FDP düpiert CDU will zweite Atomabgabe
23.08.2010, 14:53 UhrDie Atomindustrie wird im Streit über die Einführung neuer Energiesteuern wie geplant doppelt belastet. Sie wird über die Brennelementesteuer hinaus auch zur Förderung der Erneuerbaren Energien zur Kasse gebeten. Damit stellt sich die CDU einem neuen Konflikt mit der FDP, die die Atomindustrie entlasten wollte.

Ein Modell eines Brennelements mit Brennstäben ist im Besucherzentrum des AKW Krümmel zu sehen.
(Foto: dpa)
Die Atomindustrie kommt offenbar nicht - wie von ihr erhofft - um eine zweite Kernenergieabgabe herum. Das stellte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe klar. "Es wird einen solchen Beitrag - ja, auch über die Brennelementesteuer hinaus - geben", sagte Gröhe nach einer Vorstandssitzung seiner Partei in Berlin.
Damit erscheint ein neuer Konflikt mit dem Koalitionspartner FDP programmiert. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte zuvor gesagt, die Atomindustrie solle nach dem Willen seiner Partei über die jährlich durch die Brennelementesteuer geplanten 2,3 Milliarden Euro hinaus keine Abgaben für längere Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke zahlen. Auch die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, dass es keine solche Abgabe geben werde und sich somit die Energiekonzerne in den Verhandlungen mit der Regierung durchgesetzt hätten.
Über den Umfang der zweiten Abgabe machte Gröhe zunächst keine Angaben. Noch im Juli hatte es in der schwarz-gelben Koalition geheißen, dass zusätzlich zur Brennelementesteuer mit einem Volumen von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr zur Haushaltssanierung eine zweite Abgabe "in ähnlicher Größenordnung" geplant sei. Mit diesem zweiten Obolus sollte ein Teil der immensen Zusatzgewinne abgeschöpft werden, die die Atomkonzerne durch die Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten erzielten. Das Geld sollte in die weitere Erforschung erneuerbarer Energien fließen.
Vor allem in der FDP war aber befürchtet worden, dass damit die Belastungsgrenze der betroffenen Unternehmen überschritten werden könnte. Durch die Kombination gleich zweier zusätzlicher Abgaben sowie teurer neuer Sicherheitsanforderungen könne der Betrieb einzelner Kraftwerke unrentabel werden. So würde die schwarz-gelbe Regierung ihren Beschluss, die Restlaufzeiten der Atommeiler zu verlängern, ad absurdum führen.
Beschluss erst Ende September
Die Brennelementesteuer werde zwar wie geplant am 1. September im Bundeskabinett vorliegen; das Kabinett werde diese Steuer aber außerhalb des Haushaltbegleitgesetzes behandeln und zunächst nur zustimmend zur Kenntnis nehmen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Die genaue Ausgestaltung und der Beschluss kommt dann im Kabinett Ende September."

Die Kernkraftwerke Isar 1 (r) und Isar 2.
(Foto: dpa)
Noch würden aber Gespräche auch über andere Mittel als diese Steuer geführt. Mit dem Energiekonzept Ende September könnte dann auch klar werden, ob weitere Anstrengungen zur Förderung der Erneuerbaren Energien gemacht würden - und wer diese unternehme. Eine weitere Beteiligung der Industrie könnte ein zweiter Schritt sein, sagte Seibert.
Im Koalitionsvertrag hatten sich die Regierungsparteien darauf festgelegt, bei einer Laufzeitverlängerung für AKW einen Teil der Gewinne zu Gunsten der Öko-Energie abzuschöpfen.
Restlaufzeiten maximal zehn Jahre länger
Zugleich deutete sich laut "SZ" an, dass die Restlaufzeiten der Atommeiler vermutlich um maximal zehn Jahre verlängert werden. Bei den Verfassungsexperten des Innen- und des Justizministeriums setze sich zunehmend die Auffassung durch, dass die Betriebsgenehmigungen der Kraftwerke um höchstens zehn Jahre verlängert werden dürfen, wenn die Bundesregierung den Beschluss unter Umgehung des Bundesrats fassen will, berichtete das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise.
Union und FDP verfügen in der Länderkammer über keine Mehrheit mehr. Bei Restlaufzeiten von 25 Jahren und mehr, wie sie die Branche selbst anstrebt, müsste die Regierung dem Vernehmen nach damit rechnen, dass sie bei einer Verfassungsklage eines SPD-geführten Landes unterliegt.
SPD will nach Karlsruhe ziehen
SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte unterdessen die Bundesregierung auf, die Verhandlungen mit den Stromkonzernen über längere Atom-Laufzeiten sofort abzubrechen. Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfe nicht länger den Eindruck erwecken, die Politik sei erpressbar, sagte er nach Beratungen des SPD-Präsidiums. Gabriel warf Merkel vor, den "Ablasshandel" mit der Atomwirtschaft selbst begonnen zu haben.
SPD-Energieexperte Urlich Kelber kündigte bereits an, dass seine Partei gegen mögliche Vereinbarungen der Regierung mit der Atomindustrie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will. "Wir werden politisch und juristisch dagegen vorgehen", sagte Kelber. Kelber nannte vier mögliche Punkte für eine Klage der SPD in Karlsruhe: So werde man das höchste Gericht anrufen, falls der Bundesrat bei der Entscheidung über die Atom-Laufzeitverlängerung umgangen werde. Ein zweiter Klagegrund sei, wenn die Laufzeiten verlängert würden, ohne vorher Sicherheitsstandards hierfür festzulegen.
"Sollten die längeren Laufzeiten tatsächlich durch einen Vertrag mit der Atomindustrie und nicht durch ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz beschlossen werden, würde das Parlament auf diese Weise auf Jahrzehnte entmündigt", sagte Kelber. Auch dagegen werde die SPD klagen. Als vierten Grund nannte der SPD-Experte, "wenn die Unabhängigkeit der Sicherheitsbehörden durch eine Zahlungsverpflichtung des Staates für zusätzliche Sicherheitsauflagen gefährdet ist".
Quelle: ntv.de, dpa