Atomindustrie nicht doppelt belasten Brüderle stellt sich gegen Röttgen
26.08.2010, 07:03 Uhr
Streitlustig: Brüderle stellt sich gegen seinen Kabinettskollegen Röttgen.
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Neuer Streit bei Schwarz-Gelb: Wirtschaftsminister Brüderle will die Atomkonzerne nicht weiter belasten. Im Gegensatz zu Umweltminister Röttgen lehnt Brüderle es ab, neben der Brennelemente-Steuer eine weitere Abgabe für die Energiewirtschaft einzuführen. Die Kosten für die Konzerne dürften nicht zu hoch sein, die Strompreise müssten bezahlbar bleiben.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle will die Atomkonzerne nicht über die geplante Brennelemente-Steuer hinaus mit einer Abgabe für Investitionen in erneuerbare Energieträger belasten. Es sei zwar richtig, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehöre, sagte Brüderle der "Bild"-Zeitung. Auch sei er immer der Ansicht gewesen, dass dafür "mindestens die Hälfte" der Zusatzgewinne aus einer Laufzeitverlängerung für Atommeiler abgeschöpft werden sollten. "Allerdings sollten wir den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen."

wie gehts weiter? Sicher ist nur, dass Schwarz-Gelb die Atomkraftwerke länger laufen lassen will.
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Die Bundesregierung will Ende September ihr Energiekonzept vorlegen, das unter anderem auch die Frage der Laufzeitverlängerungen regeln soll. Unklar ist noch, wie die Energiebranche an den Kosten der Atomkraft beteiligt werden soll. Neben einer Brennelementesteuer für die Betreiber von Atomkraftwerken ist ein weiterer Beitrag als Gegenleistung für die Laufzeitverlängerung im Gespräch. Unter anderem hatte sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen für eine solche Abgabe der Atomkraftwerksbetreiber ausgesprochen.
Der Koalitionsvertrag von Union und FDP sieht vor, dass die Konzerne Zusatzgewinne aus der Verlängerung von Akw-Laufzeiten teilweise zugunsten erneuerbarer Energien abführen sollen. Für die Brennelementesteuer sind 2,3 Milliarden Euro veranschlagt.
Brüderle gegen Röttgen
Brüderle begründete seine Ablehnung mit den Kosten für die Konzerne. Die Strompreise müssten auch künftig bezahlbar bleiben. "Energie darf kein Luxusgut sein", sagte der Wirtschaftsminister. Deutschland werde deshalb auch "die Kernenergie als Brückentechnologie noch einige Zeit brauchen". Auch mit Blick auf die Arbeitsplätze warnte der FDP-Politiker vor einer übermäßigen Belastung der Energieunternehmen: "Für sichere und neue Arbeitsplätze in Deutschland brauchen wir auch eine moderne und bezahlbare Energieversorgung. Wenn der Strom zu teuer ist, gehen Betriebe ins Ausland. Und das würde unseren Wohlstand gefährden."

Umweltminister Röttgen will die Atomkonzerne auch für die Sanierung des Lagers Asse bezahlen lassen.
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Wie Umweltminister Röttgen der ARD sagte, soll die Brennelementesteuer auch für die Sanierung des Atommülllagers Asse in Niedersachsen verwendet werden. "Es gibt zwei Zwecke. Der eine Verwendungszweck: Die Brennelementesteuer dient der Sanierung Asse, eines gescheiterten, maroden Endlagers." Außerdem solle die geplante Steuer der Konsolidierung des Haushaltes dienen. So stehe es im Beschlusstext des Kabinetts, sagte Röttgen.
Merkel scheut Festlegung
Dagegen will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Atomsteuer ausschließlich die klamme Finanzlage des Bundes verbessern. "Die 2,3 Milliarden Euro, die die Brennelementesteuer bringen soll, werden für die Sanierung, die Konsolidierung des Bundeshaushaltes verwendet", sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Merkel besucht heute auf ihrer "Energie-Reise" das Atomkraftwerk im niedersächsischen Lingen.
Die Kanzlerin wird in Lingen vom Chef des Energiekonzerns RWE, Jürgen Großmann, begleitet. Auch Bundesumweltminister Röttgen wird dabei sein. Die Atomwirtschaft wehrt sich heftig gegen die von der schwarz-gelben Regierung geplante Brennelementesteuer als Gegenleistung für die erwarteten Milliarden-Gewinne durch die längeren Laufzeiten der 17 deutschen Kernkraftwerke. Eine Einigung von Großmann und Merkel in Lingen wird nicht erwartet.
"Glatter Verfassungsbruch"
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf derweil Merkel den Versuch "eines glatten Verfassungsbruchs" vor. Merkels habe die Absicht, den ressortmäßig für die Sicherheit der Atomkraftwerke zuständigen Bundesumweltminister "von den eigentlichen Laufzeitverhandlungen auszuschließen", begründete Gabriel seine Kritik in der "Leipziger Volkszeitung". Dazu sei die Kanzlerin nicht befugt.
Gabriel sagte, Merkel beabsichtige "einen schmutzigen Deal mit der Atomwirtschaft: Sie will die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke gegen ein bisschen Haushalts-Geld verkaufen". Dass sich Röttgen das bis jetzt gefallen lasse, "kann ich mir nur damit erklären, dass er sich mehr um den Fortgang seiner parteipolitischen Karriere in Nordrhein-Westfalen kümmert als um die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke", sagte Gabriel, Vorgänger Röttgens im Bundesumweltministerium.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP