Mord an Armeniern 1915 Bundesregierung vermeidet das V-Wort
17.04.2015, 16:05 Uhr
(Foto: dpa)
War die Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren "Völkermord" oder waren es "Massaker und Gräuel"? In der Gedenkstunde in einer Woche will die Bundesregierung offenbar auf den ersten Begriff verzichten. In SPD und Union hadern viele damit .
Die Große Koalition verurteilt die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren scharf - den Begriff "Völkermord" verwendet sie aber offensichtlich mit Rücksicht auf das Verhältnis zur Türkei nicht. Dagegen regt sich Widerstand in den Fraktionen von Union und SPD. In dem Antrag für eine Gedenkstunde am 24. April heißt es: "Die Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs war die größte und folgenreichste Katastrophe in der mehrtausendjährigen Geschichte des armenischen Volkes." Ankara wird aufgefordert, die Fakten nicht weiter zu bestreiten.
Nächste Woche wird an den 100. Jahrestag des Beginns der Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich erinnert. Damals wurden nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Menschen getötet. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des osmanischen Imperiums lehnt die Einstufung als Völkermord vehement ab.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: "Die Gräuel der Vergangenheit lassen sich nicht auf einen Begriff oder den Streit um einen Begriff reduzieren." Er selbst sprach nicht von Völkermord, aber von "Massakern" und "Gräueln am armenischen Volk". Zugleich verwies der SPD-Politiker darauf, dass die Bemühungen um eine Erklärung des Bundestags noch nicht abgeschlossen seien.
Vor allem aus den Reihen der Union gibt es Kritik, dass übertrieben Rücksicht auf die Türkei genommen werde. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, warf der Bundesregierung "taktisches" Verhalten vor. Der CDU-Politiker sagte dem "Tagesspiegel": "Was seit langem Erkenntnis und Wissensstand ist, muss auch so benannt werden: Es hat vor einhundert Jahren einen Völkermord an den Armeniern gegeben."
Armenien wirft Türkei Leugnung vor
Im Streit um die Anerkennung der Massaker an den Armeniern als "Völkermord" kritisierte die Regierung der Südkaukasusrepublik die Türkei scharf. "Die Politik der Leugnung ist perspektivlos", sagte der armenische Außenminister Edward Nalbandjan. Die Türkei manövriere sich mit ihrer Haltung selbst ins Abseits.
Ende des 19. Jahrhunderts lebten im Osmanischen Reich als dem Vorläuferstaat der Türkei etwa 2,5 Millionen Armenier. Die osmanische Regierung sah in der christlichen Minderheit innere Feinde und begann 1915 mit der systematischen Vertreibung und Vernichtung der Armenier. 1987 stufte das Europaparlament die Tragödie als "Völkermord" ein. So sieht es auch mehr als ein Dutzend Staaten, darunter Frankreich, die Schweiz und die Niederlande.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa