu bauen, sagte Breivik am vierten Verhandlungstag. Als Ziele habe er sowohl das Hauptquartier der Arbeiterpartei, das Regierungsgebäude Stortinget, das Osloer Rathaus und ein Gebäude nahe der Zeitung "Aftenposten" überdacht und verworfen. Hier wären zu viele unschuldige Menschen in der Nähe gewesen.
Er habe auch an das königliche Schloss gedacht, das von der Arbeiterpartei für Staatsbesuche genutzt werde. Wichtig sei ihm aber gewesen, der königlichen Familie keinen Schaden zuzufügen. "Ich bin Anhänger der Monarchie", sagte der Massenmörder.
Verzicht auf rechtsextremen Gruß
Breivik hatte beim Betreten des Gerichts nicht wie üblich seinen Gruß mit ausgestrecktem rechtem Arm und geballter Faust gezeigt. Opfer-Angehörige hatten zuvor gegen den rechtsextremen Gruß protestiert. Sie hätten ihren Mandaten daraufhin gebeten, darauf zu verzichten, teilten die Anwälte des Angeklagten mit. Weil es sich um einen von Breivik selbst erfundenen Phantasiegruß handelt, gibt es keine Möglichkeit, diesen zu verbieten.
"Stehe nicht vollkommen hinter Manifest"
Bei seiner Aussage gab Breivik zu, nicht hinter allen Aussagen seines 1500 Seiten starken Manifests zu stehen. Er sei mit dem Dokument nicht ganz fertig geworden, es sei nur ein Entwurf, sagte der 33-Jährige. Auf die Frage von Staatsanwältin Inga Bejer Engh, ob er allem zustimme, was in dem Kompendium stehe, antwortete Breivik mit "Nein". "Sie haben 77 Menschen getötet, ohne ganz sicher über das zu sein, was im Manifest stand?", fragte Engh ungläubig. Breivik betonte, er stimme dem allermeisten zu.
Er habe beim Schreiben aber Rücksicht auf andere nehmen müssen. Das Manifest repräsentiere daher nicht seine Meinung, sondern die von vielen Europäern, sagte Breivik. Er hatte zuvor angegeben, von einem Netzwerk militanter Nationalisten mit dem Schreiben des Dokuments beauftragt worden zu sein. Nur Stunden vor den Terroranschlägen hatte der Massenmörder das Manifest mit dem Namen "2083 - Eine europäische Freiheitserklärung" per E-Mail an rund 1000 Adressaten versandt.
"Modern Warfare" zu Trainingszwecken
Breivik berichtet, dass er seinen Waffen Namen aus der nordischen Mythologie gegeben hatte: "Das (halb-automatische) Gewehr hieß Gungnir, wie der magische Speer des Gottes Odin, der nach jedem Wurf zurückkehrt, während ich die Glock (halb-automatische Pistole) Mjölnir nannte, nach dem Hammer von Thor, dem Gott des Krieges." Die Polizei hatte Breivik nach dem Massaker auf der Insel Utøya mit den Waffen festgenommen.
Er habe damit gerechnet, den Bombenanschlag in Oslo nicht zu überleben, sagte der geständige Massenmörder am vierten Prozesstag. "Ich habe die Wahrscheinlichkeit, den Angriff auf das Regierungsviertel zu überleben, auf unter fünf Prozent geschätzt." Er habe die Situation daher simuliert und geübt, wieder herauszukommen, unter anderem mit dem Computerspiel "Modern Warfare" ("Moderne Kriegsführung").
Deutsche Freundin ausgewiesen?
Am Rande der Verhandlung hatte die norwegische Polizei eine deutsche Sympathisantin Breiviks aus Norwegen ausgewiesen. Die junge Frau versuchte demnach am Montag in den Gerichtssaal zu kommen. Überprüfungen hätten jedoch ergeben, dass sie in Deutschland mehrmals wegen Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt worden sei, sagte der Polizist Jan Kvarme dem Fernsehsender TV2. Daraufhin sei die Frau zur unerwünschten Person erklärt, 24 Stunden lang in Haft genommen, am Dienstag zum Flughafen gebracht und nach Deutschland abgeflogen worden.
Sie habe behauptet, Breiviks Freundin zu sein, sagte der Sprecher. Zum Wahrheitsgehalt dieser Aussage lagen ihm aber keinerlei Informationen vor. Klar ist aber, dass die Frau ein Hotel für 14 Tage gebucht hatte. Zudem behauptete sie, Breivik Geld geschickt zu haben. Außerdem hatte sie laut Polizei ein Foto des Massenmörders mit Waffe bei sich. Den deutschen Behörden sei sie keine Unbekannte. Schon unmittelbar nach den Attentaten im Sommer vergangenen Jahres hatte es in der norwegischen Presse geheißen, Breivik habe eine Geliebte in Deutschland. Ein Nachweis dafür wurde nicht erbracht.
Der 33-jährige Breivik steht seit Montag vor Gericht. Mit einem Urteil wird nicht vor Mitte Juli gerechnet. Ihm droht die in Norwegen geltende Höchststrafe von 21 Jahren Haft - allerdings kann diese immer wieder verlängert werden, wenn der Inhaftierte als Gefahr für die Gesellschaft eingestuft wird. Sollte das Gericht in Oslo Breivik als unzurechnungsfähig einstufen, könnte er – möglicherweise für immer – in eine psychiatrische Einrichtung kommen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa