Politik

Attentäter zeigt keine Reue Breivik war auf Selbstmordmission

Der Massenmörder Anders Behring Breivik vor Gericht: Er würde nach eigener Aussage die Taten erneut begehen.

Der Massenmörder Anders Behring Breivik vor Gericht: Er würde nach eigener Aussage die Taten erneut begehen.

(Foto: AP)

Am zweiten Verhandlungstag im Prozess gegen den norwegischen Massenmörder Breivik tritt ein, wovor sein Anwalt zuvor warnte: Der Rechtsradikale schockiert die Prozessbeobachter, indem er mit seinen Taten prahlt. Von Bedauern ist nicht die Spur. In seiner Aussage am Nachmittag wird zudem klar: Breivik rechnete nicht damit, den 22. Juli 2011 zu überleben.

Selbstgerecht und voller Verachtung für seine Opfer hat sich der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik vor dem Gericht in Oslo verteidigt. Er brüstete sich der "spektakulärsten Operation eines militanten Nationalisten in Europa in diesem Jahrhundert" und prahlte mit seinen Attentaten, bei denen im vergangenen Sommer 77 Menschen in Oslo und einem Jugendcamp auf der Insel Utøya umkamen. Mehrfach unterbrach ihn die Richterin Wenche Elizabeth Arntzen und forderte ihn auf, sich zu mäßigen.

"Ja, ich würde das wieder machen", sagte der rechtsradikale Islamhasser. Seine Taten seien grausam gewesen und hätten viel Leid verursacht. Was jedoch wie Bedauern klingen könnte, hat in Breiviks wirrem Weltbild keinen Platz. Er habe gehandelt, um sein Land vor einem Bürgerkrieg zu bewahren, sagte der Attentäter und verlangt für sich einen Freispruch. "Das war Güte und nicht Bosheit, auch wenn die Methoden brutal waren." Er habe nicht erwartet, den Tag seiner Attentate zu überleben. Es sei eine Selbstmord-Mission gewesen.

Schmerzhaft klangen die Worte des Angeklagten den tief getroffenen Angehörigen der Opfer in den Ohren. "Das waren keine unschuldigen Kinder, sondern politische Aktivisten, die für den Multikulturismus arbeiteten", sagte Breivik zu seinem Massaker im Jugendcamp von Utøya, wo er kaltblütig 69 Teilnehmer getötet hatte. Als der 33-Jährige die sozialdemokratische Jugendorganisation AUF mit der Hitlerjugend verglich, unterbrach ihn die Richterin.

Anwälte wollen Selbstdarstellung unterbinden

In seiner Verteidigungsrede bezog sich Breivik auch auf die Zwickauer Terrorzelle NSU in Deutschland. Die Gegner von Einwanderung und Multikulturalismus hätten sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht frei äußern dürfen, sagte der 33-Jährige. "Es sind diese Ungerechtigkeiten, die mich, den Lasermann in Schweden und die NSU in Deutschland schufen."

Der als "Lasermann" bekanntgewordene Schwede John Ausonius hatte von 1991 bis 1992 mit einer Schusswaffe Jagd auf dunkelhäutige Opfer gemacht. Er wurde wegen Mordes und neun Mordversuchen zu lebenslanger Haft verurteilt. In Deutschland war im vergangenen Jahr eine beispiellose Mordserie der Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) aufgeflogen.

Angehörige der Opfer wandten sich während seines Vortrags per SMS an ihre Anwälte im Gerichtssaal. Breivik dürfe keine so große Bühne erhalten, sein Vortrag müsse gekürzt werden, forderten sie. Der Attentäter las mit ruhiger Stimme eine auf 13 Seiten vorbereitete Rede vor - eine Mischung aus Selbstrechtfertigung und wirren politischen Statements. Trotz Aufforderung seitens des Gerichts kürzte er sie nicht ab.

Facebook-Eintrag bedeutet Aus für Schöffen

Richter und Staatsanwälte hörten mit versteinerter, ernster Miene zu. Vor dem Gefängnis habe er keine Angst, betonte Breivik. "Ich wurde in einem Gefängnis geboren und habe mein ganzes Leben in einem Gefängnis gelebt." In Norwegen werde er gezwungen zuzusehen, wie seine eigene ethnische Gruppe zerstört werde.

Der zweite Prozesstag hatte mit einem Eklat begonnen: Einer der Laienrichter wurde wegen Befangenheit vom Prozess ausgeschlossen. Einen Tag nach den Anschlägen im vergangenen Jahr hatte er im sozialen Netzwerk Facebook die Meinung vertreten: "Die Todesstrafe ist das einzig Gerechte in diesem Fall!" Diese Reaktion könne "das Vertrauen in ihn als Richter schwächen", begründete das Gericht. An seine Stelle wurde ein Ersatzschöffe berufen.

Während der erste Prozesstag weltweit auf vielen Sendern live übertragen wurde, waren am zweiten Tag keine Kameras im Gerichtssaal zugelassen. Vor dem Prozess hatten Überlebende und Angehörige der Opfer kritisiert, Breivik werde eine öffentliche Bühne für seine menschenverachtenden Thesen gegeben.

Darf man Breivik diese Bühne bieten?

Die ausführliche Berichterstattung über den Prozess gegen Breivik hatte in Deutschland ein gespaltenes Echo hervorgerufen. Die Innenexperten der Bundestagsfraktionen von Union und SPD verteidigten die mediale Transparenz jedoch grundsätzlich. "In einer freien Gesellschaft ist es so, dass Medien frei entscheiden", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Im Fall Breivik handle es sich um einen wichtigen Fall.

"Der gute Geschmack wird allerdings verletzt, wenn man so jemandem eine Bühne für seine Selbstdarstellung bietet", sagte Hartmann weiter und fügte hinzu: "In den USA ist derlei gang und gäbe". Dies sei jedoch "kein Grund, das nachzumachen". Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, sagte der Zeitung, er halte "die Berichterstattung dem Grunde nach für richtig". "Denn das ist eine ganz außergewöhnliche Tat, über die berichtet werden muss - auch mehrere Stunden", ergänzte der CSU-Politiker. Ob dies Grenzen überschreite, lasse sich nur im Einzelfall beurteilen. Zahlreiche Medien haben dem Fall bislang große Aufmerksamkeit geschenkt und übertragen aus dem Gerichtssaal.

Propagandawirkung bleibt gering

Der deutsche Extremismusforscher Dierk Borstel hält Sorgen vor einer starken Propagandawirkung durch Breiviks Thesen in rechten Kreisen für übertrieben. Die Attentate und Pamphlete des Norwegers fänden in der rechten Szene Deutschlands nur begrenzten Widerhall, meint der Bielefelder Politologe. "Für die meisten aus der Szene waren die 1500 Seiten von Breivik sicherlich zu viel", sagte Borstel über das Manifest, das der Norweger kurz vor der Tat ins Internet gestellt hatte. "Aber die Grundideen wie Überfremdung, weißes Europa, Pan-Europa oder Kampf gegen Muslime werden auch hier wahrgenommen. Im Kern ist es ein klassischer Rassismus."

"Breivik wird in der Szene schon wahrgenommen, allerdings sehr unterschiedlich", sagte Borstel. "Wenn man sich die Internetforen anschaut, reicht das Spektrum von Zustimmung – nach dem Motto: Da hat endlich mal jemand angefangen, den Kampf ernst zu nehmen – bis zum Spott, dass er einfach nur ein Verrückter sei, der es auch noch auf norwegische, also weiße Kinder abgesehen habe."

Allerdings sei zu befürchten, dass jetzt mancher prüfe, ob die Attentate vom 22. Juli 2011 ein Muster für eigene Taten sein könnten, sagte Borstel. "Hier sind wir dann beim Rechtsterrorismus und der Zwickauer Zelle." Der Zwickauer Neonazi-Zelle werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen.

Quelle: ntv.de, jog/AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen