Verbrechen an Armeniern Steinmeier redet um Völkermord herum
17.04.2015, 10:36 Uhr
Steinmeier will vergangene Gräuel "nicht auf einen Begriff" reduzieren - und schon gar nicht auf den Begriff "Völkermord".
(Foto: dpa)
Der Papst, die EU, das niederländische Parlament: Zahlreiche Persönlichkeiten und Institutionen beziehen klar Stellung zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich. Nicht so der deutsche Außenminister, der sein Ausweichen nebulös begründet.
Im Streit um die Wertung der Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als "Völkermord" hat sich nun auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu Wort gemeldet. Er vermied dabei, den von der türkischen Führung heftig kritisierten Begriff in den Mund zu nehmen. Bei einem Besuch in Estland sagte Steinmeier: "Die Gräuel der Vergangenheit lassen sich nicht auf einen Begriff oder den Streit um einen Begriff reduzieren."
Steinmeier verwies darauf, dass die Bemühungen um eine Erklärung des Bundestags noch nicht abgeschlossen seien. Die Bundesregierung verwendet den Begriff Völkermord nicht, was auch innerhalb der großen Koalition umstritten ist. Nächste Woche begehen die Armenier den 100. Jahrestag des Beginns der Verfolgung im Osmanischen Reich. Damals wurden nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Menschen umgebracht.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat den Bundestag nun aufgerufen, die Massaker an Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich klar als Völkermord einzustufen. Zahlreiche nationale Parlamente, jüngst etwa das niederländische, hätten ebenso wie das Europäische Parlament in Resolutionen und Beschlussfassungen den Genozid an den Armeniern klar benannt, schrieben die Wissenschaftler in einem offenen Brief. Auch der Papst hatte jüngst vom "ersten Völkermord" des 20. Jahrhunderts gesprochen und sich damit den Zorn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf sich gezogen.
"Auch dem Deutschen Bundestag stünde eine solche Haltung gut zu Gesicht", heißt es in dem Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen der Politikwissenschaftler Hajo Funke und der Historiker Norbert Frei. Einen ähnlichen Aufruf hatten zuvor die CDU-Politiker Erika Steinbach und Norbert Röttgen gestartet.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP