Wetten laufen auf Nachfolger Miliband Browns Rücktritt macht Weg frei
10.05.2010, 18:58 UhrPremierminister Brown tritt ab: Nach der Niederlage bei den Unterhauswahlen kündigt er an, als Chef der Labour-Partei zurückzutreten. Browns Rückzug ist für die Liberalen die Bedingung für eine mögliche Koalition. Doch auch die Konservativen legen mit einem Angebot an die Liberalen nach.
Vier Tage nach den Parlamentswahlen hat der britische Premierminister Gordon Brown seinen Rücktritt als Parteichef angekündigt. Der 59-Jährige sagte, er wolle damit den Weg für Koalitionsgespräche zwischen seiner Labour-Partei und den Liberaldemokraten freimachen. Es sei im Interesse des ganzen Landes, eine "fortschrittliche Koalition" zu bilden, fügte Brown hinzu.
Er werde den Posten als Parteivorsitzender bis zum Herbst niederlegen, sagte Brown. Der Grund für seinen Rücktritt sei, dass bei den Wahlen am Donnerstag keine der Parteien und kein Parteiführer die volle Unterstützung des Landes bekommen habe. "Als Chef meiner Partei muss ich akzeptieren, dass das ein Richterspruch war." Er werde außerdem die Labour-Partei bitten, den Prozess zur Auswahl seines Nachfolgers in Gang zu setzen. Ein Nachfolger sollte bis zum Parteitag im September gefunden werden, sagte Brown. Er werde in diesem "Wettbewerb" jedoch keine unterstützende Rolle mehr spielen.
Liberale begrüßen Rücktritt
Der Parteichef der britischen Liberaldemokraten, Nick Clegg, hat den angebotenen Rücktritt als "wichtig" für die Koalitionsgespräche bezeichnet. "Es muss eine schwierige Sache für ihn gewesen sein", sagte Clegg. "Aber ich denke, er hat im nationalen Interesse gehandelt und seine Ankündigung könnte ein wichtiges Element auf dem Weg zu einer stabilen Regierung sein."
In den Wettbüros wurde der amtierende britische Außenminister David Miliband als Nachfolger für Brown gehandelt. Bei dem Buchmacher Paddy Power lag Miliband vor seinem jüngeren Bruder Ed Miliband, der derzeit Energieminister ist. In dem Wettbüro wurde an zweiter Stelle nach Miliband der derzeitige Finanzminister Alistair Darling als neuer Labour-Parteichef gehandelt. Auch auf Schulminister Ed Balls und Innenminister Alan Johnson wurde gesetzt.
Doppelte Gesprächsführung
Mit Blick auf die Koalitionsgespräche sagte Brown, beide Parteien wollten gemeinsam einen Weg für eine Regierungsbildung suchen. Laut einem BBC-Bericht hatten sich Clegg und Brown am Montag getroffen. Die beiden Parteien stehen sich programmatisch näher als die Tories und die Liberaldemokraten. Clegg hatte jedoch immer wieder betont, es werde mit der Labour-Partei keine Zusammenarbeit geben, sollte Brown Parteichef bleiben. Die Lib Dems hatten am Wochenende gleichzeitig Gespräche mit den Konservativen geführt.
Die formellen Gespräche zwischen den "Lib Dems" und Labour sollten so schnell wie möglich beginnen, sagte Brown. Seiner Ansicht nach sei eine echte Koalition, bei der die Liberaldemokraten auch Ministerämter bekommen könnten, die beste Lösung für Großbritannien. Eine Koalition zwischen Liberalen und Labour hätte im Parlament allerdings nur eine schwache Mehrheit und wäre auf die Unterstützung weiterer kleiner Parteien angewiesen. Das Wahlsystem macht theoretisch auch eine Minderheitsregierung möglich, bei der die größere Partei von kleineren geduldet wird.
Konservative legen nach
Am Montagnachmittag hatten sich Hoffungen auf eine schnelle Einigung zwischen Konservativen und Liberal-Demokraten zerschlagen. Ein Unterhändler der Liberal-Demokraten sprach von einigen kritischen Punkten, bei denen seine Partei noch Nachbesserungsbedarf sieht - darunter mehr Bildungsausgaben, ein gerechteres Steuersystem sowie eine Reform des Wahlrechts. Der Sender Sky News hatte zuvor noch behauptet, Konservative und Liberal-Demokraten hätten sich bereits auf die "Umrisse einer Vereinbarung" verständigt.
Nach der Ankündigung von Koalitionsverhandlungen zwischen der britischen Labour-Partei und den Liberaldemokraten wollen nun auch die Konservativen mit Zugeständnissen locken. Die Tories boten den Liberalen am Abend einen Volksentscheid über ein neues Wahlsystem an. Die Reform des britischen Mehrheitsrechtes ist eine der zentralen Forderungen der Liberalen, die sich seit der Wahl am vergangenen Donnerstag zum "Königsmacher" entwickelt haben.
Drei Jahre im Amt
Die Tories unter ihrem Chef David Cameron waren aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen, hatten die für eine alleinige Regierungsbildung erforderliche absolute Mehrheit aber verfehlt. Sie kamen auf 306 Sitze, für eine absolute Mehrheit wären 326 Sitze nötig gewesen. Die seit 13 Jahren regierende Labour-Partei holte 258 Sitze. Die Lib Dems holten 57 Sitze. Beide kämen also auf nur 315 Sitze und müssten noch eine kleine Partei in die Koalition holen, etwa die nordirische Partei DUP, die über acht Mandate verfügt.
Brown hatte die Ämter des Premiers und Parteichefs 2007 von Tony Blair übernommen, hatte sich allerdings nie der Wahl durch das Volk stellen müssen. Innerhalb der Partei wurde die Ankündigung Browns positiv aufgenommen. Es sei eine "weise und tapfere" Entscheidung, sagte der Abgeordnete John Mann. Er war der erste gewesen, der am Samstag Browns Rücktritt gefordert hatte.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP