Politik

In weiten Teilen verfassungswidrig Bundesverfassungsgericht kippt BKA-Gesetz

Die Befugnisse des Bundeskriminalamts zur Terrorabwehr gehen dem Bundesverfassungsgericht zu weit. Karlsruhe erklärt das BKA-Gesetz in Teilen für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss fix handeln. Bis dahin setzen die Richter enge Grenzen.

Einmal mehr ist ein deutsches Sicherheitsgesetz in Karlsruhe auf massive Kritik gestoßen: Das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung durch das Bundeskriminalamt (BKA) sei in weiten Teilen verfassungswidrig, urteilten die Verfassungsrichter. Die Befugnisse der Behörde zur heimlichen Überwachung greifen in der Praxis unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger ein. Das Gericht machte zahlreiche Vorgaben, damit die Regelung vorerst weiter angewandt werden kann. Der Gesetzgeber muss sie bis Ende Juni 2018 nachbessern. Innenminister Thomas de Maziere sagte, er nehme das Urteil zur Kenntnis. Zugleich machte er Bedenken hinsichtlich der Vorgaben geltend.

De Maiziere betonte, dass die Befugnisse zur Abwehr des Terrorismus eminent wichtig seien. Einige der verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teile. Mit einigen der Einwände könne er leben. Bei anderen Regelungen bestehe er aber darauf, dass sie praktikabel anwendbar bleiben, sagte der CDU-Politiker. Er werde sich jedoch dafür seinsetzen, dass die aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten vollumfänglich ausgeschöpft würden. Ob die Änderungen noch in dieser Legislatur oder erst nach der Wahl 2017 angegangen werden, wird nun geprüft.

Durch das BKA-Gesetz wurde das Bundeskriminalamt 2009 für die Terrorabwehr zuständig. Vorher war die Abwehr künftiger Gefahren Sache der Länderpolizei. Die Verfassungshüter regelten nun in der Grundsatzentscheidung zum Datenschutz erstmals auch die Übermittlung von personenbezogen Daten an Staaten außerhalb der EU. Demnach muss das BKA dafür sorgen, dass eine ausländische Behörde die Daten "nicht zu menschenrechtswidrigen Zielen missbraucht". Damit waren die Beschwerden des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum, Abgeordneter der Grünen und anderer Kläger weitgehend erfolgreich.

Umfangreiche Eingriffe erlaubt

Das BKA-Gesetz von 2008 umfasst dem Gericht zufolge 14 Paragrafen mit 49 Absätzen, die zahlreiche Befugnisse des BKA zur heimlichen Überwachung bei der Abwehr des internationalen Terrorismus regeln. Das BKA darf dazu etwa Wohnungen Verdächtiger mit Kameras und Mikrofonen verwanzen und sie auch im Bad und Schlafzimmer rund um die Uhr bespitzeln.

Zudem ist dem BKA die Bespitzelung von unbeteiligten Kontaktpersonen erlaubt. Die Behörde darf Telefonate mithören, Computer heimlich online durchsuchen, alle Kommunikation, die per Computer geführt wird, aufzeichnen sowie gewonnene Daten an in- und ausländische Dienste weitergeben.

Wohnraumüberwachung wird eingeschränkt

Laut Urteil sind solche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte zur Terrorabwehr zwar grundsätzlich zulässig - allerdings nur, wenn sie das Verhältnismäßigkeitsgebot "strikt einhalten". Diesen Anforderungen werden allerdings viele der Ausführungsbestimmungen nicht gerecht. Das Gericht entschied, dass sie teils zu unbestimmt sind oder zu weit gehen, dass es an Transparenz oder richterlicher Kontrolle sowie der Pflicht fehlt, das Parlament und die Öffentlichkeit über Maßnahmen zu informieren.

Vor allem bei der Wohnraumüberwachung machte das Gericht strikte Vorgaben zur Datenerhebung und Datenauswertung, damit der "Kernbereich privater Lebensgestaltung" gewahrt bleibt. Demnach müssen dort gewonnene Daten zunächst von einer unabhängigen Stelle daraufhin geprüft werden, ob sie "höchstprivate Informationen" enthalten, bevor sie das BKA verwerten darf.

Nur Bedrohungen rechtfertigen Ausnahmen

Ausnahmen von solch einer Prüfpflicht sind bei "Gefahr im Verzug" möglich. Ähnliche Regeln forderte das Gericht für die Onlinedurchsuchung von Computern. Auch hier müssen unabhängige Stellen zunächst die Daten auf den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung hin prüfen.

Überdies ist die Überwachung einer Person außerhalb ihrer Wohnung, etwa mit Richtmikrofonen, Peilsendern oder durch V-Leute nur zulässig, wenn eine "konkrete Wahrscheinlichkeit" besteht, dass diese Person "in überschaubarer Zukunft terroristische Straftaten begeht". Dass langfristige Observationen laut Gesetz ohne eine richterliche Genehmigung bis zu einem Monat lang möglich sein sollen, kritisierte Karlsruhe ebenfalls als "unzureichend".

Zwei Richter widersprechen

Das Gericht erklärte zudem die Übermittlung von Daten ohne einen konkreten Verdacht an andere inländische Behörden für verfassungswidrig. Der Grund: Die Regelung beschränke die Übermittlung von Daten aus einer Wohnraumüberwachung oder Onlinedurchsuchung nicht auf die Verfolgung "gewichtiger Straftaten". Die Befugnisse des BKA zur Datenübermittlung an Verfassungsschutzämter, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst seien zudem "unverhältnismäßig weit".

Das Urteil erging mit sechs zu zwei Stimmen. Den Richtern Michael Eichberger und Wilhelm Schluckebier gehen die Einschränkungen zu weit. Nach Ansicht von Richter Eichberger müssten die Kontaktpersonen von Verdächtigen ihre Überwachung "in staatsbürgerlicher Inpflichtnahme" als "Sonderopfer für die öffentliche Gewährleistung von Sicherheit" hinnehmen.

Quelle: ntv.de, Jürgen Oeder, AFP

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