Politik

Härte gegen Jugendgewalt CDU bringt sich in Stellung

Die CDU-Spitze hat sich angesichts eines prognostizierten Wahldebakels in Hessen zu neuen Wahlversprechen durchgerungen. So sprach sich der CDU-Bundesvorstand auf seiner Klausur in Wiesbaden geschlossen für ein schärferes Jugendstrafrecht, ein höheres Kindergeld und Steuersenkungen aus. In der sogenannten "Wiesbadener Erklärung" verlangt die CDU unter anderem einen "Warnschussarrest", maximal 15 statt 10 Jahre Jugendstrafe bei schwersten Verbrechen und eine schnellere Abschiebung von Ausländern. Sie sollen bei einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zwingend ausgewiesen werden können.

Damit stützt die CDU den Wahlkampf von Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Zwei ausländische Jugendliche hatten in München vor Weihnachten einen Rentner brutal überfallen. Koch sagte: "Eine schnellere Abschiebung ist am Ende für einige wenige, die in einer solchen Dramatik Straftaten begehen, die richtige Forderung." Darauf, dass die angesprochene Zielgruppe hauptsächlich aus Jugendlichen besteht, die in Deutschland geboren wurden, einen deutschen Pass besitzen und somit nicht abgeschoben werden können, geht Koch nicht ein.

Mehr Kindergeld – weniger Steuern

Die Regierungspartei CDU fordert auch ein höheres Kindergeld und eine Einkommensteuerreform. Das Kindergeld soll spätestens zum 1. Januar 2009 steigen. Über die Höhe einer möglichen Steigerung schweigt sich die CDU aus und will dies voraussichtlich im Herbst, also frühestens nach der Bayern-Wahl am 28. September, entschieden. Bis 2009 soll schließlich auch ein Eckpunktepapier für eine Steuerreform mit niedrigeren Steuersätzen vorliegen. Die CDU spricht sich auch für ein Mindesteinkommen aus, lehnt aber Mindestlöhne ab.

Schäuble rudert zurück

Mit Blick auf ein schärferes Vorgehen gegen Jugendgewalt sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble dem Magazin "Focus", es habe zwischen Koch und ihm "nie Differenzen" gegeben. Der Maßnahmenkatalog des hessischen Regierungschefs sei innerhalb der Union "völlig unstreitig". Schäuble hatte zuvor im Radiosender Bayern 2 zu bedenken gegeben, Defizite gebe es eher bei der konsequenten Anwendung der vorhandenen Gesetze.

Differenzierte Betrachtung angemahnt

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) verlangte von seinen Parteifreunden in dem Magazin "Besonnenheit und eine angemessen differenzierte Betrachtung, vor allem, wenn es um Jugendliche mit Migrationshintergrund geht". Die Erfolge bei der Integration dürften nicht vergessen werden "durch eine Fokussierung der Debatte über Straftäter, die nur eine Minderheit darstellen". Die überwiegende Mehrheit sei gut integriert.

Kritik an der Justiz

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kritisierte im "Focus" auch die Justiz. Mitverantwortlich für die Gewaltmisere bei Migranten seien zu lasche Richter, die junge kriminelle Ausländer als "Opfer spätkapitalistischer Produktionsweise" betrachteten. Diesen Alles- Verstehern und Verzeihern, gehe es nur um die Psyche des Täters, die Psyche des Opfers sei etlichen Richtern "scheißegal".

Lediglich "populistisch motiviert"

Anstelle der von Unionspolitikern geforderten Verschärfung des Jugendstrafrechts fordert der Kriminologe Prof. Bernd Maelicke eine bessere Betreuung für junge Straftäter. "Wir haben ein Vollzugsdefizit in der Praxis und keinen gesetzlichen Regelungsbedarf", sagte der an der Universität Lüneburg lehrende Strafvollzugsexperte. Als "kriminologisch völlig verfehlt und nur populistisch motiviert" bezeichnete er die diskutierte Einführung eines sogenannten Warnschussarrestes zusätzlich zur Bewährungsstrafe.

Bloßes Wegsperren von Jugendlichen provoziert Maelicke zufolge eher Gewalt und gehe einher mit hohen Rückfallquoten. Das Jugendstrafrecht basiere aber auf Erziehung und nicht auf Abschreckung, die nicht erreichbar sei und dem Menschenbild des Grundgesetzes widerspreche.

"Bundesweit sitzen 6000 Jugendliche in Strafanstalten, von denen mindestens die Hälfte besser in Wohngruppen oder in ambulanter Hilfe und Kontrolle aufgehoben wäre." Wenn sich eine kriminelle Karriere abzeichnet, müsse sofort eine intensive Betreuung einsetzen. "Was der Täter braucht und schon als Kind nicht hatte, sind soziale Bindungen." Er müsse permanent persönlich gefordert und in positiven Verhaltensweisen bestärkt werden. "In diese Systematik passt ein Warnschussarrest gar nicht herein", kritisierte Maelicke.
Grundsätzlich gebe es in der Öffentlichkeit eine verzerrte Wahrnehmung. "Die Fälle, die wir diskutieren, sind Einzelfälle, die Gesamtkriminalität ist nicht gestiegen."

Quelle: ntv.de

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