Politik

Beust grenzt sich ab CDU in Selbstzerfleischung

Nach dem CDU-Wahldesaster von Hessen hat Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel den umstrittenen Wahlkampf von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auch gegen innerparteiliche Kritik verteidigt. Jugendkriminalität sei im Wahlkampf zu Recht thematisiert worden, sagte Merkel im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Ich stand und ich stehe dazu." Dieses Thema sei auch in Zukunft nicht zu "tabuisieren". Der Wahlkampf Kochs habe die "volle Unterstützung der CDU und meine als Vorsitzende" gehabt. Grünen-Chefin Claudia Roth warf der Kanzlerin daraufhin vor, sie wolle "bei den Ultra- Konservativen" punkten. Ihr "Treueschwur" für Koch mache die Integrationspolitik "endgültig zur Makulatur".

Ein Brief von 17 Unionspolitikern zur Integration sorgt zunehmend für Zündstoff in der CDU. Drei Wochen vor der Hamburger Bürgerschaftswahl grenzt sich der CDU-Bürgermeister der Hansestadt im Gegensatz zu seiner Parteivorsitzenden von Kochs Wahlstil ab. "Wir führen einen Wahlkampf, der sehr ähnlich ist und an das angelehnt ist, was Christian Wulff typisch norddeutsch in Niedersachsen gemacht hat", sagte Ole von Beust in Berlin. Dabei gehe es um "eine gute Bilanz, eine hohe persönliche Akzeptanz, und das alles in ruhiger, ausgeglichener norddeutscher Gelassenheit".

Beust hat den Brief mitunterschrieben. Der Hamburger Bürgermeister wies allerdings zurück, dass sich der Brief gegen Koch richte. "Es geht nicht um Hessen und Roland Koch", sagte Beust. "Es ging darum, die Erfolge unserer Integrationspolitik darzustellen."

Streit zwischen Hamburg und Hessen

Gleichwohl löste der offene Brief einen heftigen Streit zwischen Hessen und Hamburg aus. Der hessische Bundesratsminister Volker Hoff (CDU) zeigte sich empört. Hoff sagte laut Medienberichten, es sei unerträglich, dass Koch von den eigenen Parteifreunden beschädigt werde, während die FDP weiter zu ihm stehe. Hamburgs Staatsrat Reinhard Stuth (CDU) habe entgegnet, das hessische Wahldebakel sei eine schwere Hypothek für den CDU-Wahlkampf in Hamburg. Stuth berichtete, tatsächlich habe Hoff in der Sitzung unter Hinweis auf Berichte einen Bericht in der "Hessisch- Niedersächsischen Allgemeinen" und im "Münchner Merkur" gesagt, in dem Artikel stünden Sachen, die sehr unfreundlich seien. "Es stellte sich aber heraus, dass er eine Fassung hatte, die überhaupt nicht mit der Fassung übereinstimmte, die tatsächlich abgedruckt wurde."

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) attackierte die 17 Parteifreunde, die den Brief unterzeichnet hatten. Der "Bild-Zeitung" sagte Schönbohm: "Dieser Brief empört mich. Noch am 5. Januar haben Präsidium und Bundesvorstand der CDU die Wiesbadener Erklärung verabschiedet. Einstimmig! Da waren alle dabei, die jetzt unterschrieben haben - Ole von Beust, Friedbert Pflüger und die anderen Brüder." In der Wiesbadener Erklärung hatte die CDU Kochs Positionen zur Jugendkriminalität ausdrücklich unterstützt.

Schönbohm bemängelte andererseits insbesondere den Einsatz des CDU-Wahlplakats mit der Aufschrift "Ypsilanti, Al Wazir und die Kommunisten verhindern!". Er könne die Kritik daran nachvollziehen, sagte Schönbohm im SWR Fernsehen. "Koch hat Fehler gemacht. Die starke Polarisierung hat dazu geführt, dass die Gesprächsfähigkeit zwischen den Parteien nach der Wahl sehr eingeschränkt ist."

Der bayerische Europaminister Markus Söder (CSU) nannte den Brief ein "falsches Signal". Söder sagte der "Bild"-Zeitung: "Kampf gegen Kriminalität bleibt ein Kernthema der Union. Konservative Politik müssen wir deshalb auch weiter konsequent und glaubwürdig vertreten - auch im Wahlkampf!"

Unentschiedene Briefeschreiber

Ähnlich wie Beust versuchen auch andere Brief-Unterzeichner, den Eindruck zu entkräften, er richte sich gegen Koch. Sie betonten, sie hätten sich primär gegen den Eindruck wehren wollen, die Union stehe nicht für Integration. Der Berliner CDU-Politiker Friedbert Pflüger meinte: "Das ist keine Korrektur von Koch, allenfalls eine Ergänzung." Ähnlich äußerte sich Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU).

Der Initiator des Briefs, NRW-Integrationsminister Armin Laschet, nannte als den "eigentlichen Adressaten" eine Gruppe prominenter türkisch-stämmiger Deutscher, die der Union in einem offenen Brief in der Wochenzeitung "Die Zeit" zuvor Populismus in der Ausländerpolitik vorgeworfen hatte. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) haben die Unterzeichner aus der CDU aber durchaus beabsichtigt, Missverständnisse, aus der Welt zu schaffen, die durch Kochs Wahlkampf ausgelöst worden seien.

Der Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) kritisierte den Brief und warnte vor negativen Folgen für die CDU. CSU- Vize Horst Seehofer übte ebenfalls Kritik. "Statt offene Briefe zu schreiben, sollte man Kritik dort anbringen, wo Wahlen analysiert werden - hinter verschlossenen Türen", sagte er dem "Münchner Merkur".

SPD sieht Zynismus

Aus der SPD kam ebenfalls heftige Kritik. Parteichef Kurt Beck nannte den offenen Brief "schon fast Zynismus". Die Kritiker hätten Koch "vorher in den Arm fallen müssen", sagte Beck im saarländischen Saarwellingen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil erklärte in Berlin, der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust und andere hätten abwarten wollen, "ob mit rechten Sprüchen doch noch ein paar Wählerstimmen zu holen sind. Weil das daneben ging, wollen sie die CDU jetzt wieder aus der rechten Ecke holen und ihre eigene Haut retten."

Quelle: ntv.de

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