Bangen bei Gefangenenaustausch Buschmann fürchtete Vergiftung der Geiseln vor Abflug
06.08.2024, 07:12 Uhr Artikel anhören
Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt die freigelassenen Personen auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn.
(Foto: picture alliance/dpa/Bundesregierung)
Selbst als sich die freigelassenen Geiseln auf deutschem Boden befanden, fürchtete Justizminister Buschmann weiterhin um ihr Leben. Seine Angst war, dass der russische Geheimdienst sich nicht an die Abmachung halten würde.
Beim Gefangenenaustausch mit Russland hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann bis zum Schluss Zweifel, ob sich die russische Seite an die Abmachung halten würde. "Nicht einmal als das Flugzeug mit den befreiten Gefangenen in Köln/Bonn gelandet war, konnten wir sicher sein", sagte der FDP-Politiker im Interview mit dem "Stern". Schließlich setze der russische Geheimdienst FSB regelmäßig Gift ein, "um Leben oder Gesundheit von Menschen direkt oder indirekt auf die perfideste Art und Weise zu zerstören".
Nach der Landung in Deutschland habe man deshalb die Befreiten ärztlich untersuchen lassen: "Das war persönlich meine große Sorge: dass Russland sie vor dem Abflug vergiftet hat. Aber nach dem, was wir bislang wissen, ist das Gott sei Dank nicht der Fall."
Der Bundesjustizminister rät Deutschen von Reisen nach Russland ab. "In Russland ist schon seit Längerem niemand mehr sicher. Und ich rate allen dringend davon ab, sich ohne zwingende Notwendigkeit in ein Land zu begeben, in dem niemand sicher ist", so Buschmann: "Ich kann niemandem die Sorge nehmen, dass Putin weitere politische Gefangene machen wird."
Er glaube aber nicht, dass der Austausch das Risiko erhöht habe. "Unter Wladimir Putin sind knapp 40 Journalisten umgebracht worden. Unzählige sind willkürlich inhaftiert worden", sagte Buschmann: "In diesem Land gab es schon vor diesem Austausch keine Sicherheit mehr."
"Daraus entsteht keine Erpressbarkeit"
Auch sieht er keinen Präzedenzfall in dem Gefangenenaustausch. "Präzedenz ist ja in erster Linie ein Begriff aus dem anglo-amerikanischem Recht. Wenn ein US-Gericht einmal in einer Weise entschieden hat, muss es sich daran festhalten lassen", sagte der Bundesjustizminister dem "Stern" weiter. "Auf unsere politische Entscheidung, die wir hier getroffen haben, kann sich aber niemand berufen, auch Wladimir Putin nicht."
Der FDP-Politiker wies Kritik zurück, der zufolge sich Deutschland durch die Freilassung des "Tiergarten-Mörders" für künftige ähnliche Situationen erpressbar gemacht haben könnte. "Es war in dieser spezifischen Einzelfallsituation unsere Überzeugung, dass die Vorteile die beachtlichen Gegenargumente überwiegen. Daraus entsteht keine Erpressbarkeit", so Buschmann: "Putin kann sich nie darauf verlassen, dass er einfach nur beliebige Pakete willkürlicher Gefangener zusammenschnüren kann, um uns zu irgendetwas zu bewegen, was wir nicht tun wollen. Wir entscheiden souverän."
Bei dem Gefangenenaustausch hatten Russland und Belarus 16 Menschen freilassen, darunter Journalisten und Oppositionelle. Fünf von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Von den Freigelassenen kamen 13 am Flughafen in Köln/Bonn an, die anderen an einem Militärflughafen in den USA. Im Gegenzug wurden acht im Westen inhaftierte Personen, darunter der in Deutschland zu lebenslanger Haft verurteilter "Tiergarten-Mörder", sowie zwei Minderjährige an Moskau übergeben.
Quelle: ntv.de, hul