Belgien legalisiert Sterbehilfe Bundesärztekammer entsetzt
17.05.2002, 16:30 UhrMit Entsetzen hat die Bundesärztekammer auf das belgische Sterbehilfegesetz reagiert. Ihr Präsident Jörg-Dietrich Hoppe erklärte in Berlin: "In Europa ist eine ethische Abwärtsspirale in Gang gekommen, die immer mehr Länder erfasst". Ohne entschiedenen Widerstand werde es wohl eines Tages dazu kommen, "dass schwer kranke Menschen eine Genehmigung einholen müssen, um weiterleben zu können".
Hoppe sagte, es mache ihn fassungslos, dass Belgien die Tötung von dauerhaft psychisch Kranken erlauben wolle und damit sogar über die niederländische Gesetzgebung hinausgehe.
Auch das Bundesjustizministerium kritisierte die Legalisierung der Sterbehilfe in Belgien. Das Gesetz ziele "in die falsche Richtung", sagte ein Sprecher. Er betonte, dass sich die Bundesregierung bereits klar festgelegt habe, dass es in Deutschland keinen entsprechenden Handlungsbedarf gebe
Demgegenüber begrüßte die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) das neue Gesetz in Belgien. "Das ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einer Sterbekultur, die mit dem Anspruch auf eine verantwortliche Selbstbestimmung am Lebensende Ernst macht", erklärte DGHS-Vizepräsident Karl-Heinz Blessing.
Das belgische Parlament hatte am Donnerstagabend ein Sterbehilfe-Gesetz verabschiedet, das als das liberalste der Welt gilt. Das Gesetz erlaubt eine Tötung auf Verlangen für unheilbar kranke Patienten, die nicht in absehbarer Zeit sterben werden, sowie für Menschen mit andauernden psychischen Leiden.
Der Gesetzentwurf war heftig umstritten. 51 Abgeordnete votierten gegen die Vorlage, 86 dafür. Die oppositionellen Christdemokraten kündigten an, sie würden die Entscheidung möglicherweise vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten.
Umstritten war das Gesetz auch innerhalb der Regenbogen-Koalition aus Sozialisten, Grünen und Liberalen. "Ich werde nicht für das Gesetz stimmen, weil darin auch die aktive Sterbehilfe für nicht Todkranke vorgesehen ist", sagte die Grünen-Abgeordnete Yolande Avontroodt vor der Abstimmung. Sie kritisierte zudem, dass auch psychisch Kranke unter das Gesetz fielen.
Das Gesetz definiert Euthanasie als Akt einer dritten Partei, der das Leben einer Person nach deren Aufforderung absichtlich beendet. Ausgeführt werden darf dies von einem Arzt nur bei volljährigen Personen, die die Sterbehilfe explizit und freiwillig in Anspruch nehmen wollen.
Eine Heilung des Patienten muss ausgeschlossen sein. Überdies muss der Patient permanent physisch oder psychisch leiden. Wenn sich die Krankheit des Patienten noch nicht im Endstadium befindet, muss der behandelnde Arzt vor der Sterbehilfe einen zweiten Mediziner konsultieren, entweder einen Psychiater oder einen Spezialisten der Krankheit. Seinen Sterbewunsch muss der Patient schriftlich entrichten. Ist er dazu nicht fähig, muss eine Person seines Vertrauens den Wunsch niederschreiben. Zwischen dieser Erklärung und der Euthanasie muss mindestens ein Monat vergangen sein.
Quelle: ntv.de