Politik

De Maizière und Westerwelle in Afghanistan Bundeswehr übergibt Feldlager Kundus

Die beiden Minister reisen erstmals gemeinsam nach Afghanistan.

Die beiden Minister reisen erstmals gemeinsam nach Afghanistan.

(Foto: Reuters)

"Hier wurde aufgebaut und gekämpft, geweint und getröstet, getötet und gefallen", sagt Verteidigungsminister de Maizière. Zusammen mit Außenminister Westerwelle übergibt er das Feldlager Kundus an afghanische Sicherheitskräfte. Beide sprechen von einer Zäsur.

Zehn Jahre nach Beginn des Einsatzes in Kundus hat die Bundeswehr ihr Feldlager in der nordafghanischen Unruheprovinz an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben. Damit endet offiziell der Einsatz deutscher Soldaten in der gefährlichsten Region Nordafghanistans. "In wenigen Tagen werden die letzten deutschen Soldaten und zivilen Mitarbeiter Kundus verlassen haben", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei der Zeremonie. An der feierlichen Übergabe nahm auch Außenminister Guido Westerwelle teil.

Bei seiner Ankunft in Kundus hatte De Maizière gesagt, dass der Einsatz eine Zäsur für die Bundeswehr und die deutsche Gesellschaft gewesen sei. "Kundus, das ist für uns der Ort, an dem die Bundeswehr zum ersten Mal gekämpft hat, lernen musste, zu kämpfen", erklärte er. "Auch wenn die Bundeswehr Kundus heute verlässt: Vergessen werden wir diesen Ort niemals." Insgesamt kostete der Afghanistan-Einsatz bislang 54 Bundeswehr-Soldaten das Leben, 35 davon starben bei Angriffen und Anschlägen. Die meisten Deutschen fielen in Kundus und der Nachbarprovinz Baghlan.

Bundeswehr-Soldaten patrouillieren kurz vor der Übergabe durch das Feldlager Kundus.

Bundeswehr-Soldaten patrouillieren kurz vor der Übergabe durch das Feldlager Kundus.

(Foto: dpa)

De Maiziere nahm die afghanische Polizisten und Soldaten in die Pflicht. "Wir hoffe n und erwarten, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheit in und um Kundus bewahren und notfalls wiederherstellen", mahnte der Minister. "Die Verantwortung, die wir an Sie, unsere afghanischen Partner, übergeben, ist groß". Deutschland wisse, was dies bedeute, habe großen Respekt vor der Tapferkeit und Standhaftigkeit der afghanischen Soldaten und Polizisten.

Der scheidende Außenminister Westerwelle betonte, dass sich das deutsche Engagement in Afghanistan bisher gelohnt habe und weiter fortgesetzt werde. "Vieles ist heute besser in Afghanistan, aber noch lange ist nicht alles gut", sagte er. "Wir kehren den Menschen in Afghanistan nicht den Rücken."

"Geweint und getröstet, getötet und gefallen"

Derzeit sind noch etwa 4000 deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert, 900 davon in Kundus. Zum Monatsende sollen sie das Lager komplett geräumt haben, das dann von der afghanischen Armee und Polizei genutzt wird. Der Bundeswehr bleibt in Nordafghanistan nur noch ihr Hauptquartier in Masar-i-Scharif. Kundus habe die Bundeswehr geprägt wie kaum ein anderer Ort, sagte de Maizière "Hier wurde aufgebaut und gekämpft, geweint und getröstet, getötet und gefallen."

An der Übergabezeremonie nahmen auch der afghanische Verteidigungsminister Bismillah Chan Mohammadi und Innenminister Umer Daudsai teil. De Maizière und Westerwelle reisten erstmals gemeinsam nach Afghanistan, um die Bedeutung der Übergabe des Feldlagers zu unterstreichen. Westerwelle ist nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag nur noch bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt.

Die Zeremonie findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Die afghanischen Soldaten und Polizisten dürfen nur mit entladenen Waffen daran teilnehmen. Der Grund: In der Vergangenheit hat es immer wieder tödliche Angriffe von afghanischen Sicherheitskräften auf Mitglieder der internationalen Schutztruppe Isaf gegeben. In einem Bundeswehrlager in der Provinz Baghlan waren 2011 drei Bundeswehrsoldaten von einem einheimischen Soldaten erschossen worden.

Abgeriegeltes Areal bleibt erhalten

Die Schließung des deutschen Feldlagers in Kundus ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Bundeswehr raus aus Afghanistan. Der Nato-Kampfeinsatz läuft Ende kommenden Jahres aus. Unter dem Namen "Resolute Support" (Entschlossene Unterstützung) plant die Nato eine kleinere Nachfolgemission, an der sich Deutschland mit bis zu 800 Soldaten beteiligen will.

Der Abzug der einst bis zu 5350 Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan hatte vor knapp zwei Jahren begonnen. In Kundus waren zu Spitzenzeiten 1420 deutsche Soldaten. Nach der Übergabe des Camps an die Afghanen soll die Bundeswehr ein abgeriegeltes Areal behalten, das sie als Basis etwa bei Einsätzen zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in der Region nutzen könnte. In diesem abgesperrten Bereich sollen bis zu 300 Soldaten unterkommen können. Dort werden aber keine deutschen Truppen dauerhaft stationiert. Allerdings sind noch internationale Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen vorgesehen, an denen sich Deutschland beteiligen will. Auf dem Gelände in Kundus wird die einheimische Polizei laut de Maizière mit Unterstützung der NATO ein Trainingszentrum einrichten.

Die Sicherheitslage in Kundus ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten wieder verschlechtert. Erst am Morgen war es dort zu Gefechten zwischen Taliban-Kämpfern und der Polizei gekommen. Aufständische hätten einen Mitarbeiter der bürgerwehrähnlichen Lokalpolizei ALP im Distrikt Char Darah angegriffen und getötet, sagte Distrikt-Gouverneur Salmai Faroki. Ein Bundeswehr-Sprecher in Kundus sagte, deutsche Soldaten seien nicht beteiligt.

Im Süden Afghanistans wurden derweil vier Soldaten der Nato-geführten internationalen Afghanistantruppe getötet. Das teilte das Militärbündnis mit. Genauere Angaben über die Identität der Opfer oder den Vorfall machte die Nato zunächst nicht. Nach afghanischen Angaben handelt es sich bei den getöteten Soldaten um vier Amerikaner.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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