Hälfte Illegaler wird abgewiesen Merz fordert von Scholz Machtwort bei Zurückweisungen
06.09.2024, 18:14 Uhr Artikel anhören
Die Union macht beim Thema Migration weiterhin Druck auf die Ampel, derzeit besonders bei Zurückweisungen an der Grenze. Hier solle Kanzler Scholz endlich ein Machtwort sprechen, fordert CDU-Chef Merz. Aktuelle Zahlen zeigen allerdings, dass die Behörden längst konsequent vorgehen.
Im Ringen um ein härteres Vorgehen bei der Migration nimmt CDU-Chef Friedrich Merz nun Kanzler Olaf Scholz persönlich in die Pflicht. Er forderte ihn auf, in der umstrittenen Frage der Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze notfalls ein Machtwort zu sprechen. Mit Blick auf das für den kommenden Dienstag anvisierte neue Migrationsgespräch sagte Merz in Neuhardenberg: "Wenn der Bundeskanzler einen Konsens in seiner Regierung erzielt bis dahin, ist das gut. Wenn er ihn nicht erzielt, kann er von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und sagen: Das machen wir jetzt so."
"Er hat uns dabei an seiner Seite. Wir werden das unterstützen", ergänzte der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag bei der Klausur des geschäftsführenden Vorstands der Fraktion. Merz betonte erneut, dass Grenzkontrollen und das Zurückweisen von Flüchtlingen die Voraussetzung dafür seien, dass die Unionsvertreter an einem weiteren Migrationsgespräch von Regierung, Opposition und Ländern teilnehmen. Dieses Zurückweisen müsse "umfassend, nicht irgendwie und ein bisschen" sein.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, es seien nicht alle drei Ampel-Parteien, die hier keine Bereitschaft zeigten. "Es scheitert offensichtlich an einer Partei, an den Grünen." Dobrindt forderte Scholz auf, diesen Koalitionspartner "unter Kontrolle zu bringen".
Deutschland weist Hälfte der Illegalen an Grenze ab
Tatsächlich hat die Zahl der Zurückweisungen illegaler Einwanderer an deutschen Grenzen bereits zuvor massiv zugenommen. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Zahlen des Bundesinnenministeriums, die die linke Bundestagsabgeordnete Clara Bünger erfragt hatte.
Demnach wurden in den ersten sechs Monaten 2024 mehr als die Hälfte der Menschen, die unerlaubt eingereist sind, wieder in die Nachbarländer zurückgeschickt. 2023 seien es lediglich knapp 28 Prozent gewesen. Konkret registrierten die Behörden an den deutschen Grenzen im ersten Halbjahr 42.307 unerlaubt Einreisende, 21.661 von ihnen wurden zurückgewiesen. Im Jahr 2023 hatte die Bundespolizei noch fast 128.000 unerlaubte Grenzgänger aufgegriffen und 36.000 von ihnen zurückgewiesen.
Auch die Zahl derjenigen, die an der Grenze um Asyl bitten, ist laut SZ gesunken: Nahmen die Behörden 2023 noch bei 45 Prozent der Aufgegriffenen ein Asylgesuch auf, taten sie das im ersten Halbjahr 2024 nur bei 23 Prozent.
FDP hofft auf Absprachen zu Zurückweisungen
Die FDP-Bundestagsfraktion setzt in der Migrationspolitik stark auf die nächste gemeinsame Runde von Bundesregierung, Union und Ländern. "Die Menschen erwarten, dass wir Ordnung und Kontrolle in die Migrationspolitik bekommen, und jetzt ist es unsere Aufgabe als demokratische Parteien, das auch gemeinsam umzusetzen", sagte der Vorsitzende Christian Dürr zum Abschluss der Herbstklausur seiner Fraktion in Hamburg.
Ganz besonders wichtig sei, dass Drittstaaten besser in die deutsche und europäische Asyl- und Migrationspolitik einbezogen würden und "dass wir diese Kontrolle über die Grenzen zurückerlangen". Dazu gehörten insbesondere Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, die ja abseits der Straßen grüne Grenzen seien. "Deswegen müssen wir innerhalb der Runde auch darüber beraten, wie die Zurückweisungen so effektiv sein können, dass wir (...) Ordnung und Kontrolle wiedererlangen." Auch mit Blick auf die Wirtschaft sagte Dürr: "Es muss leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten."
Baerbock: "Terrorismus bekämpft man nicht im Panikmodus"
Außenministerin Baerbock mahnte derweil zur Differenziertheit bei asylpolitischen Maßnahmen. "Vorschläge, die hart klingen, aber nicht umsetzbar sind, weil sie gegen Grundgesetz oder Europarecht verstoßen, eignen sich vielleicht für populistische Überschriften, machen unser Land aber keinen Deut sicherer", sagte die Grünen-Politikerin dem "Spiegel" mit Blick auf Forderungen aus der Union nach Verschärfungen im Asylrecht.
"Terrorismus bekämpft man nicht im Panikmodus", sagte Baerbock weiter. Kritik übte Baerbock an der Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einem "faktischen Aufnahmestopp" von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan, die der Unionsfraktionschef nach der Messerattacke in Solingen vorgebracht hatte. "Mir ist unerklärlich, was Vorschläge sollen, die pauschal auf alle Syrer abzielen und nicht zwischen einem islamistischen Mörder und einer Familie, die vor dem IS aus Syrien geflohen ist, unterscheiden."
Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte auf eine Frage zu Merz: "Also mein Stil wäre das nicht, mit Ultimaten zu arbeiten", auch wenn er glaube, Merz habe dies wieder zurückgenommen. Es gehe bei den Diskussionen zur Migration darum, einen Gesprächsraum zwischen Regierung und Opposition zu eröffnen. "Da verrät sich jeder selbst, wenn er den immer wieder kleiner macht."
Quelle: ntv.de, als/dpa