"Kleine Lauffeuer" in Deutschland Bundesanwälte warnen vor Terror
18.12.2009, 14:24 UhrDie Bundesanwaltschaft ist beunruhigt. Die Drohungen von Islamisten in Deutschland sind bislang zwar ohne Folgen geblieben - einen Grund zur Entwarnung sehen die Bundesanwälte trotzdem nicht. Und auch die Zunahme linksextremistische Gewalt bereitet ihnen Sorge.
Generalbundesanwältin Monika Harms hat davor gewarnt, den islamistischen Terrorismus zu unterschätzen: "Wachsamkeit ist weiterhin angezeigt", sagte sie in Karlsruhe. Sie erinnerte an die Flut von kurz vor der Bundestagswahl im September. "Ich kann nur davor warnen, aus der Tatsache, dass die Wahl ohne Anschläge über die Bühne gegangen ist, den Schluss zu ziehen, entsprechende Droh- und Hetzkampagnen im Netz seien ungefährlich und blieben stets ohne Folgen. Grund für eine Entwarnung besteht aus unserer Sicht nicht."
Sorge bereite ihr die Tendenz, dass islamistisches Gedankengut von Einzelpersonen weiterverbreitet werde. Es handele sich um "kleine Lauffeuer", bei denen Organisationen wie El Kaida oder die Islamische Dschihad Union "allein durch einen Funkenflug aus der Ferne über das weltweite Netz" Anschläge auslösen könnten, wie etwa bei den Kölner Kofferbombern.
Deutliche Zunahme linksextremer Gewalt
Angesichts einer deutlichen Zunahme linksextremistischer Gewalt warnte die Bundesanwaltschaft zudem vor einer möglichen Terrorgefahr durch autonome Gruppen. Anschläge richteten sich verstärkt gezielt gegen Menschen und nicht nur gegen Sachen, sagte Bundesanwalt Rainer Griesbaum in Karlsruhe. Die Bundesanwälte haben deshalb die Ermittlungen gegen eine Gruppe von etwa zehn Linksextremisten wegen eines Brandanschlags auf eine Hamburger Polizeiwache an sich gezogen.
Bei dem Anfang Dezember sind die Täter laut Griesbaum "generalstabsmäßig" vorgegangen. Mit Brennstoff befüllten Flaschen, brennenden Mülltonnen und Pflastersteinen hätten sie gezielt die Beamten angegriffen und zudem versucht, sie in der Wache einzuschließen. Deshalb gehe die Bundesanwaltschaft von versuchtem Mord sowie einer versuchten besonders schweren Brandstiftung aus. Aus einem Bekennerschreiben ergebe sich, dass mit der Tat ein Fanal gesetzt werden sollte. "Es sollten Nachahmer gefunden und die Gewaltspirale in Gang gesetzt werden", sagte Griesbaum.
Nach seinen Angaben ist "noch nicht" von einer terroristischen Struktur der Gruppe auszugehen. Die juristischen Anforderungen seien hier sehr streng. Zwar weise die Tat selbst terroristische Strukturen auf. Das gelte allerdings nicht für die etwa zehnköpfige Gruppe, die mit brachialer Gewalt vorgegangen sei. Zuständig sei die Bundesanwaltschaft, weil der Anschlag "bestimmt und geeignet" sei, die innere Sicherheit Deutschlands zu beeinträchtigen. "Wir haben in dieser Tat im Moment die Spitze der Eskalation linksextremer und vielleicht linksterroristischer Gewalt", sagte Griesbaum.
Kundus-Ermittlungen dauern an
Harms kündigte darüber hinaus an, dass die Ermittlungen wegen der zivilen Opfer beim Luftangriff im afghanischen Kundus noch einige Zeit dauern werden. Angesichts der Fülle des Materials und der komplexen Rechtsfragen sei nicht mit einem raschen Abschluss der Auswertung zu rechnen, sagte Harms.
Bei dem Luftschlag, den der deutsche Oberst Georg Klein angeordnet hatte, waren am 4. September bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden, darunter viele Zivilisten. Die Bundesanwaltschaft prüft eine Strafbarkeit wegen eines Kriegsverbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch.
Becker spätestens im März auf der Anklagebank

(Foto: AP)
Im Falle der inhaftierten ehemaligen RAF-Terroristin Verena Becker sagte Harms, dass die Bundesanwaltschaft im ersten Quartal 2010 gegen sie Anklage erheben wolle. Becker werde Beteiligung an dem Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei seiner Beschützer im Jahre 1977 vorgeworfen, erklärte Harms.
Die oberste deutsche Anklagebehörde stütze sich auf neue Erkenntnisse aus verfeinerten Ermittlungsmethoden sowie auf Beweise aus einer Durchsuchung von Beckers Wohnung. "Damit ist nicht die Schützin oder der Schütze identifiziert", sagte Harms. Becker sitzt derzeit in Untersuchungshaft.
Bundesanwalt Griesbaum sagte, die Anklage werde spätestens im März erhoben, ungeachtet ob angeforderte Geheimdienstunterlagen bereitgestellt würden. "Wir sind angehalten, die bestmöglichen Beweise zu bekommen", sagte Griesbaum.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa