Politik

"Hamburg ist nicht der Bund" Bunte Farbenspiele der Parteien

Die SPD reibt sich heftig an der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene in Hamburg. Das Bündnis sei "zusammengeschustert", sagte SPD-Chef Kurt Beck auf einem Bundeskongress des Arbeitnehmerflügels seiner Partei in Kassel.

Die Koalition sei "Industriefeindlichkeit, gepaart mit Kompromissen, die keine Probleme lösen". Beck warf den Grünen eine Politik gegen Arbeitnehmerinteressen vor. Die Grünen seien in wichtigen Positionen umgefallen. "Wenn andere Parteien eine solche Koalition gemacht hätten, wären sie scharf kritisiert worden", sagte Beck.

Umfallereien


"Das, was Ihr da an Umfallereien bei den Studiengebühren gezeigt habt, heißt, dass Ihr eine gemeinsame Position für die Macht geopfert habt. Ihr fallt den Menschen in den Rücken", kritisierte der SPD-Vorsitzende. Heftige Kritik kam auch von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Die Grünen-Spitze wies die Kritik zurück.


Die Hamburger Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und Grünen sei "energie- und umweltpolitisch fatal", sagte Gabriel der "Frankfurter Rundschau". Die Grünen würden mit ihrem Widerstand gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke "den Atomlobbyisten klammheimlich die Türen öffnen". Gabriel warf der Hamburger CDU vor, die Energiepolitik ihrer eigenen Kanzlerin Angela Merkel zu "torpedieren".

CDU und Grüne hatten die Zukunft des umstrittenen Kohlekraftwerks Moorburg im Koalitionsvertrag offen gelassen. Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) sagte der "Welt am Sonntag", er habe schon vor Jahren gesagt, "dass Schwarz-Grün eine gute Option ist".

"Kopf-an-Kopf-Rennen" 2009

Ungeachtet schlechter Umfragewerte für die SPD glaubt Beck an einen engen Ausgang der Bundestagswahl 2009. "Ich sehe die realistische Chance, dass es 2009 ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird", sagte er dem "Spiegel". "Ich erwarte, dass gegen die SPD keine Regierung gebildet werden kann." Im ZDF-"Politbarometer" vom Freitag war die SPD auf 27 Prozent gekommen, die CDU/CSU auf 42 Prozent.

Beck zeigte sich erneut für eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen offen. "Fest steht, Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit in Deutschland. Daher sind auch andere Konstellationen denkbar: Rot-Grün, oder eine Ampel-Koalition. Auch Guido Westerwelle sieht das bekanntlich so."

Ja und nein zur Linken

Beck verteidigte den Öffnungskurs der SPD gegenüber der Linken: "Gerade das schwarz-grüne Bündnis in Hamburg zeigt uns, dass wir es bei der CDU mit einem Gegner zu tun haben, der eiskalt Machtperspektiven sucht. Ohne jede Rücksicht auf Inhalte. Warum sollten wir uns dort, wo es verantwortbar ist, solche Perspektiven zumauern?" Es bleibe aber dabei, dass es im Bund keine Zusammenarbeit mit der Linken geben werde.

Für den Bundestagswahlkampf kündigte Beck eine harte Auseinandersetzung mit CDU und CSU an. "Die CDU hat kein Konzept. Das gilt genauso für die CSU. Wir werden den Menschen klarmachen, dass, wer CDU/CSU wählt, nicht weiß, was er kriegt."

Schwarz-gelbe Option

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hält eine Mehrheit für CDU und FDP bei der nächsten Bundestagswahl für erreichbar. "Schwarz-Gelb ist möglich", sagte er beim Landesparteitag der FDP Nordrhein-Westfalen in Münster.

Kanzleramtsminister Thomas de Maizire (CDU) sprach sich ebenfalls für eine Koalition von Union und FDP 2009 aus. Eine schwarz-grüne Koalition wie in Hamburg sei "neu, interessant, spannend und eine Option, aber kein Modell", sagte er der "Sächsischen Zeitung".

Grüne verteidigen Koalition

Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer hält die SPD-Kritik für "unehrlich und unsinnig". "Weder in der Schulpolitik noch bei der Ökologie noch im Justizbereich hätte die SPD in Hamburg in einer großen Koalition erreicht, was wir Grünen durchgesetzt haben", sagte er. Er warf Beck und Gabriel vor, sich "aufs hohe Ross" zu setzen.

Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast bekräftigte ihre ablehnende Haltung gegenüber einer schwarz-grünen Koalition im Bund. "Hamburg ist Hamburg, Hamburg ist nicht der Bund und Hamburg ist nicht Berlin", sagte sie beim Berliner Grünen-Landesparteitag.

Nicht am Rockzipfel der SPD

Die Entwicklung in Hamburg zeige aber, dass die Grünen "nicht mehr am Rockzipfel der SPD hängen". Sie wies Kritik am neuen Bündnis zurück. "Man muss die Courage zeigen, für die Sache einzutreten, nicht für Farbkombinationen", sagte sie den "Kieler Nachrichten". Der Parteilinke Robert Zion hatte davor gewarnt, dass die Grünen bis zu einem Drittel ihrer Wähler verlieren könnten.


Eine Zusammenarbeit mit der Union im Bund ist nach Künasts Auffassung "extrem unwahrscheinlich". Auch Co-Fraktionschef Fritz Kuhn sieht keine Chancen für ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene. Dafür seien die Differenzen in der Energiepolitik zu groß, sagte er den "Badischen Neuesten Nachrichten".

Hamburgs besondere Atmosphäre

Co-Fraktionschef Fritz Kuhn sieht ebenfalls keine Chance für ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene. Dafür seien die Differenzen in der Energiepolitik zu groß, sagte er den "Badischen Neuesten Nachrichten". Kuhn wertete die besondere Atmosphäre zwischen Grünen und CDU in Hamburg als ausschlaggebend für das Zustandekommen der Koalition. "Die gehen miteinander um, wie wir es bei Schröder nie erlebt haben", sagte er mit Blick auf die frühere rot-grüne Bundesregierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder (CDU), begrüßte hingegen das künftige Regierungsbündnis in Hamburg als positives Signal. "Es ist gut, dass es jetzt einen Testfall gibt. Das haben sich die Befürworter immer gewünscht", sagte er der "Berliner Zeitung". Die Union müsse für solche Konstellationen offen bleiben.

CDU und Grüne (GAL) in Hamburg hatten am Donnerstag ihre Verhandlungen für das bundesweit erste schwarz-grüne Regierungsbündnis auf Landesebene besiegelt. Die Parteigremien müssen den Koalitionsvertrag noch billigen.

Quelle: ntv.de

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